Kabarett

Wären Kabarettisten die besseren Politiker? Die „Staatskünstler“ suchen den Gegenbeweis

Florian Scheuba, Thomas Maurer und Robert Palfrader gründen eine Partei - in ihrem Programm „Alte Hunde – Neue Tricks“.
Florian Scheuba, Thomas Maurer und Robert Palfrader gründen eine Partei - in ihrem Programm „Alte Hunde – Neue Tricks“.www.zweischrittweiter.at
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Die Zustände kritisieren, aber es selbst nicht besser können: Diesem Vorwurf sind Satiriker ausgesetzt. In ihrem neuen Bühnenprogramm erarbeiten die „Staatskünstler“ Florian Scheuba, Thomas Maurer und Robert Palfrader nun ihr eigenes absurdes Parteiprogramm.

In Russland Geschäfte zu machen, ist gar nicht schwer. Einige Dinge gilt es zu beachten – aber zum Glück hat etwa die Österreichische Wirtschaftskammer ein paar Tipps parat. Im heurigen März – über ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, veröffentlichte sie eine Broschüre mit dem denkbar unglücklich gewählten Titel „Russland los geht’s“. Darin zu finden waren Tipps für den Markteintritt und u.a. diese Passage, die als Aufforderung zur Bestechung verstanden werden kann: „Große Ermessensspielräume, informelle Netzwerke und niedrige Gehälter einfacher Beamter begünstigen Problemsituationen, die zu unorthodoxen Vorgehensweisen führen können.“

Der Polit-Satiriker Florian Scheuba machte in seiner „Standard“-Kolumne darauf aufmerksam. Die Passage – die übrigens wortgleich im deutschen Ratgeberbuch „Russlandknigge“ von 2014 erschienen war – verschwand daraufhin aus der WKO-Broschüre, neben einigen anderen Teilen. Für Scheuba und seine beiden Satire-Partner Thomas Maurer und Robert Palfrader jedenfalls ein gefundenes Fressen: An den Absurditäten und Skandalen der heimischen Innenpolitik arbeitet sich das Trio „Wir Staatskünstler“ seit Jahren routiniert ab. Auch im neuen Programm „Alte Hunde – Neue Tricks“, das am Dienstag im Wiener Rabenhof Theater Premiere hatte, wird im üblichen zynisch-empörten Gestus über verwechselte E-Mail-Adressen, Inseratenkorruption und fragwürdige Russland-Tipps gewitzelt. Pointiert und durchdacht.

Bier war vergeben, also: Hund-Partei

Vor allem stellen sich die „Staatskünstler“ aber dem alten Vorwurf, dass es leicht sei, die Politik immer nur zu kritisieren, ohne es selbst besser zu können. (Ein freilich unzulässiger: Ist es doch gerade die Funktion der Satire, Missstände bloßzustellen.) Sie gründen also eine Partei – und landen halb aus Versehen im Wahlkampf. Was sich im Laufe des Abends als guter dramaturgischer Bogen erweist, nicht nur um politische Zumutungen auf die Spitze zu treiben. Ein herrlich böser Sketch: die Sitzung einer „Bundeskommission für systematische Inseratenkorruption“, die das Ziel hat, die Boulevard-Fütterung mittels Regierungszuwendungen in den Verfassungsrang zu heben.

Unter Kabarett-Kolleginnen und Kollegen wird nach Spitzenkandidaten gesucht (was charmante Gast-Videos von Michael Niavarani, Malarina und Flüsterzweieck zutage fördert), das Parteiprogramm wird indessen ChatGPT überlassen. Inhalte sind schließlich nebensächlich, die Form zählt, wissen die Experten: Emotionen braucht es, Identifikationsfiguren, Hunde! Das Thema Bier ist politisch ja schon an die Bierpartei vergeben. Der Politiker als bester Freund des Menschen: „H.U.N.D.“ steht für „Humanistische Union neuer Demokraten“. Vor allem aber auf ein Thema, gegen das ein Gros der Österreicherinnen und Österreicher nix haben kann (einen Verweis auf die tödliche Attacke eines Kampfhundes auf eine Joggerin in Oberösterreich neulich verkneifen sich die Kabarettisten).

Popsong gegen Bodenversiegelung

Also borgt sich Thomas Maurer einen Bullterrier aus, in einem Video tollen die Herren mit ihren Vierbeinern in einem Brunnen wie im „Friends“-Serienintro. Die Streitschrift gegen Bodenversiegelung wird zum veritablen Kabarett-Popsong, der mit Kollege Paul Pizzera aufgenommen wurde: „Es ist so schiach do, aber das gilt als normal“ singen die Staatskünstler über die Stripmallisierung der Ortsränder und die Gleichförmigkeit der Kreisverkehr-Baumarkt-Fressnapf-Ensembles. Daneben zeigen sie, wie verblüffend sie die Rhetorik diverser österreichischer Rechtspopulisten wiedergeben können. Entscheidend ist die Anrede: „Liebe Freunde!“

Der Wechsel zwischen harter politischer Satire und heiterer Blödelei tut dem Abend gut. Zu lachen gibt es viel. Zu denken auch ein bisschen: Über Politikverdrossenheit etwa und die Frage, ob Satiriker, die sich als visionslose Protest-Politiker stilisieren, die vor allem auf eigene Vorteile und 6500 Euro Netto-Abgeordnetengehalt schielen, diese Verdrossenheit fördern oder bekämpfen. Und ob Polit-Satire nicht immer auch Wähler-Satire ist. Letztere fällt durchaus bitter aus an diesem sonst sehr vergnüglichen Abend: Wer einen Kasperl wählt, hat diesen demnach vielleicht einfach verdient.

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