Stichwahl

Trump-Fan Milei gewinnt Präsidentenwahl: Argentinien steuert in eine turbulente Zukunft

Javier Milei und seine Vizepräsidentin Victoria Villarruel jubeln nach gewonnener Wahl ihren Fans in Buenos Aires zu.
Javier Milei und seine Vizepräsidentin Victoria Villarruel jubeln nach gewonnener Wahl ihren Fans in Buenos Aires zu.Reuters / Cristina Sille
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Der Fan von Trump und Bolsonaro gewinnt deutlich und verspricht eine drastische Kurswende. Er will den Schuldenberg verkleinern und den argentinischen Peso durch den US-Dollar ersetzen. Schon am Montag drohen massive Preissprünge nach oben.

Argentinien hat einen historischen Umbruch beschlossen. Mit einem viel größeren Vorsprung als von allen Demoskopen vorausgesagt hat Javier Milei die Stichwahl um die Präsidentschaft des 47-Millionen-Landes gewonnen. Der selbst erklärte „liberal-libertäre“ Ökonom wird ab dem 10. Dezember das wirtschaftlich schwerst angeschlagene Land übernehmen.

Nach einem achtmonatigen Wahlkampf, der die Gesellschaft spaltete, erreichte der Kandidat der erst vor zwei Jahren gegründeten Partei „La Libertad Avanza“ einen Sieg mit fast zwölf Prozentpunkten Vorsprung. Es war eine für argentinische Verhältnisse schnelle Entscheidung. Bereits gegen 20 Uhr erklärte der Gegenkandidat, der bisherige Finanzminister Sergio Massa, seine Niederlage und gratulierte Milei, den er seit vielen Jahren kennt.

Für Massas Anhänger war der Wahlabend eine herbe Enttäuschung.
Für Massas Anhänger war der Wahlabend eine herbe Enttäuschung.APA / AFP / Juan Mabromata

Gemäßigte Siegesrede: „Freien Handel respektiert“

Um 21.54 Uhr Orstzeit hielt Milei dann seine erste Ansprache als gewählter Präsident, die er in gemäßigter Wortwahl vortrug. Er sprach 17 Minuten lang, sagte aber wenig Konkretes. „Heute beginnt der Wiederaufbau Argentiniens, es ist eine historische Nacht. Ich will eine Regierung, die ihren Verpflichtungen nachkommt, die das Privateigentum und den freien Handel respektiert“, erklärte Milei und bot anderen Kräften und Führern an, sich seinem Projekt anzuschließen. „Die Situation des Landes ist dramatisch, es gibt keinen Platz für Gradualismus, für halbe Schritte“, sagte der Wahlsieger. Die Bekämpfung von Inflation, Armut, und Unsicherheit seien für ihn die dringendsten Herausforderungen. „Argentinien hat eine Zukunft und diese ist liberal“, so Milei, der versprach, dass das Land in 35 Jahren „eine Weltmacht“ sein werde. Er schloss seine Rede mit den Rufen „Es lebe die Freiheit“ und „Gott segne die Argentinier“.

Tatsächlich hat Milei einen Erdrutschsieg errungen. In mehreren wichtigen Provinzen im Landesinneren erreichte er Mehrheiten jenseits der Zwei-Drittel Marke. In Córdoba, dem Herz des Landes, kam er auf fast 75 Prozent, in der Andenprovinz Mendoza, ebenfalls eine der wichtigen Wirtschafts-Provinzen, erreichte er mehr als 71 Prozent. Insgesamt konnte Massa nur in drei der 24 Provinzen gewinnen, ein dramatischer Kontrast zur ersten Wahlrunde vier Wochen zuvor. Am 22. Oktober hatte Massa mit 37 Prozent noch den ersten Platz erreicht.

Bei den Anhängern von Milei herrschte großer Jubel in der Hauptstadt Buenos Aires.
Bei den Anhängern von Milei herrschte großer Jubel in der Hauptstadt Buenos Aires.Reuters / Adriano Machado

Pakt der unterlegenen Kandidaten mit Milei

Milei profitierte davon, dass fast alle Wähler, die in der ersten Runde Parteien aus der Mitte gewählt hatten, nun für ihn stimmten. Das war die Folge eines Paktes, den die unterlegene Mitte-Rechts-Kandidatin Patricia Bullrich und der Ex-Präsident Mauricio Macri mit Milei schlossen. Wahlhelfer der Macri-Partei PRO bewachten in Tausenden Wahllokalen die Milei-Stimmzettel. Nach den zwei vorausgegangenen Wahlgängen hatte Milei mehrfach Unregelmäßigkeiten nach der Stimmabgabe beklagt.

Mileis Triumph wirft eine Reihe von Fragen auf. Im Wahlkampf hatte er eine Reihe von umstrittenen Vorschlägen präsentiert. Er will den Staatshaushalt um 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entlasten, die Größe und den Aufgabenbereich des Staates deutlich reduzieren, Staatsbetriebe privatisieren und den US-Dollar einführen, anstelle des schwindsüchtigen Peso. Daneben hatte er sich auch für die Liberalisierung von Waffen- und Organhandel ausgesprochen und die Gräuel der letzten Militärdiktatur als „Exzesse im Krieg gegen die Subversion“ verharmlost. Vor allem wegen der Relativierung der Menschenrechtsverletzungen durch die Junta und seiner sehr aktiven Kontakte zur spanischen Rechtsaußenpartei Vox wird Milei im Ausland oft auch als rechtsextrem bezeichnet. Milei hat mehrfach seine Hochachtung vor Brasiliens Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro und vor allem vor Donald Trump ausgedrückt. Der ehemalige US-Präsident und Frontrunner der Republikaner vor der Wahl in einem Jahr gratulierte Milei in der Wahlnacht herzlich zum Sieg.

