Medizin

Wenn bei Kindern das Herz versagt

Marcus Granegger leitet das neue Christian-Doppler-Labor am AKH in Wien Alsergrund.
Marcus Granegger leitet das neue Christian-Doppler-Labor am AKH in Wien Alsergrund.Katharina Fröschl-Roßboth
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Implantierbare Blutpumpen sind bei Erwachsenen mit schwachem Herz als Standard etabliert, für Kinder gibt es sie noch nicht. Das wollen Forschende in einem neu gegründeten Christian-Doppler-Labor an der Med-Uni Wien ändern.

Es sind nicht allzu viele Kinder, aber die, die es betrifft, haben ein trauriges Dasein: kein Kindergarten, keine Schule, kein Herumtollen am Spielplatz. Denn die Kleinen müssen häufig ein bis zwei Jahre durchgehend im Spital verbringen. Wegen eines versagenden Herzens sind sie an eine mechanische Herzunterstützung außerhalb des Körpers angeschlossen, die einen langen Krankenhausaufenthalt erfordert. Denn Herzpumpen, die ein freies Leben ermöglichen, kann man bisher nur bei Erwachsenen implantieren, für Kinder sind sie viel zu groß.

Fortschritte im Bemühen um kindgerechte Herzpumpen soll das Mitte November neu eröffnete Christian-Doppler (CD)-Labor für mechanische Kreislaufunterstützung an der Medizinischen Universität Wien bringen. Die Forschungen dort sollen nicht nur Komplikationen reduzieren, sondern auch die Lebensqualität der kleinen Patientinnen und Patienten verbessern und vor allem die Heilungschancen erhöhen.

Dem Organ Kraft zurückgeben

Ein versagendes Herz – im Fachjargon spricht man von terminaler Herzinsuffizienz – äußert sich zum Beispiel in Form von starker Kurzatmigkeit und extrem limitierter Leistungsfähigkeit. Unbehandelt ist die Sterblichkeit sehr hoch. Auslöser sind unter anderem ein vorangegangener Herzinfarkt, eine Herzklappenerkrankung oder unbehandelter Bluthochdruck. Irgendwann ist das Herz so stark geschädigt, dass es keine Kraft mehr hat, ausreichend Blut ins Kreislaufsystem zu pumpen. Die beste Therapie wäre eine Herztransplantation, aber Herzen sind Mangelware. Also kommt eine mechanische Herzunterstützung, eine sogenannte Herzpumpe, zum Einsatz.

»Wir wollen am neuen Christian-Doppler-Labor eine voll implantierbare Pumpe spezifisch für die besonderen Herausforderungen bei Kindern optimieren.«

Marcus Granegger,

Leiter des CD-Labors für mechanische Kreislaufunterstützung, Med-Uni Wien

Sie wird Erwachsenen ins Herz eingesetzt – das eigene, schwache Herz bleibt erhalten – und pumpt zusätzlich Blut in den Kreislauf. Eine Kanüle wird an die Hauptschlagader angeschlossen und ein Kabel aus dem Bauchraum herausgeführt und mit einer batteriebetriebenen Steuereinheit verbunden. Was zunächst sehr technisch klingt, gibt den Betroffenen viele Freiheiten zurück: Wer eine solche Pumpe in sich trägt, kann so ziemlich alles machen: fliegen, Ski fahren, laufen – wenn auch mit großen Einschränkungen. Ein Kind mit einer externen Herzpumpe muss im Krankenhaus bleiben und kann nur wenig machen. Sehr wenig.

Herzpumpe für Erwachsene.
Herzpumpe für Erwachsene.K. Fröschl-Roßboth

Weltmarktführer an Bord

„Daher wollen wir nun am neuen Christian-Doppler-Labor eine voll implantierbare Pumpe spezifisch für die besonderen Herausforderungen bei Kindern optimieren“, sagt dessen Leiter Marcus Granegger. Er arbeitet zusammen mit der Berlin Heart GmbH, dem Weltmarktführer für pädiatrische Pumpen, an einer voll implantierbaren Pumpe für Kinder. Wie kam Berlin Heart gerade auf Wien? Granegger war zwei Jahre lang im Unternehmen tätig. Zudem sei man hier medizinisch und technisch führend auf dem Gebiet der mechanischen Herzunterstützung und auf Kinderherzchirurgie spezialisiert, sagt Daniel Zimper, designierter Professor für Herzchirurgie an der Med-Uni Wien (ab Jänner 2024), nicht ohne Stolz.

