Boom der kleinen Manufakturen

 Jonny Schokoladen
Jonny SchokoladenStanislav Jenis
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Seit rund zehn Jahren wächst die Zahl der Wiener Schokoladenbetriebe.

Wien ist nicht Paris, aber schön langsam mehren sich die Manufakturen und Geschäfte, die auf hochwertige Schokoladen setzen. Natürlich gibt es Betriebe, die immer schon da waren, wie etwa Jonny Schokoladen. Aber in den vergangenen Jahren kamen verdächtig viele neue dazu. „Im Vergleich zu den 1960er-Jahren schießen jetzt kleine Manufakturen aus dem Boden“, sagt Josef Angelmayer, Innungsmeister der Wiener Konditoren. Er schätzt die Zahl der Wiener Schokoladenmanufakturen auf 15 bis 20 Betriebe – „von den ganz kleinen bis zur Confiserie Heindl, der größten in Wien“.

Früher war es üblich, dass jeder Konditor seine eigenen Pralinen, Trüffel und Schokoladen produzierte. „Das hat sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit der industriellen Massenproduktion aufgehört“, sagt Angelmayer. Seit rund zehn Jahren beobachtet er einen Hype rund um das Thema, inklusive neuer Geschäfte und Manufakturen. Derzeit konsumiert ein Österreicher übrigens im Durchschnitt 0,4 Kilogramm Schokolade im Monat.


Herkunft statt Experimenten.
Auch Werner Meisinger, Inhaber der Manufaktur Xocolat, in die auch Haubenkoch Christian Petz involviert ist, hat seit Anfang der 2000er-Jahre einen Trend in Richtung hochwertiger Schokolade ausgemacht. Aktuell habe sich der Hype aber auf einem vernünftigen Niveau eingependelt. „Jeder Trend durchlebt einen Zyklus und von jedem bleibt ein Stückchen Kultur über, auch bei der Schokolade“, so Meisinger. Absurde Experimente und „Hyperkreativität“ seien derzeit nicht mehr gefragt. „Mit Grammeln oder Fischgummi holt man heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor“, sagt er in Anspielung auf Josef Zotter. Heute werde eher auf Herkunft und Güte der Produkte Wert gelegt – gerne auch in bereits etablierten Kombinationen. „Es wäre leicht, etwas mit faschiertem Lammfleisch und Schokolade zu machen. Aber wozu? Die Leute wollen lieber eine gute Nussschokolade, die schmeckt“, so Meisinger.

Er schätzt die österreichischen Kunden für ihr Qualitätsbewusstsein. Woanders spielen die Siegel Bio und Fair Trade kaum eine Rolle. Allerdings steigt auch dort – Stichwort China – der Verbrauch und das Interesse an Schokolade. Meisinger ist deshalb davon überzeugt, dass Schokolade wieder ein teures Luxusprodukt werden wird. „Derzeit kostet eine Tonne Rohkakao 3000 Dollar, im Jahr 2000 waren es rund 1400 Dollar pro Tonne. Das hat sich also fast verdoppelt.“ Er kritisiert, dass es in Bezug auf Schokolade – im Gegensatz zum Wein – kaum Regeln gibt. „Man kann draufschreiben, was man will. Es ist eine ungeregelte Geschichte, das führt zu unwahren Geschichten und dazu, dass große Teile der Schokoladewirtschaft sich in grauslichen Grauzonen bewegen.“

So stammen etwa 2,5 Millionen Tonnen der weltweiten Jahresproduktion (insgesamt 4,5 Millionen Tonnen) aus Ghana und Elfenbeinküste. „Dort gibt es aber Kinderarbeit und die Bauern werden ausgebeutet. Der Kakao aus Westafrika landet dann in der Industrieschokolade, weil nur der Preis zählt“, sagt Meisinger, der seine Schokolade von spanischen, französischen und italienischen Manufakturen bestellt, die wiederum Kakaobohnen aus Süd- und Mittelamerika verarbeiten.

Zumindest hierzulande wächst aber das Bewusstsein für gute und auch gerecht produzierte Schokolade. Das bestätigt auch Innungsmeister Angelmayer. „Es gibt mehr Vielfalt und zum Beispiel Schokoladen mit Kakaobohnen aus einer bestimmten Region. Es geht in eine ähnliche Richtung wie beim Wein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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