In drei Wochen wird Milei Argentinien übernehmen, aber bis dahin kann dem Land Schlimmes widerfahren, denn schon am Dienstag, nach einem verlängerten Wochenende, werden Zehntausende Produkte in den Supermärkten einen Preissprung machen, nachdem sie vom Finanzminister Sergio Massa bis zum Wahltag künstlich billig gehalten wurden. Ebenso werden die Preise für Energie, Verkehr, Krankenversicherungen und Telekommunikation steigen, denn alle waren von Massa künstlich gedrückt worden, um seine Wahlchancen zu erhalten.

Zentralbank besitzt keine liquiden Desvisenreserven mehr

Milei erklärte deutlich, dass er erwarte, dass die noch amtierende Regierung beginne, den Scherbenhaufen, den sie hinterlässt, zusammenzukehren. Dazu dürfte auch eine deutliche Abwertung des offiziellen Wechselkurses des Peso zum Dollar gehören. Ebenso das Öffnen der Bücher einer Finanzverwaltung, die nichts als Schulden hinterlässt. Importeure haben 20 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen Zulieferern, die Zentralbank besitzt keinerlei liquiden Devisenreserven mehr und steht auch mit 13 Milliarden Dollar in der Kreide. Weder der Internationale Währungsfonds noch China waren bereit, Argentinien noch Geld zu leihen.

Sergio Massa, der Minister, der im letzten Jahr die Hauptverantwortung für die Wirtschaft trug und der versuchte, mit unfinanzierbaren Steuergeschenken die Wahl zu gewinnen, hat am Wahlabend seinen Rücktritt aus der Politik bekannt gegeben. Bis zum Tag des Regierungswechsels hat er zudem Urlaub genommen. Die Übergabe seiner Regierungsgeschäfte an das Team von Javier Milei sollen seine Spitzenbeamten übernehmen.

Neuer Präsident Milei besetzt acht Ministerien

Milei hat bislang nur angedeutet, wer jene acht Ministerien leiten soll, die er weiter erhalten will. Unter Alberto Fernández gab es 18 Ministerien mit jeweils Tausenden Angestellten. Offenbar hat Ex-Präsident Mauricio Macri im Rahmen des Wahlpakts mehrere Ressorts für Vertreter seiner Partei PRO gefordert, die Rede ist insbesondere vom Außenministerium und dem Justizressort.

Milei wird deutliche Zugeständnisse an Macri machen müssen, denn seine junge Bewegung hat nur 38 Mandate im 259-Sitze-Kongress. Und im Senat sieht es für Mileis Gruppierung noch finsterer aus: Nur acht von 72 Senatoren stellt „La Libertad Avanza“ Um seine massiven Reformen durchzubringen, wird Milei den Rückhalt der traditionellen Rechten brauchen, aber wohl auch Hilfe aus dem peronistischen Lager. Das kann möglich werden, wenn sich Milei auf politische Deals mit peronistischen Gouverneuren einlässt. Aber solche Arrangements sind weder billig noch dauerhaft.

Die spannendste Personalentscheidung hat Milei noch für sich behalten: Den Namen des künftigen Ministers für Wirtschaft und Finanzen. Der wird aber in den kommenden Tagen bekannt werden, um die schon in der Wahlnacht nervös angesprungen Märkte zu beruhigen.

Reaktionen

Der frühere US-Präsident Trump gratulierte Milei. „Herzlichen Glückwunsch an Javier Milei zu einem großartigen Rennen um das Amt des argentinischen Präsidenten“, schrieb er auf der von ihm mitbegründeten Plattform Truth Social. „Ich bin sehr stolz auf Sie. Sie werden Ihr Land umkrempeln und Argentinien wirklich wieder großartig machen.“

Ohne seinen künftigen Kollegen direkt zu erwähnen, schrieb der linke brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva auf X: „Ich wünsche der neuen Regierung viel Glück und Erfolg. Argentinien ist ein großes Land und verdient unseren ganzen Respekt. Brasilien wird immer bereit sein, mit unseren argentinischen Brüdern und Schwestern zusammenzuarbeiten.“

Der linke kolumbianische Staatschef Gustavo Petro wählte harschere Worte. „In Argentinien hat die extreme Rechte gesiegt, das ist die Entscheidung der Gesellschaft. Traurig für Lateinamerika: Der Neoliberalismus hat keinen Vorschlag mehr für die Gesellschaft, er kann nicht auf die aktuellen Probleme der Menschheit reagieren.“

Unterstützung erhielt Milei hingegen aus Europa. „Glückwunsch, lieber Milei, zum großartigen Sieg bei den argentinischen Präsidentschaftswahlen“, schrieb der Vorsitzende der rechtspopulistischen spanischen Partei Vox, Santiago Abascal, auf X. „Es lebe Spanien, es lebe Argentinien, souverän und frei von Sozialismus.“

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