Streitgespräch: Der Akademikerball, ein "Stellvertreterkrieg“

Klubobleute auf neutralem Boden: David Ellensohn (Grüne, links) und Johann Gudenus (FPÖ, rechts) bei der Diskussion in der „Presse“-Redaktion.
Klubobleute auf neutralem Boden: David Ellensohn (Grüne, links) und Johann Gudenus (FPÖ, rechts) bei der Diskussion in der „Presse“-Redaktion. Die Presse (Fabry)
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Die Klubobleute der Wiener Grünen und FPÖ, David Ellensohn und Johann Gudenus, diskutieren im Vorfeld des umstrittenen FPÖ-Balls über Versammlungsfreiheit, Rechtsextremismus und Holocaust-Verharmloser.

Herr Gudenus, haben Sie Ihren Ballgästen eigentlich schon empfohlen, ohne Schal zu kommen?

Gudenus: Wir haben keine Empfehlung ausgegeben.


Wir fragen, weil die Polizei heuer verordnet hat, dass in allen Bezirken von eins bis neun ein Vermummungsverbot gilt. Dort darf man heute keine Gegenstände tragen, die zur Vermummung verwendet werden könnten.

Gudenus: Das Verbot wurde ausgesprochen, damit linke Gewalttäter nicht das tun, was sie die letzten Jahre über getan haben: Menschen zu attackieren und sich dann in der Anonymität zu verstecken.


Die Grünen rufen mit zur Demo auf. Herr Ellensohn, empfehlen Sie ohne Schal hinzugehen?

Ellensohn: Die Leute wissen selbst, was sie anziehen. Es hat gestern geschneit - so ungewöhnlich wäre ein Schal nicht. Dass es politisch überzogen ist, das wird der Verfassungsgerichtshof auch so sehen. Die Polizei ist für ein ähnliches Vorgehen 2011 verurteilt worden.
Gudenus: Vom Vermummungsverbot kann abgesehen werden, wenn keine Gefährdung öffentlicher Ordnung vorliegt. Die gab es in den letzten Jahren aber: Körperverletzungen, Beleidigungen, Tränengas - bei einem Demonstranten wurde eine 1,2-Kilogramm-Bombe gefunden. Davon muss man auch heuer ausgehen, zu einer Demo wurde mit dem Motto „Unseren Hass könnt Ihr haben" aufgerufen.


Sind das die Demos, die Sie unterstützen, Herr Ellensohn?

David Ellensohn
David EllensohnDie Presse

Ellensohn: Das klingt eher wie ein FPÖ-Plakat. Interessant, wenn man nicht verurteilten Leuten vorwirft, was sie alles getan hätten, während FPÖ-Mandatare oder Nachwuchshoffnungen verurteilt wurden. Sie umgeben sich mit Randalierern - die sitzen im Akademikerball drin! Ich weiß nicht, ob mehr verurteilte Gewalttäter drin sind am Ball oder draußen - was glauben Sie?
Gudenus: Wenn es so wäre, was ich bestreite, rechtfertigt das Gewalt und Hetze? Diese Menschenjagd ist der Faschismus des 21. Jahrhunderts. Es ist Gewalt, nur weil Menschen eine andere Meinung haben.


Ein Drittel der Innenstadt wird gesperrt, für ein paar hundert Ballgäste. 2000 Polizisten kommen aus ganz Österreich. Kann man einen Ball noch rechtfertigen, der Bürgern und Staat so einen Aufwand verursacht?

Gudenus: Es finden derzeit fast täglich Bälle statt. Wenn, wie beim Jägerball, friedlich dagegen demonstriert wird, haben wir nichts dagegen. Aber das Demonstrationsrecht hat gewisse Einschränkungen. Wenn Leute verletzt werden . . .
Ellensohn: Wer soll daran ein Interesse haben? Wir nicht! Bei Ihnen sitzen die Leute, die wegen Schlägereien verurteilt wurden.
Gudenus: Wenn es nach Ihnen geht, hätten die Demonstranten Versammlungsfreiheit bis zum Eingang der Hofburg.
Ellensohn: Wenn es nach mir geht, wären Sie gar nicht in der Hofburg.


