TV-Kritik

In der „ZiB2“: Was sich die Medienpolitik in Sachen ORF hinter die Ohren schreiben könnte

Statt Medieninisterin Susanne Raab war Medienrechtsexperte Nikolaus Forgó bei Martin Thür im Studio
Statt Medieninisterin Susanne Raab war Medienrechtsexperte Nikolaus Forgó bei Martin Thür im Studio
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Die Ministerin kam nicht ins „ZiB2“-Studio. Dafür ein Experte. Fazit der Sendung: Wer eine komplette Entpolitisierung der ORF-Gremien erwartet, wird enttäuscht werden.

Im Vergleich zu seinem Kollegen Armin Wolf handelte Martin Thür die Angelegenheit in der „ZiB2“ eher nüchtern ab. Wolf schreibt in seinem Blog über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs – das Höchstgericht hat Teile des ORF-Gesetzes aufgehoben, weil Regierung und Bundeskanzler zu viel Einfluss auf die Zusammensetzung von Stiftungs- und Publikumsrat nehmen: Dies sei ein „historisches Erkenntnis“ des VfGH, meint Wolf und klopft sich selbst auf die Schulter: „An dieser Entscheidung bin ich eventuell nicht ganz unschuldig“.

Tatsächlich hatte der „ZiB2“-Anchor in einem früheren Blog unter Verweis auf VfGH-Präsident Grabenwarter schon die Mutmaßung geäußert, der politische Einfluss auf den ORF könnte gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen die Verfassung verstoßen.

Doskozil will „die Politik raus aus dem ORF“

Jetzt also hat der VfGH so etwas festgestellt und fordert eine Reparatur des Gesetzes, die die ORF-Redakteure sich seit Jahren wünschen. Über das eigene Medium zu berichten ist immer heikel. Der ORF selbst gab keine Stellung ab. In der „ZiB2“ bemühte man sich um jene Pluralität, die der VfGH bei der Besetzung der ORF-Gremien vermisst.

Das sperrige Thema wurde unter anderem anhand von Grafiken aufbereitet. Medienrechtler Hans Peter Lehofer wurde im Beitrag als Experte befragt, die Standpunkte aller Parlamentsparteien fanden Platz. Erfreut zeigte sich Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der die Causa beim VfGH eingebracht hatte: „Ich bin schon gespannt, wie das umgesetzt wird, was wir wollten: Die Politik raus aus dem ORF.“ Ganz so wird es nicht kommen. Und dass die Vertreter der Länder im Stiftungsrat vom VfGH nicht angegriffen wurden, dürfte Doskozil vermutlich recht sein.

Auffällig zurückhaltende ÖVP

Die ÖVP übte sich unterdessen in auffälliger Zurückhaltung. Ihr Mediensprecher Kurt Egger will die Sache erst „gut und gründlich“ diskutieren und den Verfassungsdienst zu Rate ziehen. Dessen Vertreter freilich hatten bei der öffentlichen Verhandlung vor dem VfGH ausgiebig Zeit, den Standpunkt der Regierung, allen voran der ÖVP zu untermauern: Die meinte ja, es sei alles rechtens. Das könnte auch damit zu tun haben: Das derzeit geltende und vom VfGH hiermit aufgehobene Gesetz sichert der ÖVP automatisch eine Mehrheit in den Gremien.

Ein einziges Mal zeigte sich Thür hörbar irritiert: Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), die eine Einladung ins Studio nicht angenommen hatte, hatte sich zuvor in einer Aussendung „überrascht“ gezeigt: Die Gremienstruktur sei seit Jahrzehnten im Wesentlichen unverändert, „und dies ist jetzt mit einem Mal verfassungswidrig“. Wie gesagt: Die ÖVP profitiert vom Status quo am meisten.

Experte über Raabs Reaktion überrascht

Statt der Ministerin war Medienrechtsexperte Nikolaus Forgó im Studio, der sich bemühte, die schwierige Materie für die Allgemeinheit zu erklären. Einfach und klar war jedenfalls sein Kommentar in Richtung der Medienministerin: Er sei über Raabs Überraschung überrascht, sagte Forgó: „Es gibt wohl kaum etwas, worüber so diskutiert wurde wie die Unabhängigkeit des ORF.“ Seinen Merksatz könnte sich auch die Medienpolitik hinter die Ohren schreiben: Es gehe beim ORF um vier Ziele, die er unter OMAU subsummiert: Objektivität, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit und Unabhängigkeit. Und er stellte klar: „Unabhängigkeit bedeutet nicht Politikfreiheit.“

Wer eine völlige Entpolitisierung der ORF-Gremien erwartet, wird also enttäuscht werden. Forgó meinte, man werde sehen, was der Gesetzgeber mit dem VfGH-Auftrag nun anfängt. Und Lehofer erinnerte daran: „Ein Gesetz ist immer nur so gut, wie es gelebt wird.“ Bis März 2025 ist Zeit, das ORF-Gesetz zu reparieren. Schon vorher gibt eine Nationalratswahl und eine neue Regierungsbildung. Es bleibt also spannend für den ORF.

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