Am Donnerstag jährt sich der Tag der Wahl des Papstes aus Argentinien zum ersten Mal. Die Welle der Begeisterung ist bis heute nicht verebbt. Noch nicht?
„Papst warnt vor Teufel“, lautete der Titel der hochseriösen Katholischen Presseagentur. Im Artikeltext selbst wurde dann das Oberhaupt der Katholiken mit dem Appell zitiert, die Gläubigen sollten versuchen „sich dem Satan und seinen Werken und seinen Verführungen zu widersetzen“. Mit dem Teufel könne man nicht verhandeln oder in einen Dialog treten. Worte des Bischofs von Rom.
Mit einem Benedikt XVI. als Absender dieser (Droh-)Botschaft wäre in Zeitungen, Internetforen und sozialen Medien – um in der pontifikalen Terminologie zu bleiben – wohl der Teufel los gewesen. Weltfremd, rückschrittlich, ultrakonservativ, vorkonziliar, mittelalterlich wären als Attribute verwendet worden. Besonders Schlaue hätten das zum Anlass genommen, der früheren Tätigkeit Joseph Ratzingers an der Spitze der Glaubenskongregation und der Vorgängerorganisation zu gedenken (Inquisition!). Tja, so wäre das gewesen. Damals, vor knapp mehr als einem Jahr, als die liturgischen Gewänder im Vatikan noch durchgängig Brüsseler Spitze zierte. Genug der Spitze.
Franziskus lässt man derartige Aussagen locker durchgehen, so wie jene zitierte des vergangenen Sonntags beim Mittagsgebet vom Fenster der seit einem Jahr unbewohnten Räumlichkeiten des Apostolischen Palasts. Nicht nur das, er wurde auch diesmal wieder von Zigtausenden unter der strahlenden römischen Sonne auf dem Petersplatz beklatscht und umjubelt, bevor er sich mit dem Gemeinschaftsbus zu den vatikanischen Fastenexerzitien bringen ließ.
Was uns das sagt? Es kommt besonders in der öffentlichen Kommunikation nicht allein darauf an, was gesagt wird. Es kommt in erster Linie darauf an, wer etwas sagt. Und wie er es sagt. Franziskus wirkt authentisch, er wird ganz offensichtlich nicht als Amtsträger, Theologe, Manager oder Funktionär einer weltumspannenden Organisation gesehen. Seine Zuhörer scheinen instinktiv zu fühlen, dass sie es mit einem Mann zu tun haben, der lebt, was er sagt und aus tiefen Quellen schöpft. Mit einem Mann, strotzend vor Lebenserfahrungen, der seine Theologie nicht (allein) auf Bücher und Schriften der alten Kirchenväter begründet, sondern aus dem täglichen Umgang mit den Menschen, auch gerade denen, die am Rand der Gesellschaft stehen.
Selbst im 21. Jahrhundert existiert eine archaisch anmutende Sehnsucht nach einer großen Vaterfigur. Da lässt eine großflächig säkularisierte, spirituell analphabetische Öffentlichkeit Franziskus auch vieles „durchgehen“. Oder sie hört nicht so genau hin, was er eigentlich sagt. Und die Welle der Begeisterung ebbt nicht ab. Noch nicht? Franziskus kümmert sich nicht darum, ob er Applaus erhält, sondern fährt ein durchaus herausforderndes Programm. Herausfordernd nicht nur für die vatikanische Kurie, die noch immer nicht die Seine ist.
Franziskus wird – so viel steht schon nach dem einen Jahr fest, in kirchlichen Maßstäben ein Wimpernschlag – als großer Papst in die Geschichte eingehen. Er hat mehr bewirkt als manch andere in einem Jahrzehnt. Die wahren Bewährungsproben kommen aber erst. Gut und schön, wenn eine Parallelführung mit acht Kardinälen aus allen Weltgegenden kreiert wurde. Aber die vatikanische Kurie ist damit nicht einmal ansatzweise reformiert.
Dann: Mit der Auswahl der nächsten Bischöfe muss Franziskus einlösen, was er selbst gefordert hat (Bischöfe müssten den „Geruch der Herde“ haben). Und die Erwartung an das – auf den Herbst vorverlegte – „Bischofsparlament“ zu Familienfragen wird von Tag zu Tag größer. Das wird zwangsweise zu Ent-Täuschungen führen. An der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe kommt kein Papst vorbei. Und kaum jemand hat registriert, dass Franziskus die „Pillen-Enzyklika“ („Humanae vitae“ von Paul VI. aus dem Jahr 1968) vor wenigen Tagen als „prophetisch“ bezeichnet hat.
Franziskus bietet sich als dankbare mächtige Projektionsfläche für allerlei, nicht selten einander widersprechende Wünsche und Sehnsüchte an. Aber wahrscheinlich ist Derartiges einem so unvergleichlichen Amt wie diesem ja auch wesensimmanent.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2014)