Finanzmärkte

Angst vor neuem Zinsgipfel löst Abverkauf bei Anleihen aus

Händler bemühten sich am Mittwoch, ihre Staatspapiere zu verkaufen.
Händler bemühten sich am Mittwoch, ihre Staatspapiere zu verkaufen.APA / AFP / Angela Weiss
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Der Zinsgipfel in den USA dürfte noch nicht erreicht sein. Anleger werfen deshalb ihre Staatsanleihen auf den Markt. Die Renditen schnalzen hoch.

Wien. „Higher for longer“ (also höher und für längere Zeit) lautet derzeit das Credo an den Finanzmärkten. Was das bedeutet: Dass die Leitzinssätze nicht so schnell sinken werden, wie das die Marktteilnehmer ursprünglich erwartet haben. So langsam scheint sich diese Erkenntnis auch an den Börsen durchzusetzen, was man an der jüngst doch recht deutlichen Entwicklung der Anleihenkurse sehen kann: Die rasseln momentan in den Keller, während die Renditen in die Höhe schnalzen (Kurse und Renditen bei Anleihen verlaufen gegengleich).

So erwartet der Markt, dass die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen relativ bald die Grenze von fünf Prozent erreichen wird. Im frühen Handel kletterten die Bonds immerhin schon auf ein Niveau von 4,85 Prozent. Bei 30-Jährigen US-Papieren wurde dieses Niveau bereits am Mittwoch erreicht. Und auch Deutschland steht mit seinem zehnjährigen richtungsweisenden Papier kurz davor, die Drei-Prozent-Marke nachhaltig zu knacken. Im Tagesverlauf ist das sogar schon passiert (erstmals seit 2011). „Diese Bewegungen beginnen, in allen Anlageklassen Besorgnis zu erregen”, sagte James Wilson, Portfoliomanager bei Jamieson Coote Bonds in Melbourne. „Derzeit herrscht ein Käuferstreik. Niemand will sich steigenden Renditen in den Weg stellen, obwohl die Kurse schon ziemlich überverkauft sind.”

Nicht nur, dass der globale Anleihemarkt heuer um 3,5 Prozent nachgegeben hat, ein Index, der die Volatilität von US-Anleihen misst, hat noch dazu am Dienstag den höchsten Stand seit Mai erreicht. Der Durchschnittspreis für Anleihen im Bloomberg US-Treasury Index ist inzwischen auf 85,5 Cents pro Dollar gefallen. Damit liegt er einen halben Cent über dem Rekordtief von 1981.

Kommen neue und höher verzinste Anleihen auf den Markt, verlieren alte Papiere an Wert, weil dann höher verzinste Papiere attraktiver sind und vorzugsweise gekauft werden.

Noch keine Gefahr

Der sogenannte Sell Off ist auch den jüngsten Aussagen der Notenbanker geschuldet. „Ich fürchte, dass wir den Leitzins in diesem Jahr noch einmal anheben müssten“, sagte zuletzt die Präsidentin der regionalen Fed-Notenbank von Cleveland, Loretta Mester. Die Entscheidung sei aber datenabhängig. Die nächste und für 2023 vorletzte der Zinssitzung der US-Zentralbank findet am 1. November statt.

Auch US-Finanzministerin Janet Yellen meldete sich dieser Tage zu Wort. Sie verlautete unter anderem, dass die Leitzinsen mittelfristig auf ein „normales Niveau“ zurückkehren werden. „Die erkennbare wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit deutet vielleicht auf einen längeren Zeitraum höherer Zinsen hin, aber wir werden sehen. Ich glaube nicht, dass das eine Selbstverständlichkeit ist“, sagt sie auf einer Veranstaltung. Ihr Ausblick auf die US-Wirtschaft sei von Zuversicht geprägt, sagte sie weiter. Auf die Frage, ob sie glaube, dass die Anleiherenditen langfristig hoch bleiben werden, antwortete sie: „Ich weiß es nicht. Das ist eine große Frage, die mich und die Regierung sehr beschäftigt.” Denn je höher die Renditen, desto teurer wird es für Staaten, sich an den internationalen Finanzmärkten zu verschulden.

Das derzeitige Schuldenniveau sei beherrschbar, gemessen daran, wie viel die USA jedes Jahr für die Finanzierung der Bundesschuld als Anteil des Bruttoinlandsprodukts ausgeben, und bereinigt um die Inflation, so Yellen. Höhere langfristige Zinsen könnten indessen eine Gefahr darstellen. Vor ihrer Zeit als Finanzministerin war Yellen Chefin der US-Notenbank. In die Entscheidung des Offenmarktausschusses, der die Geldpolitik der USA festlegt, kann die nunmehrige Politikern aber nicht eingreifen.

Der jüngste Renditeanstieg hat auch etwas mit den Konjunkturdaten zu tun, die diese Woche in den USA veröffentlicht wurden: So gab es auf dem US-Arbeitsmarkt deutlich mehr offene Stellen an, als erwartet. Das bedeutet, dass die US-Notenbank durchaus noch Spielraum hat, die Zinsen weiter zu erhöhen, ohne die Konjunktur abzuwürgen.

Der Einbruch am US-Anleihenmarkt zieht auch die Schuldpapiere von Entwicklungsländern deutlich nach unten. Deren Rendite wurde am Mittwoch auf ein Jahreshoch von rund 8,9 Prozent gehievt.

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