Gesamtschule: Die Befindlichkeiten der Bundesländer

Von Vorarlberg bis Wien: Die Bundesländer und ihre Befindlichkeiten im Überblick.

Vorarlberg: Wallner muss sich vor Wahl positionieren

Dass die Vorarlberger andere Wege gehen als die ÖVP-Bundespartei in Wien, ist nicht ungewöhnlich. Dass Landeschef Markus Wallner ausgerechnet jetzt öffentlich aufbegehrt (und demonstrativ gelassen, fast fröhlich auf den Rüffel des Parteichefs reagiert), dürfte aber auch auf politisches Kalkül zurückzuführen sein: Im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl will (und muss) sich Wallner positionieren. Für ihn ist es der erste Antritt als Spitzenkandidat, für die Landespartei geht es um die absolute Mehrheit. Mit einer Abgrenzung von der ÖVP-Bundespartei versucht man offenbar auch, sich vom potenziellen Hemmschuh Bundesregierung zu distanzieren. Und mit einem liberaleren Kurs in puncto Schule soll wohl auch den Neos - einer in Vorarlberg ernst zu nehmenden Konkurrenz - begegnet werden, die in Schulbelangen einiges vorgelegt haben.

Was nicht bedeuten soll, dass das Thema Bildung bloß Mittel zum Zweck ist: Seit über einem Jahr wird an einem Forschungsprojekt gebastelt. Zudem hat das Land ein selbst finanziertes Bildungspaket geschnürt - nicht ohne den ständigen Verweis, dass dies ja eigentlich Bundessache sei.

Tirol: Platter will mehr Gewicht in der ÖVP

Dass ausgerechnet Günther Platter als erster (und damals einziger) schwarzer Landeschef aus der Parteilinie ausscherte, sorgte zunächst für Verwunderung: Immerhin galt der frühere Polizist nicht unbedingt als passionierter Bildungspolitiker. Allerdings hat er mit Südtirol ein seiner Ansicht nach funktionierendes Gesamtschulsystem vor der Tür. Und nicht zuletzt dürfte die Positionierung gegenüber der Bundespartei zentral gewesen sein - Stichwort Ost-West-Bedeutungsgefälle.

Das umstrittene Thema Schule bot sich dafür an - und es lässt sich zumindest in Tirol auch relativ risikolos angehen. Wenn im Zillertal wie geplant ab Herbst an einer (!) Schule das Türschild ausgetauscht wird, um einen Gesamtschulversuch zu starten, sind kaum negative Effekte zu befürchten, zumal bereits jetzt alle infrage kommenden Zehn- bis 14-Jährigen diese Schule besuchen (ein paktierter Schulversuch in Innsbruck kommt nun doch nicht zustande).

Bei der harschen Kritik an Spindelegger dürfte aber noch etwas mitschwingen: Der Rauswurf des Tirolers Karlheinz Töchterle aus dem Regierungsteam hat nicht gerade für gute Stimmung gegenüber Wien gesorgt.

Salzburg: Wilfried Haslauer will "Neuanfang"

Eines will der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer mit Sicherheit nicht: sich als Rebell gerieren, der Risse in die Parteilinie bringt. Den Rückschluss lassen auch seine relativ zurückhaltenden Wortmeldungen im Zuge der aktuellen Debatte zu: "Versachlichung" ist einer jener Begriffe, die er am häufigsten verwendet. Gleich nach seinem Amtsantritt vor knapp einem Jahr plädierte er "für einen Neuanfang" in der Schulpolitik - gemeint war vor allem die Diskussion um die Gesamtschule. Und tatsächlich scheiterte Haslauer nur kurz vor dem Ziel - als Parteichef Spindelegger den von Haslauer als ÖVP-Chefverhandler für Bildung ausgearbeiteten Kompromiss öffentlich ausbremste: eine Orientierungsphase bis zwölf Jahre.

Dass Haslauer trotzdem bei seiner (verbalen) Zurückhaltung bleibt - und dass er sich stets gegen die Bezeichnung "Gesamtschulbefürworter" verwehrt -, bedeutet aber nicht, dass er nun auf Linie gebracht ist, im Gegenteil. Es ist wohl eher ein Indiz dafür, dass sein Aufbegehren in puncto Schule weniger mit einem Aufstand gegen Michael Spindelegger und die Bundespartei zu tun hat, sondern vielmehr mit der tatsächlichen Frage nach der besten Schulform für die zehn- bis 14-jährigen Schüler.

Der in Salzburg mit den Grünen paktierte Schulversuch zur Gesamtschule soll laut Haslauer jedenfalls stattfinden. Das Okay vom Bund - mit dessen Einforderung der Vorarlberger Markus Wallner die Debatte vom Zaun gebrochen hat - brauche er dafür nicht. Nun ist man auf der Suche nach einem bis zwei geeigneten Schulsprengeln für eine Gesamtschulmodellregion.

