Gericht

„Die Polizei war machtlos“: Prozess gegen Mafia-Paten in Wien fortgesetzt

Der mutmaßliche Drogenbaron muss sich vor dem Wiener Landesgericht verantworten. Der Prozess startete vergangenen Mittwoch.
Der mutmaßliche Drogenbaron muss sich vor dem Wiener Landesgericht verantworten. Der Prozess startete vergangenen Mittwoch.CHROMORANGE / Weingartner via www.imago-images.de
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Der Mann soll den Verkauf von mehreren 100 Kilogramm Kokain und Heroin organisiert haben. Er soll führendes Mitglied der serbisch-montenegrinischen Drogenmafia sein, die auch in Österreich aktiv ist.

Ein mutmaßlicher Mafia-Pate ist am Dienstag wieder in Wien vor Gericht gestanden. Er soll in der Bundeshauptstadt innerhalb von zwei Jahren den Verkauf von mehreren 100 Kilogramm Heroin und Kokain organisiert haben. „Die Polizei war machtlos“, sagte ein Vertreter des Bundeskriminalamts als Zeuge. Die Bande des Angeklagten nutzte nämlich „bis hinunter zum untersten Straßenverkäufer zu hundert Prozent abhörsichere Handys“, wie der Ermittler verriet.

Die Kriminellen griffen zur Abwicklung ihrer Geschäfte ausschließlich auf sogenannte Krpyto-Handys zurück, bei denen nicht einmal eine Standort-Peilung möglich war. Man konnte mit den Geräten zwar nicht telefonieren, aber Bilder, Videos und Audio-Nachrichten verschicken. Sie nutzten die Dienste Sky ECC - ein in Frankreich entwickeltes Apple-Gerät mit einer fix installierten App und einer gefinkelten Verschlüsselungstechnologie - und Anom - vom FBI entwickelt und als „verdeckte Maßnahme“ gezielt unter Kriminellen verbreitet, um deren Machenschaften nachvollziehen zu können. Über diese soll der mutmaßliche Banden-Boss Drogen-Lieferungen dokumentiert, Anweisungen erteilt und eine Art Buchhaltung verzeichnet haben. Dario D. alias „Dexter“ - der an einen TV-Serienmörder angelehnte Spitzname des 35-Jährigen - habe täglich Selfies und Audio-Nachrichten verschickt, berichtete der Bundeskriminalamtsbeamte dem Schwurgericht.

Alles auf Dario D. „fokussiert“

„Die Struktur der Gruppe war sehr leicht erkennbar“, schilderte der Ermittler, „alles war auf eine Person fokussiert.“ Dario D. sei „an der Spitze“ gestanden, darunter habe es „Unterführer“ gegeben, die in Österreich gut vernetzt und bedingt entscheidungsbefugt waren und ein eigenes Dealer-Netz unterhielten, wobei diese Arbeitsebene den eigentlichen Chef gar nicht kannte. Gab es Festnahmen, war es technisch möglich, die Daten der Krypto-Handys der inhaftierten Mitglieder zu löschen und damit Beweismittel aus der Welt zu schaffen.

Die Bande flog auf, als es ausländischen Strafverfolgungsbehörden gelang, die vermeintlich abhörsichere Kommunikation der Kriminellen zu knacken und die Inhalte, die über Server in Kanada und Frankreich liefen, zu sichern. In weiterer Folge wurden die Chats mit Hilfe des FBI entschlüsselt, was Ermittlungen gegen Kriminelle in zahlreichen europäischen Ländern zur Folge hatte - sie alle hatten sich der Krypto-Messenger-Dienste bedient, um ihre Machenschaften abzuwickeln. Die Chats, die „Dexter“ und seine rund 200 Köpfe umfassende Gruppierung betrafen, wurden über Europol den österreichischen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt.

10 Jahre wegen Mordes in Haft

Bei der zerschlagenen kriminellen Vereinigung handelte es sich um den Zweig eines montenegrinischen Mafia-Clans, der von der Hafenstadt Kotor aus europaweit illegale Geschäfte tätigt - nicht nur mit Drogen, auch mit Waffen. Ein Mitglied des sogenannten Kavac-Clan wurde im Dezember 2018 vor einem Promi-Lokal in der Wiener Wollzeile erschossen - dabei soll es sich um einen vom verfeindeten Skaljari-Clan in Auftrag gegeben Mord gehandelt haben.

Dario D. selbst saß von 2008 bis 2018 in Serbien wegen Mordes in Haft. Nach seiner Entlassung kam er Erkenntnissen des Bundeskriminalamts zufolge über die Anhängerschaft eines Belgrader Fußballvereins in Kontakt mit dem Kavac-Clan und soll in weiterer Folge in Wien eine Führungsfunktion übernommen haben. Im gegenständlichen Verfahren, das bis Mitte Oktober anberaumt ist, legt ihm die Anklage in 333 einzelnen Fakten die Einfuhr und den Verkauf von Drogen zur Last, die hauptsächlich aus den Niederlanden, in geringerem Umfang aus Slowenien nach Wien geschafft wurden, wobei dafür reguläre Speditionen benutzt wurden. Die Qualität des Suchtgifts war laut Bundeskriminalamt ausgesprochen gut.

Brutale Methoden

Wenn sich „Dexter“ von Mitgliedern seiner Gruppe hintergangen fühlte, soll er ausgesprochen brutal reagiert haben. Ein spielsüchtiger Mann, der Einnahmen abgezweigt hatte, wurde beispielsweise zusammengeschlagen, scheute sich aber, dazu wahrheitsgemäß auszusagen. „Er hat angegeben, eine russische Domina habe ihn verletzt“, offenbarte dazu der Zeuge vom Bundeskriminalamt.

Dario D. ist im vergangenen Dezember am Wiener Landesgericht bereits wegen schweren Raubes zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Der Schuldspruch wurde mittlerweile vom Obersten Gerichtshof (OGH) bestätigt, offen ist nur mehr, ob es auch bei dem Strafausmaß bleibt. In diesem Verfahren war es um einen Überfall gegangen, bei dem „Dexter“ Ende Dezember 2019 mit sechs anderen Banden-Mitgliedern in einer Garage in der Bundeshauptstadt einer anderen Täter-Gruppe mit Gewalt 13 Kilogramm Kokain und 106.000 Euro abgenommen hatte. Die ausgeraubten Kriminellen wurden dabei teilweise schwer verletzt. Weitere Ermittlungen wegen Mordes, Raubüberfällen und erpresserischer Entführung sind gegen ihn anhängig.

„Ich bin nicht schuldig“

„Ich bin nicht schuldig“, sagte Dario D., der - vermutlich angelehnt an seine Statur - auch den Spitznamen „Obelix“ trägt, beim Prozessauftakt am vergangenen Mittwoch. Er sei nur deshalb nach Wien gekommen, um für seine Kinder Sachen einzukaufen, behauptete der Serbe. Das gegen ihn geführte Verfahren sei „weder fair noch seriös“. Auf die Frage nach seinem Beruf gab er „Ich habe in einem Kaffeehaus gearbeitet“ an. Als Manager des Lokals habe er 300 Euro im Monat verdient. Vermögen besitze er keines. (APA)

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