Libanon: Zerreißprobe für den Zedernstaat

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Ein Bombenattentat auf einen Mitstreiter des Hariri-Clans wirft ein Schlaglicht auf das fragile Machtgefüge in Beirut. Syriens Bürgerkrieg greift in vielfältiger Weise auf den Nachbarn über.

Wien/Beirut. Saad Hariri musste nicht lange nach den Schuldigen suchen. Zu sehr erinnerte den früheren libanesischen Premier das Attentat auf seinen Parteifreund, den Ex-Minister Mohammed Shattah, in Beirut, bei dem am Freitag insgesamt sechs Menschen ums Leben kamen, an das Muster früherer Anschläge – insbesondere an jenen, bei dem im Februar 2005 sein Vater, der ehemalige Premier Rafik Hariri, sein Leben verlor.

„Soweit wir wissen, sind die Verdächtigen diejenigen, die vor der internationalen Justiz fliehen und sich weigern, sich einem internationalen Tribunal zu stellen“, meinte der 43-jährige Milliardär recht kryptisch. Gemeint sind damit die schiitischen Hisbollah-Milizen, die vom Iran ideologisch wie militärisch hochgerüstet werden und im syrischen Bürgerkrieg auf der Seite des Assad-Regimes kämpfen. Es ist eine Anspielung auf einen Prozess, der vor dem internationalen Strafgerichtshof Mitte Jänner in Den Haag über die Bühne gehen soll. Beinahe neun Jahre nach der Tat sollen die Attentäter Rafik Hariris nach langem Hin und Her zur Verantwortung gezogen werden.

Die Täter jagten damals den Konvoi des Premiers nur wenige Meter vom Ort des Anschlags von Freitagfrüh am Rand der Beiruter Innenstadt, in der Nähe des Regierungssitzes, in die Luft. Die Autobombe zerfetzte diesmal Shattah, den ehemaligen Finanzminister und früheren Botschafter in den USA, einen bekannten Ökonomen. Er befand sich gerade auf dem Weg zu einer Sitzung im Parteihauptquartier der „Koalition des 14. März“, einer Sammelbewegung.

Keine Stunde zuvor hatte der 62-jährige Hariri-Mitstreiter, ein Berater von Vater wie Sohn Hariri, noch eine Twitter-Meldung abgesetzt. „Die Hisbollah übt starken Druck aus, um in der Außen- und Sicherheitspolitik dieselbe Macht zu erlangen, wie sie Syrien über den Libanon gehabt hat.“
Der Syrien-Krieg greift seit Anbeginn auf den kleinen Nachbarn an der Levante über. Immer wieder geraten die Dörfer an der Grenze unter Granatenbeschuss, unter anderem im Bekaa-Tal und im Libanon-Gebirge, den Schleichwegen der Waffenschmuggler nach Syrien.

Hisbollah im Visier

In der Zwischenzeit hat sich eine Million Flüchtlinge – die Schätzungen variieren – im Libanon in Sicherheit gebracht. Ganz sicher sind die Flüchtlinge indessen auch hier nicht: Pro- und antisyrische Milizen fechten in Beirut oder Tripoli einen Stellvertreterkrieg aus.

Ins Visier geraten dabei die Hisbollah-Hochburgen im Süden Beiruts. Und im November hat ein Attentat ausgerechnet die iranische Botschaft getroffen, dem mehr als 20 Menschen zum Opfer fielen. Das Mullah-Regime in Teheran fungiert als Schutzmacht sowohl der Assad-Regierung in Damaskus als auch der Hisbollah. Israel hat bisher bereits mehrmals die Nachschublinien aus dem Iran bombardiert.

Nichts fürchtet der Libanon indessen so sehr, wie zwischen den Fraktionen des Bürgerkriegs in Syrien zerrieben zu werden und erneut ins Chaos des Bürgerkriegs auf eigenem Territorium zurückzufallen, das die einstige „Schweiz des Orients“ in den 1970er- und 1980er-Jahren beinahe zerstört hätte. Im Zedernstaat herrscht seit Langem ein fein austariertes Machtgefüge zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen christlichen Maroniten und Drusen. Bis zum Anschlag auf Rafik Hariri im Jahr 2005 stand der Libanon drei Jahrzehnte unter Kuratel Syriens. Erst danach befreite sich das Land nach dem Protest einer Bürgerbewegung vom Einfluss des Assad-Regimes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2013)

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