FPÖ-Wahlkampftour

„Es wird rauschen“: Kickls Dampfwalze im Zieleinlauf

Beim freiheitlichen „Heimatherbst“ in Seekirchen am Wallersee versprach FPÖ-Chef Herbert Kickl die „totale Hinwendung zum Volk“ - und prognostizierte „Verletzungen“ rund um eine blaue Machtübernahme
Beim freiheitlichen „Heimatherbst“ in Seekirchen am Wallersee versprach FPÖ-Chef Herbert Kickl die „totale Hinwendung zum Volk“ - und prognostizierte „Verletzungen“ rund um eine blaue MachtübernahmeSusi Berger / Camera Suspicta
  • Drucken

Seit einem Jahr steht eine mit Herbert Kickl radikalisierte FPÖ in Umfragen auf Platz eins. Bei der letzten Station seiner ersten Wahlkampftour zeigte der Freiheitlichen-Chef, wie er sich dort behaupten will – und Corona als Hauptthema hochhält.

Wer sich erkundigen will, wie es gerade um die Freiheitlichen bestellt ist, der ist am Freitagabend im Gasthof zur Post im Salzburger Städtchen Seekirchen am Wallersee ganz gut aufgehoben. „Heut siehst endlich deinen Herbert“, sagt ein Mann am Eingang des Wirtshauses zu seiner Begleiterin, noch aber heißt es warten. Vor ihnen staut es bereits, obwohl die Veranstaltung, zu der die FPÖ geladen hat, offiziell erst in einer guten Stunde beginnt. Der Saal des Postgasthofs ist bereits rappelvoll, sodass die Kellnerinnen mit ihren Tabletts voll Bier und Frankfurter kaum weiterkommen. Es ist stickig und dunstig im Saal, ein älterer Mann mit aufgezwirbeltem Schnurrbart fächelt sich mit einem der umherliegenden „Festung Österreich“-Flyer Luft zu, Fensterscheiben und Brillengläser laufen an, und es ist so laut, dass die Sängerin auf der Bühne kaum zu hören ist, als sie den Bierzeltkracher „Ich fange nie mehr was an einem Sonntag an“ schmettert. Später wird sich Marlene Svazek, Gastgeberin und blaue Vizelandeshauptfrau in Salzburg, dafür entschuldigen, „dass leider nicht jeder einen Sitzplatz hat“.

Kurzum: Vier Jahre nach dem Ibiza-Crash und gerade einmal zwei Jahre nach dem zu Kickls Gunsten ausgegangen Machtkampf um die Parteispitze füllt die FPÖ längst wieder Hallen und Bierzelte, und sie tut es schon den ganzen Herbst. Seit Wochen tuckert Kickl mit der „Heimatherbst“-Tour durch Österreich, und dabei kann man sich nicht nur die bekannten „Volkskanzler“-Träume des FPÖ-Frontmannes anhören. In der blauen Wahlkampfkarawane sind allerhand Handwerker dabei, die FPÖ rief sogar dazu auf, Messer mitzubringen, um sie beim „Heimatherbst“ schleifen zu lassen.

Eine Partei, die buchstäblich die Messer wetzt? Ganz normal sei das, sagt die FPÖ, das sei „gelebte Nachhaltigkeit“, weil man sich dadurch keine neuen Feiteln kaufen müsse. Am Freitagabend, bei Kickls letzter Station auf der Tour durch Österreich, sind die Messerschleifer allerdings daheimgeblieben, lediglich der FPÖ-Schneiderwagen parkt vor der Tür. Drin werkt zwischen Heizschwammerl und Plastikblumen eine Frau mit Maßband um den Hals an einer Nähmaschine, immer wieder drücken ihr FPÖ-Fans Wäsche in die Hand, vom breitschultrigen Mann in einer Jacke mit der Aufschrift „Unvaccinated“, der seine Arbeitskleidung flicken lassen möchte, bis hin zur Pensionistin mit einem zu kürzenden Mantel – bezahlt wird von der FPÖ. Das kam so: Beim FPÖ-Neujahrsauftakt in ihrer Heimat Wiener Neustadt wollte die Schneiderin schlichtweg Herbert Kickl kennenlernen, hernach bat man sie, als Schneiderin mit auf Tour zu gehen. Ihr Mann nennt Kickl „genial“, die Aktion komme gut an, schließlich gebe es ja kaum mehr Schneider im Land. Vor allem keine einheimischen.

