Mordprozess: Neuer Schuldspruch für Amanda Knox

Knox
KnoxREUTERS
  • Drucken

Das Florentiner Apellationsgericht verhängt 28,5 Jahre Haft wegen Mordes an einer britischen Austauschstudentin. Knox reagierte "erschreckt und traurig".

Wegen des Mordes an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher soll die Amerikanerin Amanda Knox 28 Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Ihr damaliger italienischer Freund Raffaele Sollecito erhielt 25 Jahre Haft und ihm wurde der Pass entzogen.

Mit diesem Urteil eines Florentiner Appellationsgerichts ist die nun schon sechs Jahre dauernde Gerichtssache um eine Kehrwendung reicher. Knox und Sollecito nämlich waren - nach einer ersten Verurteilung im Dezember 2010 - im Oktober 2011 freigesprochen worden; im Frühjahr 2013 hat das italienische Kassationsgericht dann dieses Urteil als grob fehlerhaft aufgehoben und eine neue Verhandlung des Falles angeordnet. Diese hat nun nach fast vier Monaten ihren Abschluss gefunden.

Beim Strafmaß bewegt sich das Urteil auf der selben Ebene wie die erste Instanz - damals wurde Knox allerdings nur zu 26 Jahren verurteilt. Oben drauf legten die Richter noch einen Schuldspruch wegen Verleumdung: Knox hatte den Mord anfangs dem Betreiber einer Musikbar in die Schuhe geschoben.

Das letzte Wort wird aber wieder bei den Obersten Richtern in Italien liegen, die Verteidiger kündigten bereits gestern Abend Revision an. Der Prozess in Florenz, sagten sie trotz des Schuldspruchs, sei „nicht gut, sondern sehr gut verlaufen". Es habe sich „ein absolutes Vakuum an Beweisen und Indizien gezeigt"; darauf werde das Kassationsgericht „nach diesem schmerzlichen Durchgangssstadium" entsprechend reagieren.

Abwesend bei der Urteilsverkündung

Weder Amanda Knox noch Raffaele Sollecito waren bei der Urteilsverkündung anwesend. Die 26-jährige Amerikanerin hat Italien mit dem Freispruch 2011 verlassen und verfolgte das Verfahren im heimatlichen Seattle. Es rechnet auch niemand damit, dass Amanda Knox nach Italien kommt oder von den USA ausgeliefert wird, um die Haftstrafe abzusitzen. Der knapp 30-jährige Sollecito war zumindest am letzten Vormittag des Prozesses im Gerichtssaal aufgetreten, „aus Respekt vor dem Gericht", wie sein Vater sagte. Knox und Sollecito haben zwischen ihrer Verhaftung 2007 und dem Freispruch 2011 bereits vier Jahre im Gefängnis verbracht.

Sollecito Pass abgenommen

Sollecito bleibt nun bis zur definitiven Entscheidung des Kassationsgericht in Freiheit. In der Nacht auf Freitag wurde er von der Polizei in einem Hotel in Venzone, 30 Kilometer von der italienisch-österreichischen Grenze entfernt, aufgespürt. Sollecito, der schon am Donnerstagnachmittag Friaul erreicht hatte, wurden Pass und Ausweis entzogen, um seine Weiterreise zu verhindern, berichteten italienische Medien. Er wurde jedoch nicht festgenommen, sondern in eine Polizeikaserne in Udine gebracht, berichtete ein Sprecher der Polizei in Udine.

Laut der Polizei in Udine hatte der Italiener Raffaele Sollecito bereits am Donnerstag einige Stunden in Österreich verbracht. Den Polizisten erklärte er, dass er einen "touristischen Rundgang" in Kärnten unternommen hatte. Die Ermittler vermuten, dass der 29-Jährige in Österreich auf das Urteil des Berufungsgerichts in Florenz gewartet hatte.

Nachdem der Richter angekündigt hatte, dass das Urteil nicht mit einem sofortigen Haftbefehl verbunden ist, sondern lediglich mit einem Ausreiseverbot, habe sich Sollecito zur Rückfahrt nach Italien entschlossen.