Herr Ellensohn, wer sind denn die Rechtsextremen, die heute in die Hofburg kommen?

Ellensohn: Wenn die Le Pens kommen oder Dewinter, die gelten in ihren Ländern als rechtsextrem.


Und die kommen dieses Jahr?

Ellensohn: Keine Ahnung. Aber ich würde zum Beispiel sagen, jeder verurteilte Holocaust-Verharmloser in der FPÖ ist rechtsextrem.
Gudenus: Sind am Ball jetzt nur Holocaust-Verharmloser?
Ellensohn: Es werden doch einige dort sein, nehme ich an.
Gudenus: Das unterstellen Sie.
Ellensohn: Sagen Sie, es kommt kein einziger Verharmloser?
Gudenus: Habe ich nicht gesagt. Man kann nicht ausschließen, dass bei Ihren Veranstaltungen auch Holocaust-Verharmloser sind. Für Sie ist alles rechtsextrem, das nicht links ist. Aber selbst, wenn es so wäre: Rechtfertigt das Gewalt gegen friedliche Bürger und Polizisten?
Ellensohn: Habe ich nicht gesagt. Die Grünen haben als einen ihrer sechs Grundwerte Gewaltfreiheit.


Die Aufregung nützt doch beiden Seiten zur Mobilisierung. Geht es überhaupt noch um den Ball?

Johann Gudenus
Johann GudenusDie Presse (Fabry)

Gudenus: Es geht um viel mehr. Auch darum, dass die FPÖ von Wahl zu Wahl stärker wird, und die Nervosität bei den Mitbewerbern wächst. Das ist ein Stellvertreterkrieg, in dem die fünfte Kolonne vorgelassen wird, die Stiefeltruppe der linken Faschisten, um Angst und Schrecken zu erzeugen.
Ellensohn: Es gibt tatsächlich einen ernsten Hintergrund, wenn Überlebende des Holocaust sagen: Ich will diese Ansammlung nicht in der Hofburg haben. Das sind Gegner der Demokratie. Die FPÖ will eine Normalität herzustellen, als Signal: Wir sind in der Hofburg, können auftreten wie eine normale Partei, wir gehören zur guten Gesellschaft. Gehören sie nicht, und das muss auch laut gesagt werden.
Gudenus: Danke, dass Sie das ansprechen. Wenn die Holocaustüberlebenden beim Ball das Geschehen beobachten könnten, würden die zu dem Schluss kommen: Da sind die friedlichen Ballbesucher, und die Hetze auf sie erinnert an ganz grausliche Sachen. Zu diesem Schluss würde jeder kommen.


Herr Ellensohn, könnte die FPÖ diesen Ball so machen, dass Sie nicht mehr demonstrierten?

Ellensohn: Wenn die FPÖ einen Ball auf irgendeiner Bude macht, glaube ich nicht, dass es eine Demo gäbe, aber in der Hofburg wollen wir das nicht. Eine Ansammlung von Rechtsextremen ist keine Werbung für die Hofburg, für Wien.
Gudenus: Es ist eine schlechte Werbung für Wien, wenn Chaoten Gewalt ausüben. Der Ball selbst war immer friedlich, es gab nie Vorfälle. Außerhalb des Balls ist Bürgerkrieg-Stimmung. Wenn Vermummte spucken, mit Flaschen werfen, was soll ein Tourist von unserer Heimatstadt denken? Ist doch peinlich.

David Ellensohn (Grüne, hinten links) und Johann Gudenus (FPÖ, hinten rechts) im Gespräch mit den
David Ellensohn (Grüne, hinten links) und Johann Gudenus (FPÖ, hinten rechts) im Gespräch mit den "Presse"-Redakteueren Christine Imlinger und Georg RennerDie Presse (Fabry)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. Jänner 2014)

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