Verhindern strengere Strafen Verkehrstote?

VERKEHRSUNFALL, Tote
VERKEHRSUNFALL, Tote(c) APA/POLIZEI (POLIZEI)
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Die Zahl der Unfalltoten steigt wieder. Experten fordern bereits mehr Überwachung und höhere Strafen. Dass das automatisch Wirkung zeigt, ist aber nicht garantiert. Und auch die Statistik zur Opferzahl lässt sich anders interpretieren.

Wien. Zuerst war da der Schulbusunfall in Oberösterreich, der vergangene Woche ein Todesopfer und 18 Verletzte forderte. Nun erfahren wir das Gesamtbild: 112 Verkehrstote innerhalb der ersten drei Monate des Jahres sind ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zu den Jahren 2013 und 2012 (79 bzw. 97). Die Konsequenz: Die Rufe nach mehr Strenge und Ordnung werden lauter.

Traditionell am lautesten ist das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), das von Geldern der Versicherungswirtschaft lebt und in den vergangenen Jahrzehnten viel zur Verbesserung der Situation auf den Straßen beigetragen hat. Direktor Othmar Thann sagte der Austria Presse Agentur, dass schärfere und erleichterte Kontrollen der Angurtepflicht sowie des unerlaubten Telefonierens am Steuer einiges zum Guten ändern könnten. So müssen Polizisten Handy- und Anschnalldelikte an Ort und Stelle ahnden, Lenker dafür anhalten. Thann will, dass künftig auch ein Foto als Wahrheitsbeweis gilt. Der KfV-Chef knüpft damit direkt an den Forderungskatalog der Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr (FSV) an, der bereits Anfang Dezember 2013 an Verkehrsministerin Doris Bures erging. Das FSV-Gremium, das in Österreich Richtlinien für das Straßenwesen erarbeitet, forderte damals ebenso mehr Kontrollen, schärfere Strafen und weniger Toleranzen gegenüber Verkehrssündern ein.

>> In Zahlen:Todesgefahr auf der Straße?

Dazu muss man jedoch wissen, dass man den aktuellen Anstieg der Zahlen im Vergleich zum Vorjahr auch anders bewerten kann. So hat das Jahr 2013 mit seinen 453 Opfern selbst die kühnsten Erwartungen der Experten übertroffen. Im positiven Sinn. Im Vergleich zu 2012 war es ein Rückgang von 15 Prozent, ein Wert, der seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie erreicht wurde. Hinzu kommt, dass gerade das erste Quartal 2013 besonders gut verlief. „Da gab es Wochen, in denen wir nur einen oder zwei Verkehrstote registrierten“, erinnert sich Otmar Bruckner aus dem Innenministerium. Die Erklärung: 2013 war schneereich und kalt. Moped-, Motorrad- und Radfahrer starteten genauso spät in die Saison wie Fußgänger und Senioren.

Wetter als bedeutender Faktor

Alles Faktoren, die 2014 bis auf den Süden des Landes bei Weitem nicht so stark mitspielten. Das lässt sich sogar für Laien aus den Zahlen lesen. Hauptbetroffen vom Blutzoll sind nämlich Moped-, Motorrad- und Radfahrer, Fußgänger und Senioren. Gemeinsam mit einigen wenigen schweren Unfällen auf Eisenbahnkreuzungen und Autobahnen sieht der direkte Vergleich mit 2013 so aus, als wäre die Sicherheitslage auf den Straßen ungleich schlechter als zuletzt. Dabei würde es schon reichen, nur wenige Jahre in die Vergangenheit zu blicken. Noch 2009 lag die Zahl der Todesopfer mit 125 im ersten Quartal um knapp zehn Prozent höher. Fazit: Bei der Straßensicherheit ist noch Luft nach oben, bedrohlich ist die aktuelle Entwicklung jedoch noch lange nicht.

Dennoch folgt auf jede ungünstige Entwicklung ein weiterer Ruf nach Einschränkungen und Strafen. Zu Recht? Zweifellos haben die Einführung von Mehrphasenausbildung und Vormerksystem beim Führerschein viel bewirkt. Ebenso sind auch die Effekte von Helm- und Angurtepflicht nicht zu unterschätzen. Die gewichtigsten Gründe dafür, warum sich die Zahl der Opfer seit 1980 (1951) auf zuletzt 453 verringert hat, dürften jedoch andere sein. So haben es massive Vorschriftsverschärfungen, Straferhöhungen und Investitionen in Tempo-, Alkohol- und andere Kontrollen nicht geschafft, die Zahl der Unfälle mit Personenschaden nur annähernd in dem Ausmaß zu senken, wie das bei den Todesopfern gelungen ist. Zwischen 1980 und 2012 ging ihre Zahl von 46.214 auf 40.831 zurück. Zwar wurde inzwischen die Zählweise verändert, dennoch ist klar ersichtlich, dass hier der Rückgang deutlich geringer ist.

Disziplin kaum verbessert

Daraus kann man schließen, dass sich Disziplin und Aufmerksamkeit nur geringfügig verbessert, Faktoren wie passive Fahrzeugsicherheit und medizinische Versorgung jedoch große Fortschritte gemacht haben. Tatsächlich gilt unter Technikern heute die Regel: Endeten Frontalunfälle mit 50 km/h noch Mitte der 1980er-Jahre tödlich, entsteigen die Betroffen ihren Autos heute nach gleichen Zwischenfällen mit blauen Flecken.

Für diesen Erklärungsversuch spricht auch, dass die stark gesteigerte Kontrolldichte sowie die inzwischen harten Strafen für Alkolenker nichts daran geändert haben, dass sich die Zahl der Unfälle, bei denen Alkohol mit im Spiel war, in den vergangenen 20 Jahren deutlich weniger stark nach unten entwickelte (von 3068 auf 2684) als jene der dabei Getöteten (von 123 auf 39).

Was also tun? Zweifellos tragen Regeln und ihre Kontrolle zur Sicherheit bei. Allerdings bergen neue Vorschriften auch die Gefahr, ein ohnehin komplexes System noch schwieriger zu machen. Der Verkehrspädagoge Fritz Menzl plädiert deshalb dafür, vor der Schaffung neuer Verbote die Einhaltung bestehender Regeln gezielter zu kontrollieren und bekannte Problemstellen auf Straßen neu zu bewerten. So war den Behörden jene Kreuzung, auf der es vergangene Woche zum folgenschweren Schulbusunfall kam, seit Jahren als Zone erhöhter Unfallgefährdung bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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