Wie der Vize-Polizeichef von Udine, Massimiliano Ortolan, der APA berichtete, befindet sich Sollecito noch in der Polizeizentrale in Udine. Er warte auf die Dokumente aus Florenz, aufgrund deren ihm Pass und Ausweis entzogen werden "Er wirkt ruhig und gefasst", sagte Ortolan. Nach Abschluss der Formalitäten wird Sollecito sehr wahrscheinlich Friaul verlassen.

Begründung innerhalb 90 Tage

Der 29-Jährige beteuerte im Gespräch mit einem seiner Rechtsanwälte, Luca Mauri, sein Unschuld. "Der Kampf, um meine Unschuld zu beweisen, geht weiter", sagte Sollecito. Er bleibt bis zum letztinstanzlichen Urteil frei. Sowohl Sollecito als auch seine mit ihm verurteilte Ex-Freundin Amanda Knox wollen Einspruch gegen das gefällte Urteil erheben.

Sie waren sich so sicher, die Anwälte von Amanda Knox. Deren Unschuld sei „mit granitener Festigkeit" erwiesen, sagte Verteidiger Carlo Dalla Vedova noch am Donnerstag Mittag. Das Gericht tat sich offenbar schwer mit der Entscheidungsfindung; das Urteil wurde im Laufe des Tages mehrfach verschoben und erging erst nach zwölf Stunden Beratung. Eine Begründung liegt nach italienischem Brauch noch nicht vor, sie soll innerhalb von 90 Tagen ergehen.

„Ich bin erschreckt und traurig"

Im Gerichtssaal anwesend waren am Donnerstag auch die beiden Geschwister von Meredith Kercher. Hatten sie während der Verhandlung gesagt, sie seien „bereit, jedes Urteil anzunehmen", erklärten sie am Abend zurückhaltend, es gebe „keinen Anlass zu feiern". Und während die erneute Verurteilung in wenigen Minuten um die Welt ging, wurde aus den USA am späten Abend noch gemeldet, Amanda Knox habe das Urteil „versteinert" aufgenommen: „Sie hat aber nicht geweint", erklärte nach einem Telefonat ihr Verteidiger Dalla Vedova. Sollecito verfolgte das Urteil nach Angaben seiner Anwälte im Fernsehen und reagierte „bestürzt".

Wenige Stunden später ging Knox selbst an die Öffentlichkeit. „Ich bin erschreckt und traurig über dieses ungerechte Urteil", erklärte sie in Seattle. Weiters kritisierte die US-Studentin die „übereifrige und sture Staatsanwaltschaft" und sprach von „voreingenommenen und engstirnigen Ermittlungen". Allen mangelnden Beweisen zum Trotz sei die Anklage nicht bereit gewesen, „Fehler zuzugeben" und habe sich stattdessen auf „unzuverlässige Zeugenaussagen und Beweismittel" gestützt. 

Für die Tat endgültig verurteilt wurde bisher nur der Ivorer Rudy Guede, der wegen Beihilfe zum Mord in einem anderen Prozess 16 Jahre Haft bekam. Die Richter hatten in ihrem Urteil für Guede jedoch ausdrücklich betont, er könne nicht alleine gehandelt haben.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Raffaele Sollecito beim Verlassen des Gerichts am 30. Jänner 2014.
Weltjournal

Ex-Freund Sollecito zweifelt an Amanda Knox' Verhalten

In der italienischen TV-Show "Linea Gialla" äußerte der wegen Mordes verurteile Raffaele Sollecito Zweifel an Amanda Knox' Verhalten. Auf gewisse Fragen habe er nie eine Antwort bekommen.
Richter Alessandro Nencini bei der Urteilsverkündung. Wie es zu dem Urteil kam, erklärte er später ausführlich in einem Zeitungsinterview.
Weltjournal

Zu viel geredet: Knox-Richter hat jetzt Probleme

Der Richter hatte sich über die Urteilsfindung geäußert und damit den Zorn der Justizministerin und des Angeklagten Raffaele Sollicito auf sich gezogen.
Amanda Knox reacts during her interview on ABC's 'Good Morning America' in New York
Weltjournal

Knox will weiter gegen "unfaires" Urteil kämpfen

Exfreund der Verurteilten wurde an österreichischer Grenze der Pass eingezogen. Die 26-Jährige wurde in Abwesenheit zu 28 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.