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Prozesstag 5

Schmid widerspricht Kurz – und muss am Freitag erneut vor Gericht

Der Angeklagte Ex-Kanzler Sebastian Kurz und der als Zeuge geladene Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid im Rahmen des Prozesses gegen Ex-Kanzler Kurz wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss.
Der Angeklagte Ex-Kanzler Sebastian Kurz und der als Zeuge geladene Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid im Rahmen des Prozesses gegen Ex-Kanzler Kurz wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss.APA / Roland Schlager
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Ex-Kanzler Sebastian Kurz wird falsche Beweisaussage rund um die Staatsholding Öbag vorgeworfen – er bestreitet. Am Montag wurde deren Ex-Chef als Zeuge befragt: Thomas Schmid belastete dabei seinen einstigen Vertrauten schwer – und wird am 15. Dezember weiter einvernommen. „Die Presse“ berichtete live aus dem Gericht.

„Schauen Sie, mit Freundschaften ist das so eine Sache“, sagte Thomas Schmid gleich zu Beginn seiner Zeugeneinvernahme durch Richter Michael Radasztics. Vor einigen Jahren hätte er noch gesagt, ja, man sei befreundet gewesen. Mittlerweile aber habe er „einen Neustart gemacht und dazu gehört auch, dass man mit diesen Leuten nichts mehr zu tun hat“. Gemeint hat der einstige Generalsekretär im Finanzministerium und spätere Alleinvorstand der Staatsholding Öbag damit Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli (alle ÖVP). Letztere beiden saßen am Montag eineinhalb Meter hinter ihm im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts – als Angeklagte, während Schmid darum bemüht war, den Kronzeugenstatus und damit Straffreiheit zu erlangen. Denn: Gegen den Tiroler wird etwa in der Causa um angeblich manipulierte Umfragen durch das Finanzministerium zugunsten von Kurz ermittelt.

Zurück zum aktuellen Fall, in dem es um den Verdacht der Falschaussage durch Kurz und Bonelli geht. Beide Angeklagte bestreiten, dass sie im U-Ausschuss des Parlaments ihre Rolle bei den Postenbesetzungen rund um die Öbag kleingeredet haben. Schmid skizzierte die Geschehnisse zwischen 2017 und 2019 indes wie folgt: Es sei „undenkbar“ gewesen, dass Personalia nicht mit Kurz akkordiert worden wären („das war ein laufendes Abstimmen“). Zudem habe Kurz ihn persönlich gefragt, ob er sich in einer Rolle in der neuen Öbag sehen würde: „Es war irgendwie klar, dass ich Kandidat von ihm bin, sonst hätte ich mich ja nicht beworben.“

Widersprüche bei „kriegst eh alles“-Nachricht

Er und Kurz sowie dessen Team hätten gut und eng zusammengearbeitet, schilderte Schmid weiter. „Jeder von uns hat für die Arbeit auch gelebt“, man sei pro Tag durchaus 16, 17 Stunden im Büro gewesen. Insofern habe alles auch einen gewissen Konnex zur Arbeit gehabt. Wenn er mit Kurz wandern gewesen sei, habe man sich dabei zwar schon über Privates unterhalten, aber eben auch über Berufliches. Allerdings: Zuweilen habe ihm Kurz auch den Kopf gewaschen, etwa einmal bei einer Begegnung auf der Feststiege: Damals hatte Schmid laut seiner Aussage mit seinem FPÖ-Pendant Arnold Schiefer eine Vereinbarung bezüglich der Besetzung von Vorstand und Aufsichtsräten getroffen, die Kurz nicht gepasst habe: „Er hat dann gesagt, das ist ein totaler Wahnsinn.“ Letztlich sei „dieser Palawatsch“ dann „auf politischer Ebene aufgelöst“ worden.

Konfrontiert mit Chatnachrichten, zeichnete Schmid sodann ebenfalls ein deutlich anderes Bild als Kurz. So schrieb Kurz am 13. März 2019 (zur Verortung: am 1. April wurde Schmid Öbag-Alleinvorstand) an Schmid: „Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :)“ Schmid antwortete darauf mit zwei Zwinker-Kuss-Smileys und der Nachricht: „Das ist dort mein Hauptberuf – bitte mach mich nicht zu einem Vorstand ohne Mandate.“ Darauf Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst“ samt zwei Zwinker-Kuss-Smileys. Schmid schickte abermals Smileys, schrieb, dass er glücklich sei und: „Ich liebe meinen Kanzler.“

Als der Richter Schmid um eine Erklärung dazu bat, sagte der Zeuge, er sei damals der Meinung gewesen, dass die Öbag Aufsichtsratsmandate in den Beteiligungen brauche. Er selbst habe Öbag-Vorstand werden wollen. Kurz‘ Antwort habe er insofern als positiv unterstützend wahrgenommen. Anders Kurz: Er hatte bei seiner Einvernahme erklärt, er habe Schmid mit der „Kriegst eh alles“-Nachricht dessen Grenzen aufzeigen wollen. Gemeint gewesen sei folglich: „Krieg den Hals voll.“

