Serie: Gefühlssache

Toxisch oder kritisch: Was darf Mann heute sein?

#MeToo-Skandale, ungerechte Verteilung von Geld, Macht und Hausarbeit: Seit Jahren sind Männer - oft aus guten Gründen - dazu aufgerufen, ihre Geschlechtsidentität kritisch zu hinterfragen. Doch zu welchem Zweck?

Wenn der spanische Fußballverbandspräsident vor den Augen der Welt eine Spielerin gegen deren Willen küsst; wenn in der U-Bahn ein Mann vor lauter Breitbeinigkeit wieder zwei Sitzplätze braucht; oder wenn tiefe Dekoltees und zu kurzen Hotpants von Teenagerinnen ob des Lernens willen wieder einmal mittels Kleiderordnung reguliert werden, dann hält der Mann von heute zögernd inne, bevor er sich dazu urteilend äußert: Keineswegs mag er als Paradebeispiel toxischer Männlichkeit abgestempelt werden.

Immerhin jagt, seitdem der Hashtag #MeToo vor sechs Jahren viral ging, ein #MeToo-Skandal den nächsten, sei es in Hollywood, in der Musikindustrie oder in der österreichischen Clubszene. Wer da gut aufgepasst hat, weiß jetzt nicht nur über Begrifflichkeiten wie Catcalling, Victim Blaiming oder Consent Bescheid, sondern eben auch über toxische Männlichkeit.

Der Begriff beschreibt jene als „typisch männlich“ gelesenen Verhaltensweisen, von denen eigentlich niemand etwas hat, nicht einmal Mann selbst. Sprich, der toxische Mann lässt weder Gefühle zu, noch kann er Schwäche zeigen, wird aggressiv, wenn er nicht weiter weiß und kann so schließlich weder gut erkennen, wann er die Grenze seines Gegenübers überschreitet, noch wann er sich selbst schadet, weil „echte Männer“ eben keine Vorsorgeuntersuchung brauchen. Der Begriff hat die Sphäre der woken Online-Bubble längst hinter sich gelassen, und ist zu einem gesundheitspolitischen Mainstreambegriff geworden, wie auch der deutsche Publizist Kim Posster in seinem kürzlich erschienene Buch „Männlichkeit verraten!“ darlegt.

Die Serie „Gefühlssache“ erscheint immer mittwochs und beschäftigt sich mit Themen rund um zwischenmenschliche Beziehungen, Sexualität und Selbstliebe. Alle Texte finden Sie unter diepresse.com/gefuehlssache Bei Fragen, Anmerkungen, Themenvorschlägen und Kritik schreiben Sie uns gerne an diese E-Mail-Adresse: schaufenster@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.