Rangnick: "Geld soll nicht die Motivation sein"

Ralf Rangnick
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Ralf Rangnick ist Sportdirektor in Salzburg und Leipzig. Mit der "Presse am Sonntag" spricht der 55-Jährige über die Pläne von Red Bull, finanzielle Schmerzgrenzen und unüberwindbare Ligahürden.

Wann haben Sie erstmals Ihren Hang zur Entwicklung und Organisation bemerkt?

Ralf Rangnick: Ich war acht, neun Jahre alt, als ich in der Schule einen Aufsatz unter dem Arbeitstitel „Was möchtest du später einmal werden?“ schreiben musste. Die meisten Buben in meinem Alter wollten Pilot, Feuerwehrmann oder Fußballprofi werden, ich lieber Lehrer. Dieses Lehrergen habe ich also früh für mich entdeckt, später auch mein Diplom in Sport und Englisch gemacht. Mir war bald klar, dass es in die pädagogische Richtung gehen würde.

Wie viel Entwicklungsarbeit haben Sie denn bei Red Bull Salzburg noch vor sich?

Viel, der Prozess hört nie auf. Du darfst dich im Fußball nie zurücklehnen, nur weil du etwas erreicht hast. Mit der Entwicklung an sich sind wir aber zufrieden, daran ändert auch das bittere Ausscheiden gegen Basel nichts. Es geht künftig darum, diesen Kurs zu halten, denn eines ist gewiss: Unsere Mitbewerber in Österreich werden bestimmt nicht die Hände in den Schoß legen und sich mit den Plätzen zwei, drei und vier zufrieden geben.

Red Bull sah und sieht sich für sein Engagement im Fußball immer noch mit viel Kritik konfrontiert. Die Spielweise der Mannschaft sowie deren Erfolge in der Europa League haben zuletzt aber eine gewisse Imagepolitur gebracht.

Das ist ein angenehmer Nebeneffekt, und dieser ist nicht zuletzt auf unsere Kurskorrektur zurückzuführen. Vor gerade einmal eineinhalb Jahren betrug das Durchschnittsalter der Mannschaft noch 29 Jahre, heute liegt es bei der Startelf zumeist bei 24, 25 Jahren. Wir wollen Spieler in Salzburg, die ihren ersten oder zweiten und nicht ihren vorletzten oder letzten Profivertrag unterschreiben. Die schöne Stadt und das gute Geld sollen nicht die Motivation sein. Das wäre für uns der falsche Ansatz.

In welchem Zusammenhang steht das blamable Champions-League-Ausscheiden gegen Düdelingen 2012 mit diesem von Ihnen angesprochenen Kurswechsel?

Die beiden Spiele gegen Düdelingen und die anschließende 0:2-Heimniederlage gegen Rapid, bei der wir in allen Belangen die schlechtere Mannschaft waren, haben zu einem radikalen Schnitt geführt. Damals wäre es nicht mit kosmetischen Korrekturen getan gewesen. Im Nachhinein war die Niederlage gegen Düdelingen also vielleicht gar nicht schlecht, auch wenn sie zum damaligen Zeitpunkt natürlich höchst unangenehm war.

Die Mannschaft ist mittlerweile eine andere, das Potenzial eines Kevin Kampl oder Sadio Mané ist nun etlichen europäischen Klubs bekannt. Wie lange können Sie solche Spieler noch in Salzburg halten?

Unsere grundsätzliche Idee ist es nicht, Spieler zu verkaufen, sondern sie so lange wie nur möglich in Salzburg spielen zu sehen. Etwas richtig Außergewöhnliches haben wir erst dann erreicht, wenn wir den nächsten Schritt schaffen und in die Champions League einziehen. Dieses Ziel treibt uns Tag für Tag an. Um dorthin zu kommen, brauchen wir alle Spieler, die uns derzeit zur Verfügung stehen – und vielleicht sogar den einen oder anderen, der uns zusätzlich nach vorn bringt. Wenn es uns gelingen sollte, nächste Saison Champions League zu spielen, haben wir ganz andere Argumente gegenüber einem Spieler. So kann man ihm trotz eines anderen Angebots einen Verbleib noch weitaus schmackhafter machen. Dabei geht es also primär nicht um Geld, sondern um die sportliche Perspektive und die angepeilten Karriereschritte eines einzelnen Spielers.

Dennoch ist Geld immer ein Argument. Angenommen, ein Klub bietet 20 Millionen Euro für Kevin Kampl: Wäre die Schmerzgrenze für Herrn Mateschitz damit erreicht?

