Konjunktur

Kaufkraft steigt trotz Rezession

Archivbild.
Archivbild.Bloomberg
  • Drucken

Heuer wird die heimische Wirtschaft spürbar schrumpfen. Der Ausblick ist aber positiv. Bruttolöhne, die nächstes Jahr um 22 Prozent über 2021 liegen, schieben den Privatkonsum an.

Wien. „2023 ist ein Jahr zum Vergessen.“ So fasste Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Freitag die aktuelle Prognose für die heurige Wirtschaftsentwicklung zusammen. Bisher hatten die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS für 2023 ein leichtes Wachstum prognostiziert. Doch dieses Bild hat sich über den Sommer gewandelt – zum Negativen. So wird Österreich erstmals seit dem Coronajahr 2020 wieder in die Rezession fallen, so das Ergebnis der am Freitag veröffentlichten Prognosen. Das IHS erwartet ein Minus von 0,4 Prozent, das Wifo rechnet sogar mit einem Schrumpfen der heimischen Volkswirtschaft um 0,8 Prozent.

Die Wirtschaftsleistung in Österreich ist demnach bereits seit Mitte 2022 im Sinkflug. Und vor allem seit dem Frühjahr habe sich die negative Entwicklung deutlich beschleunigt. „Die vorliegenden Stimmungsindikatoren deuten auf einen weiteren Rückgang der Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr“, heißt es weiter. Daher wird die Erwartung für das Gesamtjahr gegenüber der Prognose aus dem Juni um beinahe einen Prozentpunkt zurückgenommen.

Der Abschwung

Mehrere Gründe werden für diese negative Entwicklung genannt. So gibt es deutlich weniger Nachfrage nach Sachgütern, weil etwa bei Vorprodukten in der Nachphase der Coronapandemie hohe Lager aufgebaut wurden. Diese müssen nun erst wieder abgebaut werden. Zudem schwächte sich auch die internationale Nachfrage – etwa aus China – nach einem ersten Boom nach dem Ende der Coronabeschränkungen wieder deutlich ab.

Doch bei all der schlechten Nachrichten gibt es zumindest einen positiven Ausblick. So soll der Tiefpunkt der Konjunktur Ende 2023 erreicht werden. Und für das kommende Jahr sehen die Wirtschaftsforscher bereits wieder eine Expansion der heimischen Volkswirtschaft. Das Wifo prognostiziert für 2024 ein Plus von 1,2 Prozent, das IHS rechnet mit 0,9 Prozent. „Die Rezession bleibt zeitlich beschränkt, sie hinterlässt aber deutliche Spuren“, so Felbermayr. Es werde nur einen „verhaltenen Aufschwung geben“, pflichtet ihm IHS-Chef Holger Bonin bei.

Zudem werden nicht alle heimischen Wirtschaftssektoren von dieser Erholung betroffen sein. Die Industrie soll auch im kommenden Jahr nochmal schrumpfen. Und noch drastischer ist die Situation laut den Ökonomen am Bau. Dort sei „eine Bodenbildung unwahrscheinlicher als in der Industrie“, heißt es.

Denn vor allem der Wohnbau sei von kräftigen Einbußen betroffen. Und das ist laut Wifo auch keine Überraschung. Schließlich sei die Nachfrage nach Immobilen besonders zinselastisch, da die Fremdfinanzierung über Hypothekarkredite eine wichtige Rolle spielt. „Der Einbruch des Wohnbaus ist damit eine direkte Folge der markanten Leitzinserhöhungen.“

Diese werden von der Europäischen Zentralbank ja gesetzt, um die Nachfrage nach kreditfinanzierten Investitionen zu dämpfen und so den Preisauftrieb abzuschwächen. Das wird zwar Wirkung zeigen, aber mit einiger Verzögerung. So soll heuer die Inflationsrate in Österreich noch zwischen 7,7 und 7,8 Prozent zu liegen kommen und erst im Jahr 2024 spürbar auf einen Wert von rund vier Prozent zurückgehen. Doch auch damit läge die Teuerung immer noch beim Doppelten des Zielwertes der EZB.

Die Besserung

Das politisch viel diskutierte Thema des Kaufkraftverlusts sollte sich durch die Lohnrunden allerdings entspannen. Da die Lohnabschlüsse immer rückwirkend die Inflation ausgleichen, „werden die Bruttolöhne pro Kopf 2024 ähnlich stark wachsen wie 2023, und 2024 um rund 22% höher sein als 2021, als der Inflationsschub einsetzte“, schreibt das Wifo. Real sollen die Nettolöhne im kommenden Jahr um vier Prozent steigen. Der Privatkonsum soll daher deutlich zulegen und die Konjunktur stützen.

Und auch am Arbeitsmarkt sollen die Auswirkungen der Rezession überschaubar sein. Grund dafür ist der allgemeine Fachkräftemangel, der dazu führt, dass Unternehmen Mitarbeiter auch dann nicht kündigen, wenn sie Überkapazitäten haben, weil die Sorge zu groß ist, dass diese im nächsten Aufschwung wieder verfügbar sind.

Die Auswirkungen

Allerdings beeinflussen die starken Lohnsteigerungen auch die Wettbewerbsfähigkeit. „Es ist klar, dass das ein massiver Schluck aus der Pulle ist“, so Felbermayr. „Wir sehen, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit sinkt.“ Bereits im Sommer erklärten die Ökonomen, dass die Lohnstückkosten in Österreich so stark angestiegen sind wie seit 30 Jahren nicht mehr. Und das ist auch eines der Risiken für den Aufschwung. „Eine stärkere Eintrübung des heimischen Arbeitsmarkts infolge stark anziehender Lohnstückkosten oder eine ausbleibende Belebung der internationalen Industriekonjunktur würde den Aufschwung im nächsten Jahr gefährden“, so das IHS.

Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass auch die Betriebsüberschüsse trotz Rezession heuer um fünf Prozent zulegen sollen. Dies, nachdem sie bereits 2022 um 8,5 Prozent expandierten. Also auch die Unternehmen verdienen besser. „Dieser für eine Abschwungphase unüblich kräftige Anstieg wird durch die starken Preissteigerungen ermöglicht“, so das Wifo. Allerdings werde es im kommenden Jahr – ebenfalls unüblich – trotz des Aufschwungs sinkende Betriebsüberschüsse geben. Für Wifo-Chef Felbermayr ist dies eine logische Folge der bei den Lohnverhandlungen üblichen Benya-Formel, laut der steigende Preise zeitversetzt auch die Löhne anheben.

In Summe erwartet das Wifo, dass der Realwert des BIP pro Kopf per Ende 2024 nur knapp über dem Niveau vor Beginn der Coronakrise liegt. „Wir stehen zwar einen Schatten besser da als Deutschland, haben uns aber im Vergleich zu Italien, Frankreich, Spanien oder den Niederlanden schlechter entwickelt“, so Felbermayr.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.