Steiermark: Schützenhöfer stört an allen Fronten

Der Unmut der Steirer über die Bundespartei hat mit dem Thema Schule indes bestenfalls am Rande zu tun. Landesobmann Hermann Schützenhöfer hat es in den vergangenen Jahren tunlichst vermieden, zur Gesamtschule Position zu beziehen. Lieber hat er Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder vorgeschickt, die (obwohl selbst gesamtschulfreundlich eingestellt) das Thema stets charmant und parteilinienkonform abhandelte.

Dass von ihrem Charme inzwischen wenig übrig ist - sie attestiert Spindelegger neuerdings "Starrsinn" und spricht von "Denkverboten" in der ÖVP -, liegt an der generellen Unzufriedenheit der Steirer mit dem Koalitionspakt. So ärgert man sich über Personalia: Seit Beatrix Karl von der Ministerin zur Abgeordneten degradiert wurde, stellt die steirische ÖVP kein Regierungsmitglied mehr.

Die Steirer zeigen ihr Missfallen seither an mehreren Fronten. So waren bei der ersten Nationalratssitzung plötzlich alle steirischen ÖVP-Mandatare unangekündigt verschwunden - und kehrten auch zur Abstimmung über das Lehrerdienstrecht nicht wieder. Ein bisschen Aufruhr rund um die Gesamtschule kommt den Steirern da gerade recht.

Wien: Juraczka will "gescheiter werden"

Zuletzt sprang am Freitag die Wiener ÖVP auf. "Jeder hat das Recht, gescheiter zu werden", so Manfred Juraczka. Man könne "verschiedene Dinge ausprobieren", auch Gesamtschulmodellregionen. Im Vordergrund dürfte für ihn die Lust an der Provokation stehen. Denn ganz verstanden scheint er die schulpolitischen Hintergründe der Gesamtschule nicht zu haben: Juraczka will die Gesamtschule nur in einzelnen Bezirken - womit sie schlicht keine Gesamtschule wäre. Schließlich könnten Eltern (gerade in Wien) problemlos ihr Kind in eine AHS in einem nahen Nachbarbezirk schicken. Für Wien ist das Thema heikel: Nirgends sonst gäbe es bei einer Umstellung so viele Probleme wie hier. (Anmerkung: Juraczka ruderte tags darauf zurück: Man sei für den Erhalt des Gymnasiums und stehe damit klar hinter dem Parteichef.)

Niederösterreich: "Kein Kommentar"

Er beteilige sich nicht an dieser Debatte, ließ der niederösterreichische Landeschef Erwin Pröll zuletzt wissen - und verwies auf den viel beschworenen "neuen Stil" in der Regierung. Die Position des mächtigsten Landespolitikers zur Schule ist jedenfalls eine ambivalente: Einerseits ist er gegen die Gesamtschule bis 14, andererseits aber auch gegen eine Trennung der Schüler bereits mit zehn Jahren ("Eine Trennung mit zehn Jahren ist nicht sinnvoll"). Und teilt damit wieder nicht die Position Spindeleggers.

Nicht zuletzt ähnelten jene Pläne Wilfried Haslauers für den Bund, die Spindelegger in letzter Sekunde stoppte, der niederösterreichischen Version der Neuen Mittelschule. An früheren Hauptschulen wird dort eine Art Verlängerung der Volksschule erprobt: Volksschulklassen werden, soweit möglich, zwei weitere Jahre gemeinsam unterrichtet.

Oberösterreich: Pühringer hält Gymnasium die Stange

Josef Pühringer dürfte für Spindelegger langsam zum Fels in der Brandung werden. Er ist der einzige mächtige schwarze Landespolitiker, der der AHS uneingeschränkt die Stange hält. Einzig Kärnten - nicht unbedingt eine ÖVP-Hochburg - spricht sich derzeit sonst noch dezidiert gegen die Gesamtschule aus.

Freilich wird auch in Oberösterreich über neue Modelle diskutiert - so bewies sich zuletzt etwa der durchwegs kompetente Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer als lösungsorientierter Regierungsverhandler -, bis zum Landeschef selbst ist die Reformfreude aber nicht durchgedrungen.

Gezielte Unterstützung sollte Spindelegger daraus nicht ableiten. Pühringer geht es weniger um die Geschlossenheit der Partei, sondern vielmehr um seine eigenen Überzeugungen. Er betont die "Wahlfreiheit der Eltern" und setzt lieber bei der Verbesserung der Volksschule an. Er befürwortet zwar auch die Verlängerung der Volksschulzeit, denkt aber eher leise darüber nach.

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