Das weiß ich nicht. Sollte dieser Fall tatsächlich einmal eintreten, ist es natürlich meine Pflicht, Herrn Mateschitz darüber zu informieren und ein Vieraugengespräch zu führen. Aber unser Grundprinzip ist es nicht, die Mannschaft für viel Geld zu schwächen.


Gérard Houllier ist so etwas wie der Schattenmann im Red-Bull-Imperium, er fungiert von Paris aus als Global Sports Director. Wie darf man sich seine Arbeit vorstellen?

Gérard Houllier ist nicht im täglichen operativen Geschäft involviert, vielmehr aber, wenn es um größere Angelegenheiten wie Transfers geht. Sein Rat und seine Erfahrungen sind diesbezüglich sehr wertvoll, er hat uns etwa beim Wechsel von Sadio Mané aus Metz geholfen und in Frankreich Einschätzungen über Mané bei ihm vertrauten Trainern eingeholt.

Wer Ihre Arbeit kennt, mag glauben, Sie hätten für den Sommer schon wieder ein paar Transfer-Asse à la Mané im Talon.

Die Kaderplanung ist ein Prozess, der über zwölf Monate läuft, wenngleich das Transferfenster nur im Sommer und Winter geöffnet ist. Wir müssen permanent unsere Hausaufgaben machen, darüber informiert sein, wie sich der Spielermarkt entwickelt. Wobei wir in einem vergleichsweise kleinen Teich fischen, schwerpunktmäßig nur Spieler zwischen 16 und 23 Jahren als Neuverpflichtungen ins Auge fassen. Aber sofern wir im Sommer keine Abgänge verzeichnen, wird es keine großen Veränderungen geben.

In Salzburg macht seit jeher das Gerücht die Runde, die besten Spieler würden ohnehin konzernintern von Österreich nach Deutschland transferiert werden, wenn Leipzig erst einmal in der zweiten oder ersten Bundesliga spielt. Gibt es diesen Plan tatsächlich?

Angenommen, Leipzig steigt heuer auf: Mit welchem Argument sollten wir Kevin Kampl oder Sadio Mané sagen, dass sie doch für Leipzig spielen sollen? In die zweite deutsche Liga gehen solche Leute nicht. Sollte Leipzig in Zukunft in der Bundesliga spielen und wir in Salzburg über einen Spieler verfügen, der von europäischen Topklubs umworben wird, ist es doch nur logisch, dass wir den Spieler fragen, ob er nicht Lust hätte, weiter für Red Bull zu spielen. Es ist aber keinesfalls so, dass wir Salzburg als Ausbildungsverein für Leipzig sehen. Mein Ziel ist es, mit beiden Vereinen in beiden Ländern den bestmöglichen Erfolg zu erzielen.

Die Europa-League-Heimspiele gegen Ajax Amsterdam und Basel waren innerhalb kürzester Zeit mit knapp 30.000 Zuschauern ausverkauft, in der Meisterschaft ist die Red-Bull-Arena oftmals spärlich besucht. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Viel attraktiver und begeisternder als in den letzten Monaten können wir doch nicht spielen. Wenn jedoch wie gegen Wolfsberg trotzdem nur 6000 Zuschauer kommen, stößt du als Verein an Grenzen. Dann musst dir unweigerlich die Frage stellen, woran das liegt. Und gehen Sie einmal davon aus, das Red Bull auch im Marketingbereich innovativ genug ist, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Für mich ist es ganz klar ein Problem der Zehnerliga. Das ist kein Konstrukt für die nächsten zehn Jahre. Wenn du viermal in einer Saison gegen den gleichen Gegner spielst, kannst du nicht davon ausgehen, dass du als Liga ein spannendes Produkt präsentierst. Zudem fällt es in einem kleinen Land wie Österreich ins Gewicht, das etwa der GAK, Linz oder Klagenfurt derzeit keine Rolle in der Bundesliga spielen. Und das Argument, dass Österreich keine Fußballnation sei, teile ich überhaupt nicht. Wenn das Nationalteam gegen die Färöer das Happel-Stadion füllt und wir gegen Basel bis zu 60.000 Karten hätten verkaufen können, soll doch bitte niemand erzählen, dass Österreich keine Fußballnation ist.

Steckbrief

Ralf Rangnick wurde am 29. Juni 1958 in Backnang in der Nähe Stuttgarts geboren.

Gefragter Fachmann
Als Aktiver im Amateurfußball tätig, trainierte Rangnick später unter anderem Stuttgart, Hannover, Schalke und Hoffenheim.

Das Projekt Red Bull
Im Juni 2012 wurde Rangnick nach überstandenem Burnout als neuer Sportdirektor von Red Bull Salzburg vorgestellt. Zudem ist er auch für die Entwicklung von RB Leipzig zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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