Literatur

Mythos Vulkan: Er führt in die Hölle – und zu Frankenstein

Ein ganzes Literaturgenre, den Pompeji-Roman, hat der Vesuv befördert. Michael Wutky, „Ausbruch des Vesuvs über dem Golf von Neapel“, um 1780.
Ein ganzes Literaturgenre, den Pompeji-Roman, hat der Vesuv befördert. Michael Wutky, „Ausbruch des Vesuvs über dem Golf von Neapel“, um 1780.Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien
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Stehen hinter den Ausbrüchen landende Aliens, tektonische Waffen oder göttliche Liebeskämpfe? Und was haben sie mit legendären Monstern zu tun? Von Vulkan-Mythen einst und heute.

Wird er ausbrechen, wird er nicht? Es bleibt dramatisch für die Bewohner der Ortschaft Grindavík und ihrer Umgebung im Südwesten Islands, auf der Halbinsel Reykjanes. Darunter sammelt sich seit bald vier Jahren das Magma. Die Frage ist nur, ob es in den nächsten Wochen an die Oberfläche dringt oder nicht. Sogar die Ruhe des „schlafenden“ Vulkans hat etwas Unheimliches. Denn Schlaf bedeutet ja, dass er irgendwann aufwachen wird – und dann Schrecken aus sich herausschleudert ohne Ende.

So gesehen erscheint es ganz passend, dass eines der berühmtesten Monster der Weltliteratur, das von Victor Frankenstein geschaffene, letztlich die Ausgeburt eines Vulkanausbruchs war. 1816 verbrachten die englische Dichterin Mary Shelley und ihr Dichter-Ehemann Percy Bysshe Shelley gemeinsam mit Lord Byron einen Sommer in der Schweiz. Einen kalten, nassen Sommer, infolge des stärksten ­Vulkanausbruchs der Menschheitsgeschichte: Im April des Vorjahrs war der Vulkan Tambora in Indonesien ausgebrochen. Statt also spazieren zu gehen, hockte die Dichterrunde in ihren Chalets herum. Um die Langeweile zu vertreiben, schlug Lord Byron einen Wettbewerb vor: Wer schreibt die beste Geistergeschichte? So entstand Mary Shelleys Frankenstein-Roman . . .

Tor zur Unterwelt. Zu dem Vulkan Changbaishan an der Grenze zwischen China und Nordkorea gehört ein Kratersee namens Tianchi, in dem bis heute alten Vorstellungen folgend Seemonster, also dämonische Wesen, vermutet werden. Der ganze Berg ist als eine Art dämonisches Jenseits verschrien. Wenn etwas in der Natur der Hölle nahekommt, muss es wohl ein Vulkan sein, dachte sich schon der italienische Dichter Dante. Einige der neun Abteilungen des „Infernos“ in seiner „Göttlichen Komödie“ sind offensichtlich von Vulkanen inspiriert. Stellt man sich die Hölle als Feuerort vor, liegt das ja auch nahe. Interessanter ist, dass auch der römische Dichter Vergil in seinem Epos „Aeneis“ den Eingang zur Unterwelt auf den phlegräischen Feldern nahe Neapel situiert, einer Vulkangegend. Und das, obwohl es die Toten im antiken Hades ziemlich kalt hatten. Zumindest dürfte dieses vulkanische Element also auch für Vergil etwas Unheimliches gehabt haben, selbst wenn der Ausbruch des Vesuvs samt Untergang Pompeijs noch 80 Jahre in der Zukunft lag.

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