Der Grund, warum es bis dato noch keine voll implantierbaren Pumpen für Kinder gibt, liegt hauptsächlich an der Größe. Denn in der Pumpe sind unter anderem ein Motor, ein Rotor, Magnete und Elektronik untergebracht. „Und damit das Blut nicht zerstört wird, wenn es durch die Pumpe geht, ist zusätzlich eine ganz bestimmte Geometrie erforderlich. Das alles ist sehr komplex und sehr, sehr schwierig, auf kleinstem Raum unterzubringen“, erklärt Granegger. Bei Kindern ist es bislang so, dass Schläuche mit dem Herzen verbunden werden, das Blut wird dann aus dem Brustkorb in eine äußerliche Pumpkammer geleitet.

»In Wien werden jährlich an die zehn Kinder mit parakorporalen Pumpen behandelt.«

Daniel Zimper,

designierter Professor für Herzchirurgie an der Med-Uni Wien

Die Therapie muss unter fachlicher Aufsicht durchgeführt werden. Daher können die kleinen Patientinnen und Patienten nicht nach Hause entlassen werden und verbringen häufig ein bis zwei Jahre in einem Krankenhaus, ehe es ein transplantierbares Herz für sie gibt. „In Wien werden jährlich an die zehn Kinder mit parakorporalen Pumpen behandelt“, sagt Zimpfer. Bei Kindern ist es meist ein angeborener Herzfehler, der zu Herzversagen führt, es kann aber auch durch eine Entzündung des Herzmuskels ausgelöst werden.

Für Physiologie optimieren

„Wir möchten die Pumpe für Kinder so optimieren, dass sie ideal mit der Physiologie des Patienten zusammenarbeitet“, erläutert Granegger. Das tun die Herzpumpen bei Erwachsenen nämlich nicht: Ein gesundes Herz pumpt pro Minute fünf Liter Blut in den Kreislauf, bei sportlicher Betätigung können es bis zu 25 Liter sein. Auf diese Menge kommt eine Pumpe nie. Da sind es immer fünf bis maximal sieben Liter.

„Patienten sind daher nicht so leistungsfähig, sie können zwar Aktivitäten des täglichen Lebens meistern, aber größere Anstrengungen oder ambitionierter Sport beispielsweise sind schon nicht mehr möglich. Daher ist ihre Lebensqualität weiterhin eingeschränkt“, schildert Zimpfer. Wenn nun die erwähnte Optimierung bei Kinderpumpen gelingt – also die Pumpe beispielsweise beim Laufen oder Herumtollen mehr Blut pumpt –, kann dies auch zur Verbesserung der Therapie bei Erwachsenen führen.

Suche nach dem Heiligen Gral

„Man hat erkannt, dass sich bei 14 Prozent der Kinder mit einer parakorporalen Pumpe das Herz vollständig erholt, sie brauchen also weder eine Pumpe noch eine Herztransplantation“, sagt Granegger. Der Heilige Gral der Herzmedizin sei es nun, terminale Herzinsuffizienz wieder heilen zu können, zumindest bei Kindern. Zimpfer ergänzt: „Wir wollen herausfinden, wie es bei Kindern überhaupt zu dieser Heilung kommt, und diese Rate substanziell erhöhen.“ Das wäre eine erste mögliche kurative Therapie bei Kindern mit Herzversagen. Ein Riesenschritt für die Medizin – und für Betroffene.

In Zahlen

1 bis 2 Jahre verbringen Kinder mit einem versagenden Herzen häufig durchgehend im Krankenhaus.

7 Jahre lang läuft das neue Christian Doppler-Labor für mechanische Kreislaufunterstützung an der Med-Uni Wien.

40 Prozent der Kosten finanziert die Berlin Heart GmbH, den Rest die Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft.

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