Gesundheit

Lungenkrebs: Früherkennung entscheidend für Überleben

Durch eine niedrig dosierte Computertomografie-Untersuchung kann Lungenkrebs früh erkannt und behandelt werden. 
Durch eine niedrig dosierte Computertomografie-Untersuchung kann Lungenkrebs früh erkannt und behandelt werden. APA/Fohringer
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Fachärzte fordern das Etablieren eines interdisziplinären, auf Österreich zugeschnittenen Vorsorgeprogramms. Dabei gehörten auch geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigt.


Was Lungenkrebs so gefährlich macht, ist vor allem das Fehlen verlässlicher Frühsymptome. Daher wird diese Erkrankung zumeist in einem weit fortgeschrittenen Stadium mit begrenzten Therapiemöglichkeiten entdeckt. Vor diesem Hintergrund fordert die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) ein „wohldurchdachtes Früherkennungsprogramm, um den Zeitpunkt der Diagnose deutlich nach vorne zu verlagern“.

„Nur etwa 20 Prozent der Lungenkarzinome in Österreich werden im Frühstadium entdeckt, fast die Hälfte erst im letzten Stadium (mit der Bildung von Metastasen). Während bei frühzeitiger Diagnose und Therapie die 5-Jahres-Überlebensrate rund 90 Prozent beträgt, haben wir bei spätem Erkennen nur eingeschränkte Behandlungsoptionen. Die Prognose ist dann deutlich ungünstiger“, sagt Bernd Lamprecht, Vizepräsident der ÖGP und Vorstand der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie am Kepler Universitätsklinikum in Linz, bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Anlass ist die Jahrestagung kommende Woche in Graz unter der Leitung von ÖGP-Präsident Gabor Kovacs.

Lungenkrebs gehört zu den häufigsten und am schnellsten wachsenden Krebsarten überhaupt. Der Statistik Austria zufolge stand diese Erkrankung 2019 mit 2061 Fällen bei Frauen und 2777 Fällen bei Männern jeweils an zweiter Stelle der Krebsneuerkrankungen – bei Männern hinter Prostatakrebs und bei Frauen hinter Brustkrebs. Mit etwa jedem fünften Todesfall nahm Lungenkrebs bei Männern den ersten Platz unter den krebsbedingten Todesursachen ein, bei Frauen den zweiten – nach Brustkrebs.

Senkung der Sterblichkeit

„Wir verfügen über zunehmend mehr Daten, die belegen, dass Lungenkrebs-Screenings die Sterblichkeit senken. Denn mittels regelmäßiger Low-Dose-Computertomographie-Untersuchungen wird Lungenkrebs in frühen Stadien entdeckt, in denen eine Heilung fast immer möglich ist“, sagt Lamprecht. „Die Sterblichkeit bei Risikogruppen wurde so in einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren um rund 20 Prozent reduziert, bei Frauen sogar um 40 bis 60 Prozent.“

Bernd Lamprecht, Vizepräsident der ÖGP und Vorstand der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie am Kepler-Universitätsklinikum in Linz.
Bernd Lamprecht, Vizepräsident der ÖGP und Vorstand der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie am Kepler-Universitätsklinikum in Linz.„Die Presse“

Neben der primären Prävention der Erkrankung, zu der in erster Linie ein Verzicht auf das Rauchen gehört, bedürfe es also auch einer Verbesserung der Möglichkeiten zur Früherkennung – vor allem für Personen mit erhöhtem Risiko. „Diese Personen sind in erster Linie durch ihr Alter definiert“, so Lamprecht. „Und natürlich spielt es eine Rolle, ob sie Raucher sind bzw. waren.“ Die ÖGP biete sich nun jedenfalls an, im Auftrag des Gesundheitsministeriums „ein geeignetes Früherkennungsprogramm passend zu den vorhandenen Strukturen des österreichischen Gesundheitssystems“ zu entwickeln. Damit es auch umgesetzt wird, brauche es die Einbindung und die Bereitschaft aller beteiligten Fachdisziplinen, insbesondere der Radiologen. „Die Vorgehensweise muss konzertiert, interdisziplinär und auf Österreich zugeschnitten sein“, so Lamprecht. „Andere Länder zu kopieren, in denen solche Konzepte bereits umgesetzt werden, ist nicht zielführend.“

Hormonelle Einflüsse

Auf die unterschätzten geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Lungenerkrankungen weist Judith Löffler-Ragg hin, Generalsekretärin der ÖGP und Leiterin der Abteilung für Pneumologie am LKH Hochzirl-Natters. Noch immer werde zu wenig berücksichtigt, wie sehr sich das biologische (Sex) und soziale Geschlecht (Gender) auf die Gesundheit bzw. Krankheit auswirken könne. „Beispielsweise sind hormonelle Einflüsse auf die Manifestation von Asthma in der Pubertät, Schwangerschaft und Menopause mit dem weiblichen Geschlecht verbunden. Der Einfluss von Biomassebrennstoffen bei offenen Herden auf die Lungenphysiologie und Lungenkrankheiten bei Frauen in Ländern mit niedrigem Einkommen hängt wiederum mit der gesellschaftlichen Rolle der Frau zusammen und ist daher ein Gender-Effekt“, erklärt sie. „Das Verständnis dieser Unterschiede ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer geschlechtsspezifischen Präzisionsmedizin, die die unterschiedlichen Erfordernisse der – biologischen und sozialen – Geschlechter berücksichtigt.“

Umso erstaunlicher sei, dass in den vergangenen Jahrzehnten Geschlecht und Gender bei Studien häufig nicht berücksichtigt wurden – obwohl sich das Ansprechen auf die Therapie und die Arzneimittelsicherheit je nach Geschlecht unterscheiden könne. Wie wichtig diese Erkenntnisse sind, verdeutlicht Löffler-Ragg anhand eines Beispiels: „Bei der Interaktion mit weiblichen Patienten sollte berücksichtigt werden, dass ihre Symptome möglicherweise nicht den traditionell akzeptierten Darstellungen entsprechen. Männer mit COPD etwa haben häufiger typischen Husten mit Auswurf als Frauen (die wiederum häufiger einen Leistungsknick aufweisen) und werden daher schneller diagnostiziert.“ Ein anderes Beispiel: Atembeschwerden würden bei Frauen häufig nicht erkannt und als „psychisch“ fehlinterpretiert.

„Es gibt nicht nur einen Mangel an Daten, sondern auch einen Mangel an Awareness, also im Wahrnehmen und Beachten der Eigenheiten, die man heute schon kennt“, sagt die Ärztin. „Als Klinikerinnen und Kliniker müssen wir die eigene Voreingenommenheit erkennen und bewusst darauf hinarbeiten, Vorurteile zu erkennen und zu beseitigen.“

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