Smart City: Vor großen Hausaufgaben

Europaweit rittern die Metropolen um einen Platz auf den vorderen Rängen, doch häufig bleibt es bei der Vision. Einige Städte hingegen sind auf einem guten Weg, eine nachhaltigere Raumplanung zu verwirklichen.

Der Begriff der Smart City hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt. Kaum ein Bürgermeister, der seine Stadt nicht damit schmücken möchte, kaum ein Stadt- oder Immobilienentwickler, der nicht früher oder später darauf zu sprechen kommt. Auch in der Öffentlichkeit genießt er einen hohen Stellenwert. Laut einer aktuellen Umfrage, die das Marktforschungsunternehmen Poolpilots im Auftrag der Internetplattform Immobilien.net durchgeführt hat, bewerten 64 Prozent der Österreicher das Thema positiv.

Was der Begriff im Detail beinhaltet, darüber herrscht aber oft Unklarheit. Einig ist man sich jedoch bei den allgemeinen Umrissen: Moderne Stadtplanungsprojekte werden darunter verstanden, optimierte Verkehrslösungen und Maßnahmen des Wohnbaus ebenso wie energieeffiziente Gebäudetechnologien und der Einsatz erneuerbarer Energie. „Die große Zustimmung weist eindeutig darauf hin, dass den Leuten die Bedeutung von Klimaschutz und Ressourcenschonung in der Stadt zunehmend bewusster und wichtiger wird“, gibt sich Martin Giesswein, CEO von Immobilien.net, überzeugt.

Europäische Fördermittel

Noch ist die Smart City aber oft nur eine Vision. Damit das nicht so bleibt, hat die EU-Kommission 2012 die sogenannte Europäische Innovationspartnerschaft für Intelligente Städte und Gemeinschaften(EIP) ins Leben gerufen und hierfür einen Topf mit entsprechenden Fördermitteln dotiert. Allein im vergangenen Jahr machte Brüssel 365 Millionen Euro locker. Das allein wird allerdings nicht genügen: Zur Realität werde die Smart City erst, „wenn Bürger und Stakeholder möglichst rasch in solche Prozesse zum Stadtumbau und zur wirtschaftlichen Umstrukturierung miteinbezogen werden“, betont Rudolf Giffinger, Professor an der TU Wien, Departement für Raumplanung.

Wie genau so etwas aussehen kann, lässt sich in Kopenhagen besichtigen. Die dänische Hauptstadt belegt im Smart-City-Index des US-Klimastrategen Boyd Cohen derzeit den ersten Platz. Bürgermeister, Städteplaner und Politiker aus aller Welt reisen an, um den Fahrradverkehr, das Fernwärmesystem oder das Abfallverwertungssystem zu studieren. Die Pläne der Stadt sind ambitioniert: Im Jahr 2025 will sie die Klimaneutralität erreichen. Barcelona hingegen will die erste sich selbst versorgende Kommune werden. Das Internet habe unser Leben verändert, aber noch nicht unsere Städte, befinden die Stadtplaner. Die künftige Stadt müsse Energie, Waren und Nahrungsmittel lokal produzieren, während sie Daten global teile. Dass sich das auch rechnet, unterstreicht Cisco-Manager Michael Ganser: „Barcelona nimmt durch intelligente Beleuchtungs-, Verkehrs-, Parkraumbewirtschaftungs-, Müllentsorgungs- und Wasserversorgungssysteme im Jahr etwa 6,5 Milliarden Euro zusätzlich ein“, so der IT-Experte. Als Innovationslabor fungiert dabei das Viertel „22@Barcelona“, in dem sich ein Smart-City-Campus formiert hat, der Unternehmen, Universitäten, Wissenschaftszentren und Entrepreneure aus den Bereichen Informationstechnologie, Ökologie und Entwicklung vernetzt.

Seestadt will smart werden

Für Planungsdirektor Thomas Madreiter spielt bei den internationalen Rankings „auch Wien in der Champions League“ mit. „Die Seestadt wird ein neuer Stadtteil, ist also per se ein Immobilienentwicklungsprojekt – allerdings mit dem Anspruch, Raum und Möglichkeiten für das ganze Leben zu schaffen. Entsprechend großer Wert wird daher auch auf die Qualität des öffentlichen Raums gelegt“, erklärt Gerhard Schuster, Vorstandssprecher der Entwicklungsgesellschaft Wien 3420. Im Gesamtkonzept kommt dem Immobilienbereich dabei eine besonders exponierte Stellung zu. „Es gilt, Immobilien so zu entwickeln, dass sie eben auch in 30 oder in 50 Jahren werthaltig sind und nicht eine Mindestlösung, die man eigentlich in 15 Jahren wegreißen müsste“, betont Madreiter.

AUF EINEN BLICK

Nicht nur Großstädte können Anwärter auf den Titel einer Smart City sein. Wissenschaftler der TU Wien haben in Zusammenarbeit mit der Universität Ljubljana und der TU Delft Ranking-Instrumente entwickelt, die auch europäische Mittelstädte mit weniger als 500.000 Einwohnern einbeziehen.

Ergebnis: Die „smartesten“ Mittelstädte liegen in Finnland, Dänemark, Österreich, Deutschland und im Benelux-Raum. 120 Millionen Menschen leben in rund 600 Städten dieser Größe, das sind knapp 40 Prozent aller Stadtbewohner Europas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2014)

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