Der Volkstribun und seine Ein-Mann-Partei

File photo of Hungarian Prime Minister Viktor Orban
File photo of Hungarian Prime Minister Viktor Orban(c) REUTERS
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Viktor Orbán begann als liberaler Studentenführer. Mittlerweile hat er Ungarn radikal umgestaltet. Glaubt man den Meinungsumfragen in Ungarn wird er bei der Parlamentswahl wohl seine dritte Amtsperiode feiern können.

Budapest. Viktor Orbán legt die Latte für künftige Generationen ungarischer Politiker sehr hoch. Glaubt man den Meinungsumfragen in Ungarn wird er bei der Parlamentswahl am Sonntag wohl seine dritte Amtsperiode als Ministerpräsident feiern können – nach 1998 und 2010. Der erst 50-jährige Orbán ist schon jetzt der mit Abstand erfolgreichste ungarische Politiker seit der Wende 1989/90. Doch woher rühren die großen Steherqualitäten und die schier grenzenlose Zähigkeit Orbáns? Die Antwort mag nicht zuletzt in seiner Jugendzeit zu finden sein. Auf dem Land aufgewachsen, war er von Kindesbeinen an daran gewöhnt, auf dem elterlichen Hof schwere Arbeit zu verrichten. Auf diese Zeit dürften auch sein Pflichtbewusstsein und sein beinahe schon an Verbissenheit grenzender Fleiß zurückzuführen sein.

Nach Abschluss des Gymnasiums ging Orbán nach Budapest, um Jus zu studieren. Dort schloss er sich einer Studentenvereinigung (Bibó-Kolleg) an, die im Schatten der KP-Obrigkeit aktiv war. Orbán stieg rasch zum Wortführer der studentischen Gemeinschaft auf. 1988, ein Jahr vor der Wende, ging aus der Studentenvereinigung schließlich eine politische Partei hervor: der Bund Junger Demokraten (Fidesz), der damals noch eine liberale Politik verfolgte.

Erster großer Auftritt 1989

Als Politiker lenkte Orbán zum ersten Mal 1989 die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich, als er bei den Feierlichkeiten zur neuerlichen Beisetzung des legendären Ministerpräsidenten des Volksaufstandes von 1956, Imre Nagy, vor einem Meer von Menschen auf dem Budapester Heldenplatz die sowjetischen Besatzungstruppen zum Abzug aufforderte. Orbán war damals 25 Jahre alt. In der Folge wurde die ungestüme Schar der Jungdemokraten zur festen Größe der postkommunistischen Politik des Landes.

Der Machtmensch Orbán kam zum ersten Mal Anfang der 1990er-Jahre so richtig zum Vorschein, als er daran ging, seine Position innerhalb des Fidesz zu festigen. Seine politische Linie wurde nach und nach zur Richtschnur für die gesamte Partei. So geschah es auch 1993/94, als die Jungdemokraten vor der richtungweisenden Entscheidung standen, politisch nach rechts zu rücken oder weiterhin eine liberale Politik zu verfolgen.

Schon bei dieser ersten Zerreißprobe der jungen Partei setzte sich Orbán durch: Die kecke liberale Partei wandelte sich in der Folge zu einer konsolidierten bürgerlich-konservativen Kraft, später dann zu einer Volkspartei mit Massenwirkung.

Die von Orbán vorangetriebene Neuausrichtung erwies sich als kluger Schachzug, füllte der Fidesz doch eine Nische aus, die im rechten Spektrum Ungarns angesichts des Niedergangs der ersten frei gewählten Regierungspartei, des Ungarischen Demokratenforums (MDF), frei geworden war. 1998 gelangte die Orbán-Partei zum ersten Mal ans Ruder. Mit 35 Jahren wurde er damals Premier einer rechtskonservativen Koalition.

Nach den ersten Regierungsjahren folgten acht lange Jahre in der Opposition (2002–2010). In diesem Zeitraum stellte Orbán aber einmal mehr seinen Machtinstinkt unter Beweis. Obwohl er Parlamentswahlen hintereinander verloren hatte (2002 und 2006), gelang es ihm, sich im Sattel zu halten. Weshalb Experten die Regierungspartei immer noch als „Ein-Mann-Partei“ bezeichnen.

Nach dem Erdrutschsieg des Fidesz 2010 und der Erlangung einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit fand Orbán die Möglichkeit vor, seine Macht auf den gesamten Staat auszuweiten. So schuf er nicht nur eine neue Verfassung (2011), die völlig seinem Gusto entspricht, sondern besetzte auch alle wichtigen Staatsämter mit loyalen Personen.

Wie groß Orbáns Macht heute ist, lässt sich auch daran ablesen, dass auf Betreiben des fußballvernarrten Regierungschefs im ganzen Land viele milliardenschwere Fußballstadien aus dem Boden gestampft werden, auch in seiner Heimatgemeinde Felcsút. Der Haken dabei: In Ungarn verirren sich im Schnitt 1000 bis 2000 Besucher zu den Meisterschaftsspielen.

In den vergangenen vier Jahren offenbarte sich Orbán als streitbarer Politiker, nicht zuletzt gegenüber der EU, die ihn für demokratiepolitisch fragwürdige Maßnahmen wie etwa Ungarns neues Mediengesetz rüffelte. In diesen Auseinandersetzungen mit Brüssel war es Orbán stets wichtig zu betonen, dass die „nationalen Interessen” seines Landes für ihn allerhöchste Priorität hätten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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