Anwalt der Impfgegner

Eine Kundin an diesem Abend ist eine Frau um die 50, die einen an der englischen Südküste im Secondhand erstandenen Mantel ausbessern lässt, er ist am unteren Ende nur mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten. Sie muss erst dazu überredet werden, der Schneiderin nichts zu bezahlen und plaudert freundlich mit Umherstehenden. Dabei erzählt sie, dass sie in Schottland Umweltwissenschaften studiert habe und einst Grün gewählt habe. Hat sich die Dame hierher verirrt, zwischen all die Männer in FPÖ-Parteijacken und „Nicht mein Präsident“-Leiberln? Hat sie nicht: Seit dem „Coronawahnsinn“, wie sie sagt, sei sie FPÖ-Mitglied, sie wollte sich nicht impfen lassen und sei immer noch beseelt vom „wunderbaren Zusammenhalt und der tollen Stimmung“ bei den Demos. Mit der FPÖ hatte sie zuvor zwar nichts zu tun, aber Kickl und die FPÖ seien damals „die Einzigen“ gewesen, die gegen den „übergriffigen Staat“ auftraten. Gekommen ist sie diesmal alleine, aber sie werde ja im Saal vielleicht jemanden von den Coronademos treffen.

Und die Chancen dafür stehen an diesem Abend nicht schlecht, denn hier ist Corona im Gegensatz zur öffentlichen Debatte immer noch ein Riesenthema. FPÖ-General Michael Schnedlitz ruft den Blauen zu, dass man sich bald in „der Stunde null“ – gemeint ist die nächste Nationalratswahl – bei den „Volksverrätern“ für alles revanchieren könne, „was sie euch bei Corona angetan haben“. Ungeimpfte seien „schlimmer behandelt worden als die Verbrecher in Wean draußen“, die Regierung werde „die Rechnung für den Impfzwang“ präsentiert bekommen. Kickl wird später vom kürzlich begangenen zweiten Jahrestag des „Lockdowns für Ungeimpfte“ und dem „Impfzwang, den man euch angetan hat“ reden – und damit Jubel auslösen. Die „Einheitspartei“ traue sich nun nicht einmal, sich dafür zu entschuldigen, „dass sie euch eingesperrt hat“, so Kickl. „Dass wir die Impfpflicht gemeinsam gehoben haben“, das sei nur der erste Schritt gewesen, „aber wir sind erst in der Halbzeit.“ In der zweiten Hälfte gehe es nun um die „Volkskanzlerschaft“ und die Abwahl der „größten Versager, die je Regierungsämter innehatten“. Die Antwort aus dem Publikum: „Herbert! Herbert! Herbert!“

In Seekirchen wird einmal mehr sichtbar, wie erfolgreich aus FPÖ-Sicht das riskante Unterfangen war, sich an die Spitze der Coronademos zu setzen, mitsamt Aufrufen zum Wurmmittelverzehr und dergleichen mehr. Laut Meinungsforscher Peter Hajek deutet momentan nichts darauf hin, dass sich die in der Pandemie zur FPÖ Gekommenen mangels Coronaeinschränkungen wieder von den Blauen abwenden: „Die sind gut gebunden, das ist überhaupt kein Problem.“ Schließlich projiziere Kickl die „Wir da unten gegen die da oben“-Erzählung aus Coronatagen auf alle anderen Bereiche. „Die sind immer noch so wütend, die bleiben dabei“, erzählt ein FPÖ-Mann, und das Thema werde man bis zur Wahl weiter hochhalten.

„Wird Verletzungen geben“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.