Kritik

Bachmann-Film: Freier als bei Frisch – mit Gruppensex und in der Wüste

Frei von Frisch? Vicky Krieps in „Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste“.
Frei von Frisch? Vicky Krieps in „Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste“.Alamode Film
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Er braucht Zürich, sie Rom, er kann neben ihr arbeiten, sie nicht mehr schreiben: Der Film »Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste« erzählt von Bachmanns unglücklicher Beziehung zu Max Frisch. Und weckt Verständnis für zwei Menschen, die es miteinander einfach nicht schaffen können.

Sie kriegt hier keinen guten Espresso! Sie hält das Klappern seiner Schreibmaschine nicht aus! Sie vermisst ihre Freunde, vermisst Rom! Ingeborg Bachmann kann einem leid tun, wenn sie sich im Bett der Zürcher Wohnung wieder einmal die Ohren zuhält. Oder Max Frisch, wenn er in Rom zum Schneider gezerrt wird, weil Bachmann aus ihrem fülligen, bieder aussehenden Partner einen schicken Römer im hellen Sommeranzug machen will: Er fühlt sich verkleidet, wie ein Clown.

Für Beziehungserfahrene gibt es in dem Film viele Gelegenheiten zum wissenden Mitfühlen – einmal mehr mit Vicky Krieps, einmal mehr mit Ronald Zehrfeld, meist mit beiden. Dafür sorgt die Empathie weckende Darstellung der zwei sympathischen und famos spielenden Schauspieler, und dafür sorgt Drehbuchautorin und Regisseurin Margarethe von Trotta. Man merkt, sie ist beiden wohlgesonnen. Was sich von vielen früheren Darstellungen dieser Schriftstellerbeziehung wahrlich nicht sagen lässt.

Galt doch lange Zeit, geprägt von der Perspektive der Autorin, Max Frisch als der „bad guy“, der sie verließ, schuld an Bachmanns großem Trauma. Ohne Zweifel blieb das nicht, aber erst 2022 machte der jahrzehntelang unter Verschluss gehaltene Briefwechsel zwischen Frisch und Bachmann eindeutig, dass dieses Bild so nicht haltbar ist. Von Trotta stilisiert Bachmanns Ägyptenreise 1964 zur Rettung, in der Wüste und beim Gruppensex. Der Hauptteil besteht aber in den Rückblenden auf die Beziehung mit Frisch. Das Schreiben spielt dabei eine wichtige Rolle. „In Rom wird meine Schreibmaschine genauso laut sein“, gibt Frisch ratlos zu bedenken. Er will ihr ein Büro organisieren. Aber trotz aller seiner Aufmerksamkeiten hält es Bachmann bei ihm in Zürich nicht aus. Frisch wiederum quält sie mit seiner Eifersucht, spürt wohl auch, dass sie anderes, andere sucht. Als Bachmann seine Notizen über sie findet, fühlt sie sich zum Studienobjekt degradiert, verraten. Es ist der Anfang vom Ende.

Mit Weichzeichner. Ein Weichzeichner liegt hier über allem, auch musikalisch. Die Ägyptenpassagen streifen den Kitsch. Doch als Beziehungsporträt ist der Film äußerst berührend. Gerade deswegen, weil er im Grunde nicht zwei berühmte Autoren zeigt, sondern zwei Menschen, die es miteinander einfach nicht schaffen können, so sehr sie es auch versuchen.

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“, ab 13. Oktober im Kino

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