Start-up-Konferenz

Web Summit in Lissabon – 900 Investoren und 2700 Start-ups

Imago/Ãlvaro Isidoro
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Boykottaufrufe und eine Regierungskrise: Vom Skandal rund um den Vater des Web Summit ist in Lissabon nichts mehr zu spüren. Zwischen den 70.000 Teilnehmern tummeln sich 900 teils finanzkräftige Investoren, die unter 2700 anwesenden Start-ups das eine unentdeckte Unicorn suchen. Auch aus Österreich sind mehr als 300 Unternehmen angereist.

Von der Aufregung rund um den mittlerweile zurückgetretenen Chef und Gründer der Start-up-Konferenz, Paddy Cosgrove, ist in Lissabon nichts zu spüren. Zu sehr sind die 70.000 Besucher damit beschäftigt, in den drei Tagen die neuesten Start-ups zu entdecken, Investoren zu finden und sich zu vernetzen. Das Publikum ist international, die Teilnehmer kommen aus mehr als 160 Ländern. Die portugiesische Hauptstadt begrüßt bereits seit 2016 Start-ups, Unternehmen und Investoren zum Web Summit, heuer eben ohne den Iren Cosgrove. Die designierte Nachfolgerin, Katherine Maher, hat in den vergangenen drei Wochen Schadensbegrenzung betrieben. Mit durchaus ansehnlichem Erfolg.

Facebooks Mutterkonzern Meta, Google sowie auch der deutsche Vizekanzler, Robert Habeck (Grüne), teilten mit, dass sie aufgrund der Aussagen zum Nahostkonflikt von Web-Summit-Gründer Paddy Cosgrave nicht an der dreitägigen Konferenz teilnehmen würden. Der Rücktritt des Iren wurde zwar anerkannt, änderte aber nichts am Fernbleiben der Konzerne. Auch Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer hat sich entschieden, aus diesem Grund Lissabon heuer fernzubleiben und somit dem Boykott-Aufruf des israelischen Botschafters in Portugal zu folgen. Die österreichische Delegation hingegen ist vor Ort, um die österreichischen Start-ups und etablierten Unternehmen zu unterstützen und, wie Michael Otter sagt, auch miteinander zu vernetzen. Immerhin seien insgesamt 300 österreichische Firmen bei der Konferenz, insgesamt 500 Österreicher, sagt der Leiter der Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich. Das sei die größte Delegation, die es in der Geschichte des Web Summit je gegeben habe. 

Österreich über und unter dem Wasser in Portugal

Auf einer Fläche von knapp 80 Quadratmetern sieht sich die Wirtschaftskammer Österreich mit ihrem Stand als Anlaufstelle für die zahlreichen Unternehmer, die nach Lissabon gereist sind. Freilich sei auch der prekär werdende Fachkräftemangel hier in Lissabon präsent, weswegen man durchaus aktiv auf die Suche gehe. Und das Interesse sei groß. Österreich sei ein attraktives Land für Fachkräfte, und hier gehe es darum, zu vermitteln. Denn das Land sei „zwar nicht für viele Big Player bekannt, aber durchaus für seine Familienunternehmen sowie für Marktführer in Nischenbereichen“. Diese Synergien gelte es zu nützen. Das funktioniere auch in die andere Richtung, wie Esther Maca ausführt.

Die Wirtschaftsdelegierte lebt seit Sommer 2019 in Portugal und weiß von zahlreichen österreichischen Exporten zu berichten. Das reiche von der Doppelmayr-Gondel an der Küste der portugiesischen Hauptstadt bis unter die Wassergrenze: Das Unternehmen Subtron zeichne für die Schiffsrevisionen unter Wasser verantwortlich. Doch auch die Rolltreppen auf Portugals Flughäfen sind aus österreichischer Produktion, und die Regale, die die Bücher des Kulturzentrums in Belem, einem Vorort Lissabons, beherbergen, kommen aus Österreich. 

Während die Wirtschaftskammer auch das Verkuppeln zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen als ihre Aufgabe sieht, buhlen 2700 Start-ups um die Gunst von 900 finanzkräftigen Investoren. 

Signal-CEO warnt vor utopischen KI-Versprechen

Und während auch auf der diesjährigen Konferenz das Thema künstliche Intelligenz allgegenwärtig ist, befindet sich die Signal-Chefin, Meredith Whittaker, in Lissabon auf einer ganz persönlichen Aufklärungsmission. In ihren Keynotes und Interviews warnt sie davor, dass sich die Geschichte einmal mehr wiederhole. Wir hätten jetzt noch die Möglichkeit, die Reißleine zu ziehen: „Das Geschäftsmodell für KI darf nicht schon wieder die Privatsphäre untergraben“, sagt sie. Einmal mehr seien es aber die altbekannten Konzerne, die federführend beim Einsammeln kritischer persönlicher Daten und Informationen sind, wie sie sagt. Abschließend warnt sie vor den utopischen Versprechen eben dieser IT-Riesen aus dem Silicon Valley. Denn Technologie sei nicht in der Lage, die Probleme dieser Welt zu lösen. Zwar könne sie dazu beitragen, aber ohne politischen Willen ließen sich Hunger, Dürren, Kriege und der Klimawandel nicht lösen. 

Anders sieht das Andrew McAfee vom MIT (Massachusetts Institute of Technology). Der Forscher und Autor ist davon überzeugt, dass künstliche Intelligenz eben genau dazu in der Lage ist. Ganz ohne Hilfe der Politik. Er kritisiert gar die Regulierungen der EU (AI Act) und der USA (Executive Order). Innovation müsse ohne Einschränkungen möglich sein, wie er in seiner Keynote sagt, die er absichtlich kontroversiell anlegte: „Ich bin der Meinung, dass wirkliche Innovation nicht in einem überregulierten Umfeld stattfinden kann“, sagt der Amerikaner, räumt aber ein, dass Gesetze durchaus vor Schaden und negativen Auswirkungen schützen können. 

Fest steht, dass künstliche Intelligenz nicht mehr wegzudenken ist, das zeigen auch die zahlreichen Anwendungen, die von den knapp 3000 Start-ups in Lissabon gezeigt werden. Die Kehrseite ist jedoch, dass die meisten den Kern dieser Technologie von OpenAI lizenzieren. 

Disclaimer: Die Reise nach Lissabon findet auf Einladung der WKO statt. Die Berichterstattung erfolgt in redaktioneller Unabhängigkeit.

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