Interview

Den Banken droht der „perfekte Sturm“

„Es braut sich etwas zusammen“, sagt Bernhard Engel, Banken-Sanierer von Alvarez & Marsal.
„Es braut sich etwas zusammen“, sagt Bernhard Engel, Banken-Sanierer von Alvarez & Marsal. Die Presse/Katharina F.-Roßboth
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Der Restrukturierer Alvarez & Marsal, der die Pleite von Lehmann Brothers abwickelte, wird nun in Österreich tätig. Sein Österreich-Chef, Bernhard Engel, erzählt, in welchen Bereichen es für Banken jetzt brenzlig wird.

Wien. Banken stehen derzeit vor allem wegen ihrer hohen Gewinne in der Debatte. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass sie sich einer heiklen Phase gegenübersehen, die den Bankchefs ein achtsames Manövrieren abverlangt. Darüber spricht Bernhard Engel, der Österreich- und Ostereuropa-Chef von Alvarez & Marsal (A&M).

Die Unternehmensberatung hat sich als Krisenmanager einen Namen gemacht. Der Restrukturierer war sowohl mit der globalen Abwicklung von Lehman Brothers beauftragt als auch mit der Restrukturierung der griechischen National Bank und der Kaupthing Bank in Island. A&M berät mehrere Regierungen bei Finanzmarktreformen sowie zuletzt die Schweiz in Bezug auf die Credit Suisse.

Die Presse: Banken machen hohe Gewinne. Also könnte man denken, es geht denen richtig gut.

Bernhard Engel: Den Banken geht es noch sehr gut. Betonung auf noch. Die Gewinne waren im vergangenen Jahr durch den abrupten Zinsanstieg und die folgenden höheren Zinsmargen sehr gut. Gleichzeitig schlug sich die Verschlechterung der Wirtschaftslage in den Bilanzen noch nicht nieder. Das ändert sich gerade.

Diese Situation wollte die Europäische Zentralbank eigentlich vermeiden. Einerseits gibt es hohe Zinsen, von denen die Banken profitieren. Anderseits beginnt die Wirtschaftsflaute. Wird das zum Problem?

Ein Soft Landing mit Zinserhöhungen ohne abruptes Abbremsen der Wirtschaft hat die EZB nicht geschafft. Nun könnte ein perfekter Sturm daraus werden, je nachdem wie viele der zahlreichen Risken schlagend werden. Die EZB hat viel zu spät reagiert. Jetzt gibt es die scharfe Bremsung. Aktives Risikomanagement ist für die Banken jetzt das Wichtigste, um gut durch die nächsten zwölf Monate zu kommen. Auswirkungen sieht man vor allem schon dort, wo man die niedrige Zinslandschaft ausgenutzt hat.

Wo?

Im Immobilienbereich.

Wie haben die Banken in der Phase der Niedrigzinsen agiert?

Für die Banken war die Niedrigzinsphase sehr schlecht. Sie mussten sich genau anschauen, wofür sie Geld ausgeben und wo sie Kosten sparen können, sonst hätten sie Verluste geschrieben. Darüber hinaus mussten sie hohe Anforderungen der Regulatoren aus der Zeit der Finanzkrise erfüllen, also hohe Einlagenpuffer anlegen. Dadurch sind die Banken auf die Situation, die jetzt kommt, gut vorbereitet – besser denn je. Denn es braut sich etwas zusammen.

Was braut sich denn zusammen?

Wir sehen eine Verschlechterung der Konjunktur. Das zwingt die Banken, zu beurteilen, welche Wirtschaftszweige wie sensibel reagieren. Die hohe Inflation führt ebenso zu hohen Lohnabschlüssen und dementsprechenden Kosten. Auch die geopolitische Situation ist schwierig, denken Sie an Russland/Ukraine, Israel und Hamas, Serbien/Kosovo oder China und Taiwan. Die höheren Zinsen führen auch zu einem Neubewertungsbedarf der Anleihen, die die Banken im eigenen Bestand halten. Deshalb macht die EZB Stresstests. Die österreichischen Banken haben hier sehr gut abgeschnitten.

»Wenn die Bank blind ist, kann sie keinen Kredit geben.«

Welche Bereiche sind denn besonders im Fokus?

Bereiche mit besonders hohen Kapitalkosten, wie z. B. der Immobiliensektor. Dort setzt man normalerweise sehr wenig Eigenkapital ein. Aber auch Leveraged Loans – also wenn ein hoch verschuldetes Unternehmen Kredite bei Investoren aufnimmt. Die waren schon vor der Zinswende hoch verzinst. Die Banken, die hier hohe Engagements haben, stehen besonders im Visier des Regulators, in Österreich ist das aber wenig relevant.

Dass sich die Finanzmarktaufsicht um Immobilien- und Unternehmenskredite Sorgen macht, ist kein Geheimnis. Insbesondere die EZB prüft detailliert, sogar gegenüber einzelnen Kunden. Würde ein Unternehmen Kredite nicht bedienen können, wie groß wäre das Problem für die Bank?

Im Immobilienbereich ist das Bürosegment gefährdet. Die Rückkehr ins Büro nach Corona findet teilweise langsam oder gar nicht statt. Die Nicht-Premium-Lagen haben hohe Leerstände. Zusammen mit den höheren Zinsen führt das zu einer geringeren Bewertung. Folglich werden die Sicherheiten der Banken für die entsprechende Immobilie geringer. Daher testen die Banken den Cashflow und prüfen, ob der Kredit zurückbezahlt werden kann, besonders bei niedrigeren Mieteinnahmen. Dann verlangen die Banken höhere Sicherheiten. Auch Handelsimmobilien sind davon betroffen.

Was macht die Bank, wenn ein Unternehmen keine Bilanz legt und sie die Daten nicht einsehen kann?

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