Konjunktur

Mitten im Krieg wächst Russlands Wirtschaft kräftig

In den russischen Waffen- und Munitionsfabriken herrscht derzeit Vollauslastung
In den russischen Waffen- und Munitionsfabriken herrscht derzeit VollauslastungAPA / AFP / Vadim Savitsky
  • Drucken

Während die osteuropäischen EU-Länder unter der Verschlechterung der allgemeinen konjunkturellen Lage leiden, kann die russische Wirtschaft laut der Prognose des WIIW heuer spürbar zulegen. Der Grund dafür hängt mit dem Krieg in der Ukraine zusammen.

Wien. Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine war nicht nur eine politische Zäsur, er hatte auch drastische wirtschaftliche Folgen. Der Anstieg der Energiepreise befeuerte die Inflation weltweit und vor allem in Europa. Das zwang die Notenbanken dazu, ihre langjährige Politik des billigen Geldes zu beenden und die Zinsschrauben anzudrehen. Dieser rasante Wechsel in der Geldpolitik führte zusammen mit hohen Lagerbeständen aus den Jahren der Coronapandemie zu einem giftigen Cocktail für die europäische Wirtschaft. Österreich und Deutschland werden heuer laut Prognosen daher in eine Rezession fallen.

Eine Situation, die naturgemäß auch an Osteuropa nicht vorübergeht. Zwar sollen laut der am Mittwoch vorgelegten Prognose des Wiener Instituts für Wirtschaftsvergleiche (WIIW) nur einzelne Länder wie Estland, Ungarn oder Litauen heuer in eine Rezession rutschen. In Summe wird sich das Wachstum der elf EU-Mitgliedsländer der Region jedoch von 4,2 Prozent im Vorjahr auf 0,6 Prozent heuer deutlich einbremsen. Der traditionelle Wachstumsvorsprung Osteuropas gegenüber Westeuropas sei damit zumindest vorerst dahin, konstatieren die Ökonomen.

Trendwende in Russland

Anders sieht die Situation jedoch aus, wenn man weiter nach Osten blickt. So musste Russland im Vorjahr noch ein Minus von 2,1 Prozent hinnehmen. Die Wirtschaft des Landes wurde durch westliche Sanktionen wie dem Stopp des Kaufs von Rohöl und Ölprodukten schwer gebeutelt. Heuer wird sich die Lage jedoch drehen, so die Prognose der Ökonomen. Die russische Wirtschaft soll demnach um 2,3 Prozent wachsen.

Der Grund dafür liegt ebenfalls im Krieg. So erhöhte der Kreml seine Ausgaben fürs Militär erheblich, was zu einem wahren Boom in der russischen Rüstungsindustrie führt. „Die enorme Erhöhung der Militärausgaben befeuert einen Rüstungsboom, der gemeinsam mit stark steigenden Reallöhnen aufgrund des akuten Arbeitskräftemangels die Konjunktur nach oben zieht“, sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des WIIW. Die Auslastung der Produktionskapazitäten in den Waffen- und Munitionsfabriken bewege sich auf einem Allzeithoch. Und die Arbeitslosigkeit liege auf einem Rekordtief. So ist Arbeit in russischen Rüstungsfabriken vor allem für junge Männer derzeit attraktiv, weil sie vor der Einberufung an die Front schützt.

„Primitivisierung“ der russischen Wirtschaft

„Russland beschafft sich alle für seine Rüstungsindustrie notwendigen Hightech-Bauteile aus dem Westen mittlerweile über Drittstaaten“, sagt Astrov. Diese Umgehung der Sanktionen sei allerdings sehr aufwendig und könne daher nicht für andere Sektoren der russischen Wirtschaft angewandt werden, wo westliche Hochtechnologie nun fehle. Das werde zu einer „Primitivisierung“ der russischen Wirtschaft führen, erwartet der WIIW-Experte. Und dadurch dürften mittelfristig die Wachstumsaussichten Russland begrenzt werden.

Vorerst funktioniert die Kriegswirtschaft jedoch so, dass der wirtschaftliche Druck im Inland überschaubar bleibt. Und auch die Finanzierbarkeit sei für den Kreml nach wie vor machbar, da der Verkauf von Rohstoffen und Gas weiterhin genügend Mittel in die Staatskasse spült. Das Budgetdefizit soll heuer bei 2,5 Prozent des BIP liegen. „Putin wird seinen Angriffskrieg leider noch länger finanzieren können“, so Astrov.

Lage in der Ukraine bessert sich leicht

Über ein positives Wachstum wird sich heuer übrigens auch Kiew freuen können. So soll auch die Wirtschaft der angegriffenen Ukraine heuer wieder um 3,6 Prozent wachsen. Allerdings von einem entsprechend niedrigen Niveau, schließlich musste das Land im Vorjahr ein Minus von 29,1 Prozent hinnehmen. Geholfen hat der Ukraine ein Plus beim Export landwirtschaftlicher Produkte. Hier gab es zwischen Juli und August Zuwächse von 16 Prozent.

Doch hier sieht das WIIW eine Zunahme der Risiken. „Das Importverbot für ukrainisches Getreide durch Polen und Ungarn ist ein ernstes Zeichen für die zunehmende Spaltung der EU in Bezug auf weitere Ukraine-Hilfen“, sagt Ukraine-Expertin Olga Pindyuk. Angesichts eines Budgetdefizits von 27 Prozent im heurigen Jahr wäre eine Kürzung westlicher Hilfsgelder für die Ukraine „verheerend“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.