Der runde Tisch zur Mariahilfer Straße brachte unzählige, zum Teil widersprüchliche Vorschläge. Bis Ostern sollen Experten entscheiden, was umgesetzt wird.
Wien. Es ist alles sehr kompliziert. Diese Erfahrung machte nicht nur Bundeskanzler Fred Sinowatz, sondern auch die grüne Planungsstadträtin Maria Vassilakou. In Gesprächen über die Neugestaltung der Mariahilfer Straße (Stichwort: Querungen) liegen nun die Forderungen aller Beteiligten auf dem Tisch – von den Bezirken über Bürgerinitiativen bis zur Wirtschaft. Und all diese Forderungen würden sich oft massiv widersprechen, erklärte Vassilakou am Donnerstag.
Da es sich nicht mehr um eine politische Entscheidung pro oder contra Mariahilfer Straße handle, sondern um die Suche nach der fachlich besten Lösung, nehme sie sich zurück, erklärte Vassilakou. Das bedeutet: Wo welche Querungen wie geöffnet werden, wo Einbahnstraßen kommen oder umgedreht werden, wo der Verkehr künftig fließt, entscheiden Experten. Die Verkehrsplaner Harald Frey (TU Wien), Werner Rosinak (Planungsbüro Rosinak & Partner) sowie Roman Molitor (Komobile) werden dafür ein Konzept entwickeln, das nach Ostern vorliegen soll. Dieses werde sie unterstützen, auch wenn es aufgrund der vielen unterschiedlichen Wünsche „nicht alle glücklich machen wird“.
Als Rahmen hat Vassilakou den Experten drei grobe Leitlinien vorgegeben: Querungen müssen möglich sein, allerdings ohne Durchzugsverkehr anzuziehen – der soll weiter über den Gürtel fließen. Erreicht werden soll das mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen im Bereich der Querungen. Anzahl oder Ort der Querung(en) hat Vassilakou dagegen nicht vorgegeben. Die Anrainer müssten ihre Häuser bzw. Garagen aber, nicht zu kompliziert, erreichen können.
Die zweite Leitlinie besagt, dass „in der Fußgängerzone möglichst ungestörtes Flanieren“ erreichbar sein müsse. Das bedeutet, dass dort Querungen, Zufahrten etc. massiv eingeschränkt werden. Mit der dritten Leitlinie gibt Vassilakou vor, dass der Bus 13A nicht behindert werden darf: „Er muss sein Intervall einhalten können.“
Warum nun externe Experten beauftragt wurden, und nicht Vassilakous eigene Planungsabteilung, argumentierte die grüne Politikerin so: Einerseits sei ihre Planungsabteilung ständig eingebunden, andererseits würden die externen Experten eine Außenperspektive einbringen, was in der konfliktbeladenen Situation positiv sei. Außerdem habe es auch Kritik gegeben, externe Experten nicht von Anfang an eingesetzt zu haben. Die Aufgabe sei „nicht so unlösbar“, wie sie klinge, meinte dazu Rosinak, der sich damit als Optimist präsentierte. Denn die Forderungen aller Beteiligter könnten unterschiedlicher nicht sein.
Jeder gegen jeden
Die Wirtschaftskammer will für die Kaufleute nicht nur die Querung Schottenfeldgasse/Webgasse (samt Wiederherstellung der durchgehenden Einbahnen). Sie will dasselbe für die Querung Otto-Bauer-Gasse/Zieglergasse bzw. Otto-Bauer-Gasse/Andreasgasse. Die Querung Theobaldgasse/Karl-Schweighofer-Gasse (würde Gegenverkehr in unterer Mariahilfer Straße bedeuten) soll ebenso geöffnet werden wie die Capistrangasse für Taxis. Die Vertreter der Handelsketten wollen zusätzlich wechselseitige Querungen bei beiden Begegnungszonen – für Kunden, die von der Westausfahrt über den sechsten Bezirk zur Mariahilfer Straße fahren. Der Club der Unternehmer der Mariahilfer Straße (hier sind viele kleinere Geschäfte vereint) will überhaupt eine Art Bezirksmaut. Also Schranken bei Querungen. Wer zahlt, darf queren und eine Stunde gratis parken. Für Bewohner des sechsten und siebten Bezirks wäre die Querung gratis. Eine Bürgerinitiative will alle Querungen wie früher öffnen, die meisten Initiativen lehnen eine Öffnung in ihrer eigenen Wohnstraße ab.
Bleiben noch die politischen Parteien. Die SPÖ (beider Bezirke) will drei Öffnungen (Stumpergasse/Kaiserstraße, Schottenfeldgasse/Webgasse, Capistrangasse/Stifgasse bzw. Kirchengasse). Die Grünen dagegen sind für zwei Querungen (Stumpergasse/Kaiserstraße, Schottenfeldgasse/Webgasse), die Zollergasse soll in Richtung Mariahilf zu Lieferzeiten werktags von sechs bis 13Uhr geöffnet werden, mit ÖVP und FPÖ kam Vassilakou laut eigenen Angaben auf keinen grünen Zweig. Damit steht nun vor allem eines fest: Fix ist nichts, Querungen kommen nur mit entsprechender Verkehrsberuhigung. Ab Sommer wird umgebaut. (stu)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)