Suche nach Überlebenden

Über 2100 Tote nach Erdbeben in Marokko: Den Rettern läuft die Zeit davon

Eine Frau vor den Trümmern ihres Hauses. Die verzweifelte Suche nach Überlebenden geht weiter.
Eine Frau vor den Trümmern ihres Hauses. Die verzweifelte Suche nach Überlebenden geht weiter.AFP/FADEL SENNA
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Drei Tage nach dem schweren Erdbeben in Marokko wird intensiv nach Überlebenden gesucht. Hunderte Menschen werden noch vermisst. Warum läuft die internationale Hilfe so schleppend an?

Drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Marokko geht die verzweifelte Suche nach Überlebenden weiter. Die Opferzahl ist bereits auf 2122 gestiegen. Hunderte werden noch vermisst. Für die Rettungskräfte ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, Experten gehen von rund 72 Stunden aus, die ein verschütteter Mensch ohne Wasser überleben kann.

Die internationale Hilfe läuft an, jedoch schleppend. Das Land hat mittlerweile zugesagt, das Hilfsangebot von anderen Ländern in Anspruch zu nehmen, aber nur aus vier Ländern. Wie das Innenministerium am späten Sonntagabend erklärte, hätten die Behörden nach einer gründlichen Untersuchung „auf die Unterstützungsangebote der befreundeten Länder Spanien, Katar, Großbritannien und Vereinigte Arabische Emirate reagiert“.

Die Teams hätten am Sonntag Kontakt zu den marokkanischen Kollegen aufgenommen. Die Regierung begrüße alle Solidaritätsinitiativen aus verschiedenen Ländern, hieß es weiter. Der saudi-arabische König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman hätten die Einrichtung einer Luftbrücke zur Hilfslieferung nach Marokko angeordnet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur SPA am späten Sonntagabend. Die beiden arabischen Länder unterhalten traditionell freundschaftliche Beziehungen. Nach einem Bericht der Zeitung „Arab News“ soll ein saudisches Such- und Rettungsteam die örtlichen Rettungskräfte unterstützen.

Hilfsangebote aus mehreren Ländern

Weiter Länder hätten ihre Hilfe angeboten und bereits Hilfsmittel vorbereitet, warten aber noch darauf, von Marokko angefordert zu werden. Darunter auch Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien oder die USA. So sagte Außenminister Antony Blinken am Sonntag, die Regierung habe die zuständigen Behörden mobilisiert, die nun einsatzbereit seien. „Und wir warten nun auf Nachricht von der marokkanischen Regierung, um herauszufinden, wie und wo wir helfen können. Aber wir sind startklar“, sagte er im Gespräch mit dem Sender CNN.

Einsatzkräfte suchen unter den Trümmern nach Überlebenden.
Einsatzkräfte suchen unter den Trümmern nach Überlebenden.Reuters/NACHO DOCE

Die marokkanische Regierung kündigte unterdessen einen Sonderhilfsfonds für die notleidende Bevölkerung an. Damit sollten unter anderem Kosten zur Absicherung beschädigter Häuser gedeckt werden, berichtete die Nachrichtenseite Hespress unter Berufung auf einen Regierungssprecher. Zur Höhe des Fonds gab es keine Angaben. Er solle sich aus Geldern öffentlicher Einrichtungen und freiwilliger Beiträge des Privatsektors zusammensetzen, hieß es.

Nachbeben erschüttert das Land

Landesweit wurden nach Zahlen des marokkanischen Innenministeriums vom Sonntagnachmittag 2122 Tote und 2421 Verletzte gezählt. Zur medizinischen Versorgung der Verletzten seien neben den ortsansässigen Krankenhäusern und Ambulanzdiensten mehr als 1000 Ärzte sowie 1500 Krankenschwester und Pfleger mobilisiert worden, berichtete Hespress weiter.

Das Land sei gegen 09.00 Uhr vom Nachbeben erschüttert worden, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik. Die US-Erdbebenwarte USGS verzeichnete eine Stärke von 3,9. Das Epizentrum des Nachbebens lag laut Hespress etwa 80 Kilometer südwestlich von Marrakesch, ähnlich wie das erste Beben. Zahlen zu Opfern lagen vorerst noch nicht vor. In den abgelegenen Bergdörfern des nordafrikanischen Landes gruben sich die Einsatzkräfte mit schwerem Gerät durch Trümmer eingestürzter Häuser. Doch für die Helfer wird das Zeitfenster immer knapper. Bei der Suche nach Verschütteten in Folge eines Erdbebens sprechen Experten in etwa von einem Zeitfenster von 72 Stunden.

