Interview

Udo Lindenberg: „Sauferei nicht mehr so wichtig“

Hat mit seinen 77 Jahren noch viel vor: Multitalent Udo Lindenberg. 
Hat mit seinen 77 Jahren noch viel vor: Multitalent Udo Lindenberg. Getty Images/Lohnes
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Musiker, Schriftsteller und Maler Udo Lindenberg spricht über seine einzigartige Karriere als Künstler, seine künftigen Pläne, den Tod und ein Leben nach dem Tod. »Die Utopie ist ein Kraftstoff und Energiebringer«, sagt der 77-Jährige, der noch lang nicht ans Aufhören denkt.

Für Udo Lindenberg ist 2023 ein Jahr der Meilensteine – von der erfolgreichsten deutschsprachigen Single seit Bestehen der Charts bis zum 50. Geburtstag seines Panikorchesters. Entsprechend aufgekratzt und zu flotten Sprüchen geneigt, die er in seinem unverwechselbaren Jargon darbietet, zeigt sich der 77-Jährige im Interview mit der „Presse am Sonntag“.

Ihr Panikorchester feiert in diesen Tagen Jubiläum. Sie meinten, dass dieser „Sternenflug tausend Jahre“ dauern sollte. Warum haben Sie immerhin die ersten 50 Jahre geschafft?

Udo Lindenberg: Das liegt an unserem gemeinsamen Durchdreh- und Rock’n’Roll-Lifestyle. Da haben wir unseren Spaß dran, das hält uns munter. Gute Laune ist Trumpf. Verschont uns bitte mit dem „normalen Leben“. Das finden wir beknackt und langweilig und rennen schnellstens weg. Wir lassen uns gern vom guten Wahnsinn durchknutschen. Das veredelt unsre Seelen, das macht uns zum gnadenlosen one and only Panikorchester mit stratosphärisch hoch und highliger Freundschaft, stärker als die Zeit.

Sie sagten aber auch, dass das Panikorchester für das „leicht breite Partyding“ stand. Inwieweit ist das für Sie noch wichtig?

Die Sauferei ist nicht mehr so wichtig. Am besten ist es, natürlich high zu sein. Na ja, gelingt nicht immer. Ansonsten gibt es ja vielerlei anderen Wirkstoff, sagen wir: Vitamine für die Seele.

Was heißt das?

Mit meinen Freunden rumhängen, mit der Band und Crew und Panikfamilie auf den Tourneen die ganze Ladung Adrenalin mit unsrem Abhebe-Publikum genießen. Und dann nach der Show zusammen relaxen oder um die Häuser ziehen und das Nightlife überprüfen, gut getarnt mit Alienmaske, versteht sich. Yeah. Wir sind Familie, sind ein Clan, wir sind ein Blut. Und das ist sowieso das Beste.

Abgesehen davon haben Sie in diesem Jahr viel Grund zum Feiern – etwa dank Ihrer Hitsingle „Komet“, die Sie mit Rapper Apache 207 herausbrachten.

Ja, schon geil, wie der Komet über die Generationen zischt und überall sein Leuchtfeuer verbreitet. Der erfolgreichste Song aller Zeiten – wow, unglaublich! Er erreicht so unfassbar viele Kinder, ja, praktisch alle: durch alle Altersstufen bis hin zu den heißen Greisen.

Was erklärt denn Ihren guten Draht zur jungen Generation?

Ich weiß es nicht, manchmal fühle ich mich wie Oskar Matzerath. Ich habe keinen Bock, groß bzw. normal erwachsen zu werden. Ich habe lieber das Spielkind in mir erhalten. Das ganze Easyness- und Abenteurer-Feeling geht vielen Leuten ja oft im Laufe eines Lebens immer mehr verloren. Dann kommen die Verhaltensmuster der sogenannten „vernünftigen Erwachsenen“, und das macht so vieles von dem weg, was Späßchen, Action, Abenteuer und Rebellion macht.

Und was tun Sie, um körperlich jung zu bleiben?

Ich halte mich mit Sport fit. Zurzeit gehe ich jeden Tag schwimmen. Ich esse kein Fleisch mehr, bitte keine toten Tiere im Bauch. Und ich blase auch nicht zu viel Zigarrenrauch in die zarten Lindenlungenflügel und so. Wir stehen ja für den Club der Hundertjährigen. The Show must go on. Und zwar noch sehr lang.

