Der ökonomische Blick

Bankenstresstests im Test

Die Zentrale der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Abendlicht.
Die Zentrale der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Abendlicht.Imago / Hannelore Foerster Via Www.imago-images.de
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Stresstests sollen die Krisenfestigkeit der europäischen Banken regelmäßig überprüfen. Im kommenden Jahr erwartet die Geldhäuser erstmals ein großer Cyberstresstest.

Stresstests sind ein beliebtes Instrument der Bankenaufsicht geworden, um die Krisenfestigkeit von Banken zu überprüfen und das öffentliche Vertrauen in den Bankensektor zu stärken. So hat die Europäische Bankenaufsicht (EBA) im Juli die Ergebnisse des Stresstests für die 57 größten Banken der Eurozone für das Jahr 2023 veröffentlicht. Diese wurden durch eine Untersuchung von 41 weiteren europäischen Banken durch die EZB ergänzt. Im Jahr 2022 wurde ein spezieller Klimastresstest durchgeführt und für 2024 ist zusätzlich ein Cyberstresstest geplant.

Im Rahmen dieser regelmäßig durchgeführten Tests werden zeitpunktbezogene Bilanzinformationen aggregiert und im Rahmen von möglichen Zukunftsszenarien analysiert. Wie würden sich beispielsweise mögliche Ausfallrisiken bei unerwarteten Preisbewegungen im Immobiliensektor oder auf den Energiemärkten auf die Bankenbilanzen auswirken? Wie viel Eigenkapital würde durch allfällige Risikorealisierungen aufgezehrt werden?

Hierfür werden meist gemäßigte Basisszenarien als auch deutlich aggressivere, sog. adverse Ausfallszenarien berechnet. Das Ziel guter Geschäftsmodelle sollte darin bestehen, selbst unter adversen Szenarien zu bestehen und genügend Eigenkapital vorzuweisen, um die Bankgeschäfte nach Ablauf des jeweiligen hypothetischen Szenarios geordnet fortführen zu können und letztlich das Übertagungsrisiko auf andere Banken gering zu halten. Dadurch wird auch das Systemrisiko für den gesamten Bankensektor moderiert.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse“-Redaktion entsprechen.

Kapitalisierung und Risikopuffer überprüft

Letztlich überprüfen Stresstests die angemessene Kapitalisierung einer Bank sowie deren Risikopuffer. Grundlage dieser Test bleiben aber die Bilanzdaten. Marktreaktionen hingegen werden nur im Szenario hypothetisch unterstellt. Möchte man allerdings das Marktverhalten explizit mitberücksichtigen, muss man auf marktbasierte Risikomaße ausweichen. Hierzu gibt es beispielsweise das vom Nobelpreisträger Robert Engle entwickelte Kapitalausfallmaß SRISK, welches basierend auf Aktienkursen des Bankensektors das Ansteckungsrisiko einer Bank misst. Obgleich es eine Vielzahl weiterer marktbasierter Systemrisikomaße gibt, erweist sich in der empirischen Datenarbeit die Kapitallücke SRISK als besonders informativ.

Systemrisikomaße haben gegenüber Stresstests eine Vielzahl von Vorteilen. Zum einen lassen sie sich wie die zugrundeliegenden Aktienkurse einfach tages- oder wochenaktuell fortschreiben. Damit kann die Entwicklung des Ausfallrisikos bzw. des Beitrags einer individuellen Bank zum Systemrisiko unmittelbar verfolgt werden. Während die EBA in ihrem Stresstest für 2023 feststellt, dass nahezu alle untersuchten Banken diesen bestanden haben, kann man anhand der SRISK-Trajektorien erkennen, wie sich das Ausfallrisiko auch über einen längeren Zeitablauf verändert hat. Beispielsweise kann man untersuchen, bei welchen Banken sich das Kapitalausfallmaß nach der großen Finanzkrise von 2007 bis 2008 verringert hat und bei welchen nicht.