Eine kleine Ortschaft in der Provinz Chichaoua wurde nahezu vollständig zerstört, wie der staatliche marokkanische Fernsehsender TV 2M am Sonntag meldete. 65 Leichen seien geborgen und ein Massengrab eingerichtet worden. Es wurden Drohnen eingesetzt, um den Einsatzkräften bei der Suche nach Leichen zu helfen, wie die Nachrichtenseite Hespress berichtete. Allein in Chichaoua wurden 191 Todesfälle registriert.

Hunderte Menschen gelten weiter als vermisst

Hunderte von Menschen galten am Sonntag noch als vermisst, berichtete der arabischsprachige Nachrichtensender Al-Arabiya. Die Helfer kommen jedoch in den teils abgelegenen Bergregionen nur mit Mühe voran. Zudem bestand weiter die Gefahr von Nachbeben, wodurch beschädigte Gebäude vollends einstürzen könnten.

Am Sonntag flog eine Spezialeinheit des spanischen Militärs in das nordafrikanische Land. 56 Mitglieder der Militärischen Nothilfe-Einheit UME hätten am Sonntag in Saragossa zusammen mit vier Suchhunden eine Transportmaschine vom Typ A400 bestiegen, teilte das Verteidigungsministerium auf Twitter (X) mit. Zuvor hatte das nordafrikanische Land eine formelle Bitte um Beistand an Spanien gerichtet, wie spanische Medien übereinstimmend berichteten.

Während etwa deutsche Hilfsorganisationen wie das Technische Hilfswerk (THW) am Sonntag ihre Bereitschaft in Erwartung nach bisherigem Ausbleiben eines Hilfsersuchens zurückfuhren, hielten andere Länder ihre Hilfsangebote weiterhin aufrecht. Das österreichische Außenministerium unterstrich am Sonntagnachmittag nochmals auf Anfrage helfen zu wollen.

Weiterhin keine Meldung über verletzte Österreicher

Laut dem österreichischen Außenministerium halten sich in Marokko aktuell rund 110 Personen aus Österreich (Stand Sonntagnachmittag) auf. „Wir haben glücklicherweise weiterhin keine Infos dazu, dass jemand von ihnen verletzt wurde“, sagte eine Sprecherin. Das Außenministerium sei in ständigem Kontakt mit den Österreicherinnen und Österreichern, hieß es. Man leiste Unterstützung bei der Suche nach Transportmöglichkeiten sowie bei Fragen rund um die Sicherheit in Marokko.

Der Generalsekretär des österreichischen Roten Kreuzes, Michael Opriesnig, richtete am Sonntag einen Appell an alle hilfswilligen Menschen in Österreich. „Sehr viele Menschen aus Österreich und Deutschland melden sich bei uns und wollen helfen. Allerdings raten wir momentan davon ab, ins betroffene Gebiet zu reisen“, sagte er. „Die Gefahr ist zu groß und Menschen von außen, die untergebracht und verköstigt werden müssen, stellen eine zusätzliche Belastung für Hilfsorganisationen dar.“ Finanzielle Unterstützungen an professionelle NGOs oder lokale Initiativen würden die Betroffenen in Marokko am besten unterstützen, hieß es. Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) gab am Sonntag zudem rund eine Million Schweizer Franken (umgerechnet 1,05 Millionen Euro). Erneute Spendenaufrufe kamen am Sonntag auch von der Caritas sowie dem Hilfswerk.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mehr als 300.000 Menschen in der Stadt Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen. Sie verbrachten die zweite Nacht in Unsicherheit und Trauer. Das Beben mit einer Stärke von 6,8 vom späten Freitagabend war das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko. König Mohammed VI. ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Da Erdbeben in Nordafrika relativ selten auftreten, sind Gebäude nach Einschätzung von Experten nicht robust genug gebaut, um solchen starken Erschütterungen standzuhalten.

In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden einige Gebäude zerstört und historische Kulturdenkmäler beschädigt. So soll auch die berühmte Bergmoschee von Tinmal im Westen des Gebirges sein, wie lokale Medien am Sonntag berichteten. Die Tinmal Moschee stammt aus dem zwölften Jahrhundert und gilt als eine der wichtigsten historischen Stätten im Hohen Atlas. (ag/red)

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