Verteidiger drängen sich bei Fragerecht vor

Nachdem Richter Radasztics all seine Fragen gestellt hatte und dabei war, das Fragerecht – wie in der Verfahrensordnung vorgesehen – an die WKStA weiterzugeben, erhobt sich Kurz‘ Verteidiger Otto Dietrich und beantragte, dass ihm und Bonellis Anwalt, Werner Suppan, der Vorzug gegeben wird. Denn: Schmid sei schon 18 Tage lang von der WKStA befragt worden, während die Verteidigung noch nie mit ihm sprechen konnte – in seinen Augen widerspreche das dem Gebot der Waffengleichheit. Die Oberstaatsanwälte Gregor Adamovic und Roland Koch hielten dagegen: So etwas sei ihnen in rund 20 Jahren Justizarbeit noch nicht untergekommen, diese Argumentation würde ja bedeuten, dass jegliche Verfahren gegen die Menschenrechte verstoßen würden.

Der Richter entschied zugunsten der Antragsteller: „Es ist im Wesentlichen ein Streit um des Kaisers Bart“, kommentierte er seinen Beschluss. Denn letztlich hätten ohnedies beide Parteien ein Fragerecht. 

Dietrich machte sich sodann daran, die Glaubwürdigkeit von Schmid zu durchleuchten. Dazu legte er bisher nicht bekannte Chatnachrichten (angeblich geführt zwischen einen „Kronen Zeitung“-Journalisten und Schmid) vor – durfte dazu aber letztlich keine Frage stellen. Die Begründung: Als der Richter fragte, woher Dietrich die Nachrichten habe, antwortete dieser nur: „Von einem USB-Stick.“ Ohne konkrete Quelle könne er das Dokument nicht zulassen, entschied der Richter. Gleich verhielt es sich, als Dietrich einen Lebenslauf vorgelegen wollte, in dem – seiner Ansicht nach – Schmid seine Qualifikationen überhöht habe. Den Lebenslauf habe er heuer verwendet. Auch hier entschied der Richter, das Papier nicht zuzulassen, da Radasztics keine Relevanz für das laufende Verfahren sah.  

Hat die WKStA etwas diktiert?

Zulässig waren indes Fragen von Dietrich an Schmid zur Datenlöschung. Schmid sagte darauf, dass er im Oktober 2019 Chatnachrichten von seinem Handy gelöscht habe und später auch private Fotos von einem Laptop entfernt habe. Schmid bestätigte, dass er gelöscht habe, allerdings: „Schauen Sie, ich habe ja offenbar nicht alles gelöscht“, andernfalls wären nicht so viele seiner Chats in Umlauf. Er habe aber gedacht, er hätte alles gelöscht.

Ob er sich an ein Telefonat mit Kurz im Oktober 2021 erinnere? Schmid sagt, dass er sich daran erinnere und er den Eindruck hatte, dass Kurz das Telefonat aufnahm. Denn: „Ich habe diese ganzen komischen Fragen erhalten, wir haben uns gegenseitig die Unschuld versichert, das war eine ganz merkwürdige Situation.“ Es habe damals „allgemein die Angst bestanden“, abgehört zu werden.

Zu einem intensiven Schlagabtausch zwischen Dietrich und Adamovic kam es, als der Verteidiger den Zeugen fragte, ob er von den WKStA-Vertretern Sätze diktiert bekommen habe. Konkret ließ Dietrich zwei Absätze einblenden – einmal einen aus einer Durchsuchungsanordnung der WKStA vom September 2021, einmal das Protokoll der Einvernahme von Schmid vom Juni 2022. Die beiden Absätze waren wort-, beistrich- und punktgleich. Dietrich dazu: „Die WKStA diktiert offenbar, was der Herr Schmid heute vorbringt.“ Letztlich unterbrach der Richter den Disput und Schmid meinte, dass es sein könne, dass er bei seiner Befragung Dinge zitiert habe, ihm selbst habe aber niemand etwas diktiert.

Wiedersehen mit Thomas Schmid am Freitag

Als nach neun Stunden der Einvernahme von Schmid die Oberstaatsanwälte ans Wort kamen, entschied das Gericht, seine Befragung zu vertagen – um Ermüdungserscheinungen entgegenzuwirken. Das bedeutet: Schmid kommt am kommenden Freitag, 15. Dezember, zurück in den Großen Schwurgerichtssaal und wird dann weiter einvernommen werden. Ex-Regierungskoordinator Gernot Blümel (ÖVP), der für jenen Tag als Zeuge vorgesehen war, wird demnach einen neuen Termin bekommen (eventuell den 10. Jänner 2024, verriet der Richter).

Schon jetzt steht fest: Die „Presse“ wird sowohl am Freitag wie auch an allen weiteren Verhandlungstagen via Liveticker dabei sein. Der Liveticker zum Nachlesen:

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