Die Schönsten überleben, der Rest wird massakriert

(c) APA/EPA/SEA SHEPHERED / HANDOUT (SEA SHEPHERED / HANDOUT)
  • Drucken

Anlässlich der Olympischen Winterspiele in Sotschi soll ein Delfin einen Trainer samt Fackel durch ein Delfinarium ziehen. Das Tier wurde möglicherweise in Japan gefangen.

Blutrot färbt sich das Meer in der Bucht von Taiji Dutzende Delfine wurden hier schon früh am Morgen abgeschlachtet. Abgeschirmt von großen Planen, damit Aktivisten und Passanten das brutale Schlachten nicht dokumentieren können, werden sie mit Speeren, Haken und Messern getötet. Diese Bilder gingen in den vergangenen Tagen um die Welt. Dass von den zusammengetriebenen Tieren zuerst die schönsten für den Verkauf an Aquarien oder sogenannte Delfinarien ausgewählt werden, bevor die restlichen getötet werden, ist jedoch kaum bekannt.

Die schönsten Tiere werden um Beträge im teilweise sechsstelligen Bereich ins Ausland verkauft, so Tierschützer Nicolas Entrup, der die Organisationen „Whale and Dolphin Conservation“ (WDC) sowie „OceanCare“ international vertritt. Vor allem in China boomt die Vergnügungsparkindustrie, ebenso in Russland: Nach Vergabe der Olympischen Winterspiele an die Hafenstadt Sotschi wurden eigens für das Großereignis zwei neue Delfinarien gebaut, zwei weitere gibt es bereits.

„Skrupelloses Denken“. Das Delfinarium Sea Star wird in Sotschi jedoch im Mittelpunkt stehen laut russischen Medien wird dort ein Delfin sozusagen zum Fackelläufer auserkoren: Drei Tage vor der Eröffnung werde das Tier seinen Trainer an seiner Flosse samt Fackel durch ein Becken ziehen. „Das ist pervers. Hier zeigt sich das skrupellose Denken der Veranstalter sowie der Delfinarienbesitzer“, sagt Entrup im Interview. „Wir fordern vom IOC (dem Internationalen Olympischen Komitee, Anm.), ethische Grundregeln einzuführen und solch absurden Projekte, die Tierleid verursachen, zu unterbinden.“ Während Delfinarien und Wasserparks in Europa und den USA in der Vergangenheit teilweise heftig kritisiert worden sind und die Haltung von Delfinen und Walen dort deshalb zurückgegangen ist, wächst der Markt in anderen Ländern.

„Das Konzept dieser Vernügungsstätten ist zwar schon alt, in Ländern wie Russland, aber vor allem im asiatischen Raum, verzeichnen wir in den vergangenen Jahren wieder einen Anstieg. In China gibt es mindestens 50Delfinarien“, sagt Entrup. Das ist auch der Grund, warum die Nachfrage nach dressierten Delfinen in den vergangenen Jahren so stark gestiegen ist.

Blutdelfine. Die meisten werden in Japan in der Bucht von Taiji gefangen. Jedes Jahr zwischen September und März jährt sich das brutale Schauspiel in dem Fischerort rund 700 Kilometer südlich von Tokio aufs Neue: Schon vor Sonnenaufgang fahren die Fischer hinaus aufs Meer und hämmern auf ins Meer gehaltene Metallstangen auf diese Art wird der Orientierungssinn der Meeressäuger lahmgelegt. Anschließend werden die Tiere in eine enge Bucht getrieben und mit Netzen gefangen gehalten.

Dort suchen sich Tiertrainer und Vertreter internationaler Delfinarien unter weit mehr als 100 Tieren die schönsten aus: In Neoprenanzügen waten und tauchen sie stundenlang zwischen den Delfinen, um sich die besten Exemplare zu sichern. „Es ist wahrscheinlich, dass einige der in Japan gefangenen Tiere auch in Delfinarien in Sotschi zu sehen sind“, meint Entrup. In hektischen Stößen spritzt Wasser aus den Atemlöchern der Tiere, während sie versuchen, durch die Netze zu entkommen, einige ertrinken. Sobald die Tiertrainer ihre Auswahl getroffen haben, werden die restlichen Delfine getötet.

Traurige Berühmtheit erlangte die Bucht im Jahr 2009, als der amerikanische Unterwasserfotograf Louie Psihoyos die Tötung mit versteckten Kameras gefilmt und im oscargekrönten Dokumentarfilm „Die Bucht“ der Weltöffentlichkeit vor Augen führte. Vergangene Woche hat Caroline Kennedy, die neue US-Botschafterin in Japan, über Twitter Kritik an der Unmenschlichkeit der Delfintötungen geübt. Und auch Yoko Ono, die Witwe des Beatles-Sängers John Lennon, meldete sich zu Wort: In einem offenen Brief appellierte sie an die Fischer, den Schlachtungen ein Ende zu setzen.
Tradition. Die japanische Regierung rechtfertigt die Delfinjagd gegen alle Kritik als Teil des traditionellen Fischfangs. Insgesamt 2000 Delfine dürfen pro Jahr getötet werden, tatsächlich wird etwa die Hälfte geschlachtet. „Die Zahlen sind seit einigen Jahren rückläufig. In Japan wird Delfinfleisch als minderwertig angesehen, da es stark mit Quecksilber belastet ist“, erklärt Astrid Fuchs vom WDC Deutschland. „Selbst viele Japaner sind über die Treibjagden schockiert. Es gibt dort keinen Bedarf an Delfinfleisch. Oft wird es als Walfleisch deklariert, da dieses als Delikatesse gilt und teurer verkauft werden kann.“

Offiziell laufen die Delfinjagden unter dem Deckmantel der traditionellen Fischerei, der wahre Grund ist jedoch das lukrative Geschäft mit dem Verkauf der Tiere an Delfinarien und dieser Bedarf könnte wohl nur mit einem Verbot der Vergnügungsstätten eingedämmt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die Umweltschutzorganisation Sea Shepherd verschreibt sich dem Kampf gegen Walfang, Robbenjagd sowie unverhältnismäßige Fischerei.
Weltjournal

Blutiges Gemetzel: Delfinjagd auf Färöer-Inseln und Japan

Auf den Färöer-Inseln wurden 14 Aktivisten festgenommen. Sie wollten die Tötung von 33 Grindwalen verhindern. Weiters startete die jährliche Delfinjagd in der Bucht von Taiji in Japan.
Tierschützer kritisieren die grausame Jagd auf Delfine vor der Küste von Taiji in Japan.
Umwelt

Delfinjagd in Japan: Tierschützer kritisieren Gemetzel

Defline werden in die Enge der Bucht von Taiji getrieben und dort für Delfinarien aussortiert oder getötet. Die Zahl gejagter Tiere ist aber rückläufig.
Delfine in der Bucht von Taiji
Weltjournal

Regierung verteidigt brutale Delfinjagd in Japan

Tierschützer kritisierten die Hetzjagd in der Bucht vor Taiji. Kritik kam auch von der US-Botschafterin und von John-Lennon-Witwe Yoko Ono.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.