Pizzicato

Bussi-Bussi-Diplomatie

Vom Handkuss über den Bruderkuss bis zum Wangenkuss war es ein weiter Weg. Das Letzte, was Europa braucht, ist ein neuer Küsserkönig à la Luis Rubiales.

Man kennt sich, man duzt sich, man küsst sich. Europas Außenministerinnen und Außenminister treffen sich im Wochenrhythmus in Brüssel, in einer der Hauptstädte oder bei Kon­ferenzen rund um den Erdball. Seit Ende der Pandemie ist die Diplomatie wieder zum Flying Circus mit Bonusmeilen geworden.

Wenn nicht gerade Sergej Lawrow, der Chefpropagandist des Kreml, als Partycrasher dazustößt, herrscht eine zwanglose, amikale Atmosphäre. Vom Handkuss über den Bruderkuss bis zum Wangenkuss war es ein weiter Weg, umso herzlicher pflegt die Diplomatie das Bussi-Bussi-Ritual. Als Küsserkönig berüchtigt war Jean-Claude Juncker, der selbst Viktor Orbán geherzt hat.

In Gordan Grlić Radman, dem kroatischen Außenminister, fand sich ein Nachfolger. Beim EU-Außenministertreffen in Berlin drückte er der Gastgeberin einen Schmatz auf die Wange, der beinahe in die untere Region des Gesichts abgerutscht wäre, hätte sich Annalena Baerbock nicht reflexartig weggedreht – neben Augenzeugen wie Alexander Schallenberg oder Dmytro Kuleba. „Kuss­attacke“, echauffierten sich Kritiker in Kroatien. Radmans prompte Entschuldigung wendete eine Staatsaffäre ab. Ein Fall Rubiales – ein übles Foul wie in Spaniens Frauenfußball – hätte der internationalen Diplomatie gerade noch gefehlt.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

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