Schiaparelli: Fantasievoll, nicht exzentrisch

(c) Christophe Roue
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Nach fünfzig Jahren Pause kehrt das legendäre Modehaus Schiaparelli zurück auf den Laufsteg. Ein Gespräch mit Chefdesigner Marco Zanini.

Petites Mains. An der Place Vendôme entstand Zaninis Kollektion.
Petites Mains. An der Place Vendôme entstand Zaninis Kollektion.(c) Christophe Tiphaine
Stoffdruck. Alle Motive wurden von Hand aufgetragen.
Stoffdruck. Alle Motive wurden von Hand aufgetragen.(c) Beigestellt

Aristokratische Surrealistin

Ein Comeback ohne Beteiligung der Protagonistin: So lässt sich der Relaunch des legendären Pariser Haute-Couture-Labels von Elsa Schiaparelli beschreiben. Seit 1954, also seit genau 60 Jahren, fristet es sein Dasein als eine der meistbeweinten Sleeping Beauties der Modewelt. Seit der italienische Unternehmer Diego della Valle (ihm gehören etwa die Marken Tod’s, Fay und Hogan) sich die Rechte an Schiaparellis Namen sicherte, gab es immer neue Gerüchte über den mit der Markenrevitalisierung betrauten Designer. Als Vorgeschmack wurde vergangenen Juli eine eher kostümhafte Hommage von Christian Lacroix vorgelegt. Im September ging das Maison Schiaparelli dann mit dem Namen des neuen Chefkreativen an die Öffentlichkeit: Marco Zanini konnte von Rochas abgeworben und für diese Funktion gewonnen werden. Im Jänner zeigte er seine erste Haute-Couture-Kollektion, das „Schaufenster“ traf ihn in Schiaparellis Stammhaus an der Place Vendôme zum Gespräch.

Was unterscheidet Schiaparelli von anderen schlafenden Schönheiten, den „Belles endormies“ der Mode?
Nun ja, Elsa Schiaparelli ist definitiv eine der größten Modeschöpferinnen des 20. Jahrhunderts, und für alle wichtigen Designer eine Art Monstre sacré. Ihr Name und ihre Mode haben auch heute noch Relevanz. Ein zentraler Aspekt ist die unglaubliche Persönlichkeit der Schiaparelli selbst, die eine absolute Ausnahmeerscheinung war. Sie war eine unglaubliche Frau: mutig, kompromisslos, unerschrocken, unendlich gebildet. Zugleich neugierig, eine Kosmopolitin, eine Reisende.

Eine legendäre Person also?
Ohne Frage. Und ich bin wirklich froh, hier in ihrem Palais an der Place Vendôme arbeiten zu können, wo sozusagen noch immer ihr Esprit präsent ist. Seit ich engagiert wurde, versuche ich, diesen Esprit in einer Kollektion festzumachen. Ich lasse mich eher davon als von konkreten Schiaparelli-Entwürfen inspirieren.

Gibt es ein Archiv, mit dem Sie arbeiten können?
Ja, es gibt ein sehr umfassendes Archiv von Papieren. Ihre Entwürfe, Einladungen, Skizzen, Schriftstücke. Daraus geht deutlich hervor, wie sie gearbeitet hat: immer darum bemüht zu provozieren, zu überraschen, aber ohne die Eleganz aus den Augen zu verlieren. Diese Mischung aus High und Low ist ihr stets geglückt, sie ist nie in die Falle des Vulgären oder Platten getappt. 

Ihre Aufgabe besteht nun darin, eine zeitgemäße Übersetzung ihrer Mode zu entwickeln.
Natürlich. Und das ist eine umso größere Herausforderung, als in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Modeschöpfer auf die Arbeit von Elsa Schiaparelli direkten Bezug genommen haben – auch ich selbst. Und nun zitiere ich Schiaparelli im Haus Schiaparelli. So bekannte Stücke wie das Hummerkleid oder der Schuhhut sind zwar bedeutende Etappen in der Modegeschichte, sie sind aber nicht relevant für meine Arbeit.

In Zukunft soll es neben der Haute Couture auch Prêt-à-porter geben. Wie viel an Exzentrizität werden Sie sich erlauben können?
Vielleicht wird das Prêt-à-porter etwas verhaltener sein, aber der Esprit, von dem ich vorher gesprochen habe, soll doch derselbe sein. So etwas wie Exzentrizität ist ja höchst subjektiv: Jeder nimmt eine Kollektion anders wahr; jeder hat eine bestimmte Auffassung von Mode und von der Fantasie, die dahintersteht. Von dieser Auffassung hängt es ja auch ab, ob nun etwas als exzentrisch aufgenommen wird oder nicht. Aber natürlich war Elsa Schiaparelli als Person exzentrisch, wenn das bedeutet, dass sie den Mut hatte, außerhalb der Normen zu stehen.

Für die ungebrochene Faszination der Schiaparelli spricht das ungeduldige Warten auf diesen Relaunch, der die Branche seit Jahren beschäftigt.
Das stimmt, und gerade darum kann ich nicht oft genug wiederholen, dass es mir darum geht, heute eine ebenso originelle Arbeit mit dem Maison Schiaparelli zu machen, wie sie es auch in ihrer Zeit tat. Ich will nichts Historisierendes machen, sondern genauso aktuell und zeitgemäß sein, wie sie es immer war.

Ist es nicht so, dass man so einen Relaunch nur einmal versuchen kann? Gelingt er nicht, wird aus einer Belle endormie schnell eine schöne Leiche, um die es endgültig geschehen ist.
Es ist zwar immer wichtig, seine Arbeit so gut wie möglich zu machen, aber es stimmt auch, was Sie sagen. Es hängt immer von der Vision ab, die hinter einem Projekt steht. Ohne eine langfristige Perspektive kann eine solche Unternehmung nicht gelingen. Und zwar gerade, weil die Mode so schnelllebig ist und der Rhythmus sich ständig beschleunigt. Ohne solide Grundlagenarbeit wird der Erfolg ausbleiben, das ist der eigentliche Schlüssel. Es braucht Voraussicht und Gründlichkeit, zugleich aber Fantasie und Schaffensfreude. Und zwar im richtigen Verhältnis.

Elsa Schiaparelli, von Marco Zanini zu Recht als Monstre sacré der Modewelt bezeichnet, wuchs in Rom in einer aristokratischen Familie auf. Später avancierte sie zur großen Widersacherin von Coco Chanel und ging wagemutige Kooperationen mit Künstlern wie Salvador Dalí ein. Ihr meistverkauftes Parfum, „Shocking“, war in einen torsoartigen Flakon verpackt, der auch heute noch in den Regalen gut sortierter Parfumerien Widerhall findet. Dem Vernehmen nach ist auch ein Relaunch der Kosmetiklinie angedacht. Das Couture-Haus Schiaparelli ist das Kronjuwel in Diego della Valles Modeportfolio: Zuletzt brachte er seine bekannteste Marke Tod’s in Mailand mit einer von Alessandra Facchinetti entworfenen Kollektion auf den Laufsteg. Mit dem Namen Elsa Schiaparelli stößt der erfolgreiche Modemogul nun auch in die Königsklasse seiner Branche vor.  

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