Ein moderner Haushalt braucht kein Familiensilber

Während die Privatisierung von OMV, Telekom und Post erst diskutiert wird, liegen etwa 70 Steuer- und Abgabenerhöhungen schon unter dem Christbaum.

So schnell kann es gehen. Genau neun Monate ist es her, dass die große Wiener Volksbefragung mit großem Trara von der Wiener SPÖ zelebriert wurde. Die ganze Stadt war mit Plakaten übersät, auf denen vor dem Ausverkauf des Landes gewarnt wurde. „Die SPÖ schützt“, lautete die Devise. Und gemeint war damit alles, was nicht wirklich von der Privatisierung bedroht war. Etwa das Wasser oder der Gemeindebau. Post, Telekom und OMV waren damals offenbar nicht gemeint. Wenn es nämlich um die letzten Staatsunternehmen geht, sagt der Wiener Bürgermeister Michael Häupl: „Ich bin nicht grundsätzlich gegen Privatisierung.“

So schnell kann es also gehen, wenn's schnell gehen muss. Und offenbar wird bei den Koalitionsverhandlungen jetzt doch noch aufs Gas gestiegen. Man gönnt uns nicht einmal ein bisschen Weihnachtsfrieden. Als ob es irgendeine Auswirkung hätte, ob die Regierung nun ein, zwei Tage vor Weihnachten steht oder nicht.

Egal: Es soll also privatisiert werden. Prinzipiell keine schlechte Idee. Denn das sogenannte Familiensilber, wie es gern genannt wird, hat in einem modernen Haushalt, noch dazu in einem Staatshaushalt, ohnehin nichts mehr verloren. Der Staat hat zu funktionieren und nicht mit Familiensilber zu protzen.

Apropos funktionieren: Dass sich der Staat in den vergangenen Jahrzehnten als großartiger Unternehmer hervorgetan hat, kann man nicht wirklich behaupten. Dass aus der maroden Staatsindustrie doch noch sehr erfolgreiche Unternehmen wie etwa die Voestalpine hervorgegangen sind, ist ohnehin ein kleines österreichisches Wirtschaftswunder. Es ist allein der Privatisierung zu verdanken. Heute wird der Konzern von einem Management und nicht von einem politisch installierten Betriebsrat geführt.

Jetzt sollen also die Staatsanteile an Post, Telekom und OMV zurückgefahren werden. Nur zu! Oder glaubt irgendeiner, dass der Mehrheitsanteil an der Post in der heutigen Zeit – abgesehen von politischen Postenbesetzungen – noch irgendeinen wirtschaftlichen Sinn ergibt? Eine zur Gänze privatisierte Post hätte in den vergangenen Jahren wohl auch nicht mehr Postämter zugesperrt.

Das große Problem kann also nicht die Privatisierung an sich sein. Die alles entscheidende Frage lautet: Was macht die Regierung mit den Erlösen aus der Privatisierung? Verscherbelt man das Familiensilber, um in den Weihnachtsurlaub zu fahren oder um Schulden abzubauen? Und irgendwie beschleicht einen das ungute Gefühl, die Koalitionsverhandler werden plötzlich eifrig, weil die Weihnachtsferien vor der Tür stehen.

Denn die großen strukturellen Brocken bleiben auch in der sich abzeichnenden Neuauflage der rot-schwarzen Koalition unberührt. Die Reform des Pensionssystems wurde wieder einmal vertagt. Bürokratieabbau bleibt ein Wahlversprechen, wir leisten uns auch künftig knapp zwei Dutzend Krankenkassen, die Länder gefallen sich weiterhin als vom Bund bestückte Bankomaten.


Während vorn auf der großen politischen Showbühne über Privatisierung und Familiensilber vorerst ohnehin nur diskutiert wird, zieht der Staat dem staunenden Publikum ganz real und ohne große Diskussion das Kleingeld aus der Tasche. Etwa 70 Steuer- und Abgabenerhöhungen und andere Maßnahmen soll es geben. Viele davon Bagatellsteuern, die, jede einzeln betrachtet, nicht ins Gewicht fallen, in Summe nichts anderes als ein milliardenschweres Belastungspaket darstellen. Das legt uns die neue Bundesregierung quasi unter den Christbaum: ein Päckchen Überstundenstrafsteuer, ein paar Packerln Mehrbelastungen für Raucher und Autofahrer, ein Fläschchen Sektsteuer und eine Populismus-Schachtel zur Kürzung der Managergagen. So schnell kann's gehen, wenn's um Steuererhöhungen geht.

Und was die Privatisierungen betrifft: Sie liegen noch lange nicht auf dem Gabentisch. Schon spießt es sich bei der OMV, schon hapert es bei der Telekom. Und die Postgewerkschaft lässt sich ohnehin nicht wie einen Christbaum abräumen. An der Privatisierung, so ist zu befürchten, wird sich wohl auch noch der Osterhase die Zähne ausbeißen.

E-Mails an:gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2013)

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