Krim-Krise: Russland sichert seine Milliarden

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Russland, Sanktionen, Krim(c) APA/EPA/YURI KOCHETKOV (YURI KOCHETKOV)
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Moskau hat offenbar seine in den USA deponierten US-Staatsanleihen abgezogen, um etwaigen weiteren Sanktionen zu entgehen. Auch russische Banken gehen auf Nummer sicher.

Wien/Moskau. Auch wenn die russische Zentralbank ihren nächsten Quartalsbericht erst in ein paar Monaten vorlegen wird – und dann erst Gewissheit herrschen kann: Für Marktbeobachter (auch in Russland) gilt weitgehend als ausgemacht, dass es die russische Zentralbank war, die in der Vorwoche massenhaft US-Staatsanleihen von den Depots der US-Notenbank Federal Reserve abgezogen hat.

Binnen einer Woche hat sich der Bestand an US-Anleihen, die von der Fed für ausländische Gläubiger gehalten werden, um ein Volumen im Wert von 105 Mrd. Dollar auf 2,855 Bio. Dollar, den niedrigsten Wert seit 15 Monaten, verringert. Ein Rekordtagesrückgang in der Geschichte der Fed. Die Annahme des „Wall Street Journal“, dass Russland dahinterstecken könnte, wird auch in Russland geteilt.

Neue Jurisdiktion

Zwar folgten keine offiziellen Stellungnahmen über die Inhaber der Obligationen und ihren neuen Hinterlegungsort. Aber für Kommentatoren steht fest: Die neue Zentralbank-Chefin, Elvira Nabiullina, hat die Anleihen angesichts drohender Sanktionen seitens des Westens in eine neue Jurisdiktion überführt, sodass sie vor dem Zugriff durch ausländische Staaten sicher sind.

Die Russen haben sie also allem Anschein nach nur verschoben, nicht verkauft. Ein Verkauf in diesem Umfang wäre laut Analysten nämlich nicht unbemerkt vom Markt vor sich gegangen. Außerdem gab es von der Marktdynamik her keinen Grund, die Papiere abzustoßen, galten sie doch in letzter Zeit als stabile Investition.

Aber allein die Umschichtung an einen anderen Ort sei ein Zeichen dafür, dass Russland grundsätzlich sogar die strengsten Formen der Sanktionen, wie sie zuletzt gegen den Iran bestanden, für möglich hält, schrieb die führende russische Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ am Montag.

Russland hält einen bedeutenden Teil seiner Reserven in US-Staatsanleihen. Zum Jahresende 2013 waren es 138,6 Mrd. Dollar. Ungleich größer ist das Engagement Chinas mit 1,27 Billionen Dollar und das Japans mit 1,18 Billionen Dollar. Beide Staaten gemeinsam halten 21 Prozent der US-Anleihen. Größter Gläubiger der USA ist freilich die Zentralbank Fed selbst – die seit einigen Jahren Staatsanleihen im großen Stil kauft.

Unter Experten nicht ausgeschlossen wird im Übrigen, dass neben Russland auch andere Schwellenländer Geld aus US-Anleihen zurückgeholt haben – und zwar zu Stützungskäufen für ihre nationalen Währungen. Das Thema Sanktionen hat in den vergangenen Tagen zu gehöriger Panik in Russland geführt und ist nach den am gestrigen Montag verhängten Reisebeschränkungen und Kontosperren für etwa ein Dutzend zweitrangiger Personen nur temporär entschärft.

Symmetrische Sanktionen?

Laut einem Bericht der „Financial Times“ vom Samstag würden auch russische Firmen – darunter die beiden Großbanken Sberbank und VTB sowie der zweitgrößte Ölkonzern Lukoil – bereits Milliarden von westlichen Banken abziehen, um etwaigen Sanktionen zuvorzukommen. Von ähnlichen Entwicklungen berichtet auch der im Westen angesehene russische Ex-Finanzminister Alexej Kudrin. Ihm zufolge sollen manche russischen Firmen, die im Ausland verschuldet sind, ihre Kreditlinien in letzter Zeit nicht mehr verlängert haben. Auch hat Russland gedroht, auf Sanktionen, sofern sie nicht nur symbolisch-politischer, sondern auch wirtschaftlicher Natur seien, „symmetrisch“ zu antworten. Als Idee kursierte zwischendurch, dass Firmen eben ihre Kredite im Ausland nicht mehr bedienen würden.

Laut russischer Zentralbank waren russische Banken zum Jahresbeginn mit 214,9 Mrd. Dollar im Ausland verschuldet. Bei den übrigen Firmen betrug das Kreditausmaß im Ausland 437,8 Mrd. Dollar. In den kommenden zwei Jahren sind bei den Banken 87,9 Mrd. Dollar, bei den übrigen Firmen 182,3 Mrd. Dollar an Kreditrückzahlungen fällig. In Deutschland haben sich inzwischen ranghohe Wirtschaftsvertreter gegen eine weitere Verschärfung und gegen Wirtschaftssanktionen ausgesprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2014)

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