So haben auch aufgrund einer Vielzahl regulatorischer Veränderungen bspw. Erste Bank und Unicredito zwischen 2007 und 2023 ihr Ausfallrisiko von vier Prozent auf zwei Prozent, die Deutsche Bank von fünf Prozent auf ein Prozent und die UBS von 20 auf zehn Prozent reduzieren können. Trotz der regulatorischen Verbesserungen gilt dieser Befund jedoch bei weitem nicht für alle europäischen Banken. So hat sich seit der Finanzkrise dieses Ausfallrisiko bei einigen Banken deutlich erhöht, wie beispielsweise bei Banco Santander von drei Prozent auf vier Prozent, aber auch bei Raiffeisen Bank International von 1,5 auf zwei Prozent. Hier mögen seit 2022 Sondereffekte des Ukrainekriegs zu einem besonderem Vertrauens- und Kapitalverlust der internationalen Anleger geführt haben.

Großer Kapitalverlust bei kleineren Banken festgestellt

Als marktbasiertes Systemrisikomaß spiegelt SRISK das Vertrauen der Marktteilnehmer wider, sowohl in die jeweilige Bank als auch in deren Aufsicht. Vor diesem Hintergrund ist besonders der Zusammenhang zwischen den in den Stresstests ermittelten Kapitallücken und dem Systemrisikomaß SRISK aufschlussreich. Es zeigt sich bspw. für den Stresstest 2023, dass die marktbasierten Ausfallrisiken insbesondere für die französischen Großbanken deutlich über dem Kapitalverzehr der EBA Stresstests liegen, wohingegen die Stresstests bei den kleineren Banken, namentlich Erste Group, Raiffeisen, aber auch bei Unicredito, Banco Santander und Deutsche Bank einen relativ größeren Kapitalverlust anzeigen, als auf der Basis von Marktdaten suggeriert würde.

Zu guter Letzt eignet sich das marktbasierte Systemrisikomaß SRISK auch zur Untersuchung des Einflusses von Nachhaltigkeitsmaßen auf das Systemrisiko von Banken. In einer aktuellen Forschungsarbeit zeigen Gehrig, Iannino und Unger (2023), dass diverse Nachhaltigkeitsmaße die Länge des Planungshorizontes des Bankmanagements widerspiegeln und insofern eine Abschätzung des Systemrisikos erlauben. Banken mit längerem Horizont sind resilienter aufgestellt, was sich wiederum in geringeren Ausfallrisiken niederschlägt. Aus Sicht des Steuerzahlers mag es sich daher auszahlen, nachhaltige Geschäftsmodelle zu belohnen, um dann seltener rettend eingreifen zu müssen. Insbesondere Großbanken könnten die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsmodelle und somit das Vertrauen langfristig orientierter Anleger durch Verzicht auf Aktienrückkäufe deutlich erhöhen.

Die Autoren

Univ-Prof. Dr. Thomas Gehrig ist Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Wien. Er ist Mitglied der Vienna Graduate School of Finance sowie des Centers for Economic Policy Research in London, des Systemic Risk Centers an der London School of Economics und am European Corporate Governance Institute in Brüssel. Er forscht über Finanzkrisen und Bankenresilienz.

Thomas Gehrig
Thomas Gehrig

Dr. Maria Chiara Iannino ist Lecturer an der University of St. Andrews in Schottland. Sie war Assistenzprofessorin am Institut für Finanzwirtschaft der Universität Wien und ist nun Mitglied des Centre for Responsible Banking & Finance.

Maria Chiara Iannino
Maria Chiara Iannino

Referenzen

Gehrig, T. und M.C. Iannino (2021): Did the Basel Process of Capital Regulation Enhance the Resiliency of European Banks? Journal of Financial Stability 55.

Gehrig, T., M.C. Iannino und S. Unger (2023): Social Responsibility and Bank Resilience, Journal of Financial Stability, im Erscheinen.

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