Syrien-Konferenz: Das große Schweigen am Genfer See

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Erstmals trafen sich am Samstag unter UN-Vermittlung Delegationen des syrischen Regimes und der Exil-Opposition. Gesprochen haben sie allerdings nicht miteinander.

Die Erwartungen an die dieser Tage am Genfer See stattfindende Syrien-Konferenz – das Wort Friedenskonferenz, das gelegentlich bemüht wird, wäre wohl zu hoch gegriffen – waren so niedrig gesteckt, das am Samstag tatsächlich ein erster Erfolg verbucht werden konnte: Es kam zu einem ersten direkten Aufeinandertreffen der Konfliktparteien – also des Regimes von Syriens Präsident Bashar al-Assad und der Exil-Opposition.

Der Erfolg bestand darin, dass die Vertreter der beiden Lager, nachdem sie durch verschiedene Türen eingetreten waren, sich im selben Raum aufhielten. Und schwiegen. Eine ganze halbe Stunde lang, wie Vertreter der Delegationen ganz unumwunden selbst zugaben. Geredet hat demnach nur einer, nämlich UN-Vermittler Lakhdar Brahimi. Der Algerier, der zu den erfahrensten Mediatoren zählt, die die Staatengemeinschaft aufbieten kann – und der idealerweise mit den Konfliktparteien die Muttersprache teilt – steht vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe: den Konflikt, der in knapp drei Jahren laut UN-Angaben bereits 130.000 Todesopfer gefordert hat und Millionen Menschen als Flüchtlinge in die Nachbarländer Türkei, Jordanien und vor allem den Libanon getrieben hat, zu beenden. So sagt er es selbst.

Brahimi kann freilich froh sein, wenn er in mehreren Tagen Shuttle-Diplomatie lokal begrenzte Waffenstillstände erreicht.


Waffenruhe für Hilfslieferungen. Darüber wurde am Samstag dann auch tatsächlich in Einzelgesprächen verhandelt. Die Opposition schlägt vor, dass für die Altstadt der von der Armee belagerten Rebellen-Hochburg Homs für ein bis zwei Wochen die Waffen schweigen sollen, damit zumindest Hilfslieferungen zur Not leidenden Bevölkerung durchkommen können. Sollte sich dieses Modell bewähren, könnte es in der Folge auf die gesamte Provinz ausgedehnt werden, denkt die Opposition jetzt schon an den zweiten Schritt, bevor noch klar ist, ob der erste überhaupt gemacht wird.

Denn wichtige Spieler sitzen gar nicht am Tisch. Auf Seiten der Regimegegner sind es jene extremistischen Gruppen, oft mit Verbindungen zu al-Qaida, die auf dem Schlachtfeld eine zusehends stärkere Rolle spielen, weil sie die einzigen sind, die in nennenswertem Umfang mit Waffen versorgt werden. Wie diese Kräfte davon überzeugt werden sollen, sich Waffenstillständen anzuschließen, ist völlig schleierhaft.

Auch auf Seiten der Pro-Assad-Kräfte fehlt ein wichtiger Spieler in Genf: Der schiitische Iran, engster Verbündeter und wichtigster Waffenlieferant des Regimes, der sich mit den (mehrheitlich sunnitischen) Golfstaaten eine Art Stellvertreterkrieg in Syrien liefert, der machtpolitische, aber auch religiöse Aspekte umfasst. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte Teheran überraschend am vergangenen Montag nach Genf geladen, die Offerte aber – nach Protesten der syrischen Opposition und der USA – kurzerhand wieder zurückgezogen. Die offizielle Begründung: Der Iran würde die Prinzipien von „Genf 1“ (die erste Syrien-Konferenz im Jahr 2012), nicht akzeptieren.


Assad will wieder kandidieren. Das ist zwar völlig korrekt, denn der Iran hat noch am Montag kategorisch ausgeschlossen, Genf 1 als Basis zu akzeptieren, denn einer der wesentlichen Punkte der nie umgesetzten Erklärung war eine Übergangsregierung, mit dem Ziel eines Abschieds Assads von der Macht.

Der Argumentation Bans zufolge hätte dann freilich auch das syrische Regime nicht zur Syrien-Konferenz eingeladen werden dürfen. Damaskus verfolgt verbal nämlich eine Doppelstrategie: Das Regime bekundet einerseits, Genf 1 „weitgehend“ zu akzeptieren, lehnt aber gleichzeitig inhaltlich die wesentlichen Punkte ab. Vor allem will man von einer Übergangsregierung nichts wissen, wie die nach Montreux und Genf angereisten Minister einmal mehr betonten. Assad selbst will von einem Rückzug schon gar nichts wissen, im Gegenteil: Provokant kündigte er vor einigen Tagen sogar an, im Juni für eine weitere Amtszeit kandidieren zu wollen, wobei völlig fraglich ist, wie eine Wahl in einem Bürgerkriegsland stattfinden soll, in dem Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

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