Fürchten Sie sich vor dem Tod?

Ja klar, schon. Irgendwie. Vor allem ist es eine Frage des Wie. Es müsste schnell gehen. Auf der Bühne gab es Stromstöße über das Mikro, wenn das nicht richtig geerdet war. Das könnte man so machen. Aber bitte keine normale Todesart. Normale Sachen sind nicht so mein Zuständigkeitsbereich. Im Rennauto würde auch gehen, irgendwo dagegenknallen. Aber das hat James Dean auch schon gemacht. Es muss was Neues sein.

Wie soll dieses „Neue“ aussehen?

Ein paar Pläne und Ideen habe ich schon, die sind aber geheim. Es gibt Geheimnisse, die sind so geheim, die darf man nicht mal im Selbstgespräch erwähnen. Auf jeden Fall gehe ich dann zurück zu den Sternen, meiner eigentlichen Heimat.

Einige Mitglieder Ihrer Familie haben Sie bereits verloren – neben Ihren Eltern, Hermine und Gustav, auch Ihren Bruder, Erich, und eine Schwester. Glauben Sie, dass sie Sie von irgendwoher beobachten?

Sie sind nicht von uns gegangen, sie sind nur vor uns gegangen. Dass die runterschauen jetzt? Ja! Glaube ich. Total. Es gibt so Zeichen. Im Stadion bei meinen Shows. Am Anfang ist noch Regen, tief hängende Wolken. Man zieht mich hoch in meinem Skyshuttle, in dem ich einfliege. Ich sage ‚Bitte, Hermine und Gustav, bitte schiebt jetzt die Wolken zur Seite’, gucke hoch und dann kommt die Sonne durch. Das habe ich schon ein paar Mal erlebt.

Ihre vorangegangenen Angehörigen dürften somit auch den enormen Erfolg Ihrer Werkschau als Maler und Musiker mitbekommen, die derzeit noch in Rostock zu sehen ist. Wie nehmen Sie den selbst wahr?

Dieser riesige Andrang ist schon eine große Ehre. Momentan sind es schon weit über 40.000 Besucher, bald erreichen wir die 50.000. Das ist in Rostock der größte Erfolg seit 1989. Yeah. Und eine Art Volksbegehren hatte zur Folge, dass sie die Ausstellung bis Ende Oktober verlängert haben. Das ist heavy. Freut mich gigantisch, wie das abgeht.

Andererseits gab es für die Welt heuer weniger Grund zur Freude, wie Sie als Komponist von Songs wie „Wozu sind Kriege da?“ nur zu gut wissen. Was gibt Ihnen Hoffnung?

Bei all dem Chaos auf der Welt ist es nicht immer leicht, den alten Kumpel Hoffnung in den Arm zu nehmen. Diese ganzen schwachsinnigen Kriege, die Umweltzerstörung, so viele Mörder-Regime, soziale Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen in so vielen Ländern. Das alles macht es hart, daran zu glauben, dass wir noch mal eine bessere, fairere Welt für alle erreichen könnten. – Doch! Müssen wir, wollen wir, werden wir! Wir dürfen unsere Ideale und Utopien und unseren Kampf dafür nie aufgeben! Resignieren war ja nie unser Ding. Wecken wir das Menschheitsgewissen endlich auf, machen wir weiter, schalten wir uns ein! Damit sich doch was ändert. Muss ja. Es gibt keine Alternative. Auch wenn manche sagen, alles sei Spinnerei und Traumtanz und es gäbe nix mehr zu retten. Die Utopie ist ein Kraftstoff und Energiebringer. Den Glauben daran aufzugeben wäre Verrat an den nachfolgenden Generationen und an der Menschlichkeit.

Zur Person

1946 wurde Udo Lindenberg in Gronau/Westfalen geboren. Er gehört zu den Pionieren deutscher Rockmusik und verhalf dieser Sparte zum Durchbruch. Lindenberg ist seit Jahrzehnten im Geschäft und einer der erfolgreichsten Musiker im deutschsprachigen Raum. Sein Panikorchester feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen.

Seit den 1990ern feiert Lindenberg auch als Maler große Erfolge. Bis heute ist er für zahlreiche Ausstellungen verantwortlich. Der 77-Jährige lebt überwiegend in Hamburg.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurde Udo Lindenbergs Alter fälschlicherweise mit 76 Jahren angegeben.

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