Syrien: Wichtige Rebellengruppe boykottiert Konferenz

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Die Exilopposition nimmt an Friedensgesprächen am Genfer See teil, die Rebellenvereinigung "Islamische Front" lehnt Verhandlungen ab.

Damaskus/Moskau/Istanbul. Helfer graben in den Trümmern verzweifelt nach Verschütteten. Ein Mann trägt die Leiche eines Kindes weg, die aus dem zerstörten Haus geborgen worden ist. Die Bilder, die die Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende aus dem Stadtteil al-Maysar der nordsyrischen Metropole Aleppo geliefert hat, zeigen: Trotz der jüngsten diplomatischen Bemühungen macht das Sterben auf den syrischen Schlachtfeldern keine Pause.
Aktivisten der syrischen Opposition berichteten, dass nach einem Luftangriff des Regimes Gebäude in al-Maysar zusammengestürzt seien und die Bewohner unter sich begraben hätten.

Während das Grauen kein Ende nimmt, bereitet sich die internationale Gemeinschaft auf die Syrien-Konferenz vor, die am Mittwoch in Montreux am Genfer See beginnen wird. Dabei soll ein Ausweg aus dem Krieg gefunden werden. Und dabei werden auch erstmals Vertreter des syrischen Regimes und der Opposition miteinander verhandeln.

Verwirrung um Assad-Aussage

Die Gegner des Regimes hatten in der Vergangenheit als Voraussetzung für eine Lösung den Rücktritt des syrischen Machthabers Bashar al-Assad gefordert. Laut einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Interfax vom Sonntag stellte Assad nun erneut klar, dass er nicht daran denke, das Präsidentenamt abzugeben. „Wenn wir hätten aufgeben wollen, hätten wir das gleich zu Beginn tun können", wird Assad zitiert. Die Frage eines Rücktritts „steht nicht zur Diskussion". Kurz darauf dementierte jedoch das syrische Staatsfernsehen: Die Sätze, die Interfax dem Präsidenten zuschreibe, seien keine korrekten Zitate.

Neben der syrischen Opposition haben auch die USA und andere westliche Staaten bereits klargestellt, dass Assad nicht im Amt bleiben könne. Der Westen will, dass in einem ersten Schritt für eine Lösung eine Übergangsregierung aus Vertretern des Regimes und der Opposition gebildet werden solle - ein Plan, dem auch Moskau grundsätzlich zugestimmt hat. Russland zählt weiterhin zu den Unterstützern des syrischen Regimes.
Ob bei der am Mittwoch beginnenden Syrien-Konferenz am Genfer See tatsächlich eine Lösung gefunden werden kann, ist fraglich. Ein Hoffnungsschimmer ist jedoch, dass am Wochenende die zerstrittene syrische Opposition zugesagt hat, an den Verhandlungen in der Schweiz teilzunehmen. Denn ihr Fernbleiben hätte die Konferenz noch vor Beginn scheitern lassen. Die „Nationale Koalition", die jetzt ihre Emissäre an den Genfer See schicken wird, ist der Dachverband syrischer Oppositionsgruppen im Exil und wird von vielen Staaten als „eine" oder sogar „die einzige" legitime Vertretung des syrischen Volkes akzeptiert. In Syrien selbst hat sie aber nur wenig Einfluss. Dort liegt auf der Oppositionsseite die Macht vor allem in den Händen der zahlreichen lokalen Rebellenkommandanten.

"Bedeutungslose Konferenz"

Nun haben sich erstmals aber auch Milizen der Aufständischen direkt zur Teilnahme an der Friedenskonferenz in der Schweiz bereit erklärt. Drei Rebellenorganisationen wollten demnach in der Oppositionsdelegation repräsentiert sein, sagte ein Sprecher der „Nationalen Koalition" der Nachrichtenagentur Reuters. Bei den Gruppen handle es sich um die „Syrische Revolutionäre Front", die „Soldaten der Levante" und die „Armee der Mudjaheddin", sagte der Oppositionssprecher.

Die Vereinigung „Islamische Front", die vermutlich größer ist als die anderen drei zusammen, lehnte Sonntagabend allerdings eine Teilnahme an der Konferenz ab: Die Zukunft Syriens werde „hier auf dem Boden des Heldentums entschieden, nicht in bedeutungslosen Konferenzen, mit Teilnehmern, die nicht einmal sich selbst vertreten", twitterte Abu Amar, eine der führenden Personen der Vereinigung. (Reuters/APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2014)

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