Thailand: Machtkampf geht in neue Runde

Thailand, Parlamentswahl, Protest
Thailand, Parlamentswahl, Protest(c) APA/EPA/NYEIN CHAN NAING (NYEIN CHAN NAING)
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Zwar konnte die Parlamentswahl trotz massiver Störaktionen der Opposition im Großteil des Landes abgehalten werden. Regierungsgegner fordern nun aber eine Annullierung.

Wütendes Geschrei dringt aus dem Gelände der Distriktverwaltung in Bangkoks Stadtteil Din Daeng. Etwa hundert Menschen stehen vor dem Eingang zu der Behörde. Viele halten ihre Personalausweise in die Höhe. Sie wollen ihre Stimmen abgeben. Regierungsgegner haben ihnen an diesem Tag die Möglichkeit geraubt, an den landesweiten Parlamentswahlen teilzunehmen.

Sonntagfrüh wäre es hier beinahe zu Zusammenstößen gekommen. Bereits in der Nacht  hatten Gegner von Regierungschefin Yingluck Shinawatra den Zugang zum Gebäude blockiert. Auf der Straße steht noch eine Bühne, die sie eigens für diesen Anlass errichtet haben. Die Regierungsgegner hinderten Mitarbeiter der Wahlkommission daran, zu Wahlurnen und Wahlunterlagen zu gelangen, die im Gebäude aufbewahrt werden und zu Wahllokalen im gesamten Wahlkreis geliefert werden sollten.



Polizisten hielten die Regierungsgegner und aufgebrachte Wähler auf Abstand. Mindestens ein Schuss fiel, verletzt wurde aber niemand. Nach kurzer Zeit sagte die staatliche Wahlkommission die Wahlen im gesamten Stadtteil ab. Allein hier wurde 20.000 Menschen das Recht verwehrt, ihre Stimme abzugeben. Ähnliche Szenen spielten sich in mehreren Teilen von Bangkok ab. Trotzdem konnten die Wahlen in 90 Prozent aller Wahllokale sowie im Großteil des Landes planmäßig abgehalten werden. Denn die Zahl der Regierungsgegner ist massiv eingebrochen. Nur im Süden – der Hochburg der monarchistischen „Democrat Party“ (DP)  –  mussten die Wahlen in mehreren Provinzen abgesagt werden. Dort hatten Oppositionelle Stimmzettel zerstört und geraubt.

Angst vor einem Bürgerkrieg

Die Demonstranten halten Thailand seit etwa drei Monaten in Atem. Sie sind ein Zusammenschluss von Menschen aus dem Süden des Landes und Teilen von Bangkoks Mittelschicht und Elite. In einem Video, das im Internet kursiert, haben Musik- und Seifernopernstars die Thailänder dazu aufgerufen, am Wahltag lieber ein Picknick zu veranstalten. Viele der Protestführer sind ehemals hochrangige Mitglieder der „Democrat Party“, die zum Stimmboykott aufgerufen hat. Die DP hat seit 1992 keine landesweiten Wahlen mehr gewonnen. Vermutlich deswegen fordert sie nun die De-facto-Abschaffung des demokratischen Systems durch die Einsetzung eines „Volksrates“.

Die Gegner von Regierungschefin Yingluck werfen der Regierung vor, sie habe mit Stimmenkäufen und Wahlgeschenken den Großteil der Bevölkerung in illegitimer Weise auf ihre Seite gezogen. Experten weisen diesen Vorwurf als unsinnig zurück. Tatsächlich erscheinen die Proteste eher wie der Versuch einer kleinen privilegierten Schicht, die Macht an sich zu reißen.

Es wäre nicht das erste Mal: Seit dem Sturz der absoluten Monarchie 1932 hat es in Thailand 18 versuchte oder erfolgreiche Militärputsche gegeben. Das Militär hält sich momentan jedoch betont zurück. Insider berichten, dass innerhalb der Militärführung die Sorge bestehe, dass die Armee nach einem weiteren Staatsstreich auseinanderfallen und das Land in einem Bürgerkrieg versinken könnte. Armeechef Prayuth Chan-ocha hat am Sonntag bei den Wahlen ebenfalls seine Stimme abgegeben. Dass er dabei fotografiert wurde, war ihm jedoch sichtlich unangenehm. Er verließ das Wahllokal in so großer Eile, dass er seinen Personalausweis vergaß.

Wie schnell die Dinge in Thailand außer Kontrolle geraten können, hat sich erst am Samstag gezeigt. Im Norden des Landes kam es zu einer schweren Konfrontation, als sich militante Regierungsgegner vor einem weiteren Verwaltungsgebäude verbarrikadierten. Als sich Wähler zu einem spontanen Gegenprotest versammelten, fielen Schüsse. Auf Aufnahmen ist zu erkennen, wie auf der Seite der Regierungsgegner ein Schütze mit einem Sturmgewehr auf die Unterstützer der Regierung schießt. Dicht hinter ihm steht ein Späher, der ihn auf mögliche Ziele hinweist. Das lässt darauf schließen, dass es sich um ein eingespieltes Armeeteam gehandelt hat.

Die Wahlen werden den Konflikt nicht beenden. Damit das Parlament zusammentreten kann, müssen 95 Prozent der Sitze vergeben sein. Das ist durch die Blockaden vom Sonntag und bei den Registrierungen im Vorfeld rein rechnerisch schon gar nicht mehr möglich. Die erforderlichen Nachwahlen könnten sich monatelang hinziehen. Die „Democrat Party“ kündigte bereits an, eine Annullierung der Wahlen einzuklagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2014)

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