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Warum Sissi in Drag die beste Kaiserin abgibt

Drag Queens Tamara Mascara und Catrice Liberty bieten Sissi und ihre Hofdame im Café Residenz dar.
Drag Queens Tamara Mascara und Catrice Liberty bieten Sissi und ihre Hofdame im Café Residenz dar.Martin Darling
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Der Name einer Kaiserin hat nicht nur Vorteile. Warum mir Sissi in Drag lieber ist, als die hochwertigste Filmdarstellung der traurig schönen Hoheit.

Mein Vater war großer Romy Schneider-Fan. Daher auch mein Name. Falsch geschrieben, wie viele meinen, deutet er doch auf die wohl verehrteste aller kaiserlichen Hoheiten Österreichs hin, einer Demokratie, die dafür bekannt ist, seiner monarchistischen Vergangenheit gegenüber nostalgisch zu bleiben. Aber so ganz stimmt das ja auch nicht. Denn mit der Kaiserin selbst hatte mein Vater wenig am Hut; es waren die Filme, die ihn begeisterten, ihn und den Rest der Welt. Die Sissi-Trilogie zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Filmproduktionen bis heute. Und es war natürlich „die Romy“, die ihn zu Tränen rührte. So hübsch, so froh, und dann schnell doch so traurig. Ein Schicksal, das Schauspielerin und Dargestellte teilen.

Romy Schneider zog als Kaiserin Elisabeth viele Generationen in ihren Bann.
Romy Schneider zog als Kaiserin Elisabeth viele Generationen in ihren Bann. Imago / Imago Stock&people; Via Www.imago-images.de

Meine eigene Sissi-Faszination hielt sich über weite Strecken in Grenzen. An dem Heimatkitsch der 1955 erschienenen Filme stieß ich mich spätestens als Pubertierende, als Identifikationsfigur gab sie für mich nicht viel her. Gut, man kann sagen, sie war eines der ersten „It“-Girls überhaupt. Was sie trug, wie sie sich schlank und fit hielt, interessierte ein ganzes Reich. Aber damit hatte es sich für mich mit dem Mythos auch schon wieder erledigt.

So schön traurig

Umso mehr erstaunte mich die Faszination meiner Umwelt mit der österreichisch-ungarischen Kaiserin. Erst als ich als Studierende nach Wien zog, wurde ich mir ihrer Allgegenwart im Stadtbild bewusst. Aber nicht nur der Tourismussektor und die Musical-Welt, auch die zeitgenössische Kulturproduktion hat die Kaiserin ins Herz geschlossen. Neben den vielen literarischen Abhandlungen sind in den letzten Jahren die Filme „Sisi & Ich“ von Frauke Finsterwalder und „Corsage“ von Marie Kreutzer, sowie die Serien „Die Kaiserin“ via Netflix und „Sisi - Die Reise der Kaiserin geht weiter“ via RTL erschienen. Einige dieser Repräsentationen waren hochwertig, gar interessant, eigentlich alle gaben der Figur mehr Raum, Kante zu zeigen, sich in irgendeiner Form zur Wehr zu setzen.

Vicky Krieps gibt die Sissi in Marie Kreutzers Film „Corsage“.
Vicky Krieps gibt die Sissi in Marie Kreutzers Film „Corsage“. Alamode / Panda Film

Und doch teilen sie alle die Eigenschaft, die mir nach einiger Beobachtung den Kern der Faszination auszumachen scheint, die Sissi auf uns ausübt: Die Öffentlichkeit liebt es einfach, einer makellos schönen Frau beim Leiden zuzusehen. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang Kummer und Depression romantisiert, Sissi sitzt lebensmüde in der Wanne und raucht höchst ästhetisch Zigarette, Sissi liegt schwer krank in schönster Kleidung und tollem Haar darnieder, Sissi sitzt vorm leeren Teller, Sissi weint dort und schluchzt da. Ja selbst eine Form der Depression will nach ihr benannt worden sein („Sissi-Syndrom“).

Jede einzelne Sissi-Repräsentation zeigt Unfreiheit und Melancholie als ihre Wesensart und den Motor ihrer Entscheidungen. Ihre Schönheit wird quasi vollendet durch ihr Leid. Ebenso wie das auch bei ihrer britischen Semi-Amtskollegin Prinzessin Diana der Fall war, der wir nun eben in „The Crown“ monatelang beim Leiden zuschauen durften, bis sich ihr Tod schon beinahe als Erlösung offenbarte. Beinahe noch schöner als sie schon in Wirklichkeit war, wird sie in der Serie dargestellt und ich bin als Zuseherin hin und her gerissen: Hab ich nun Mitleid mit ihr oder würde ich ihr Schicksal auch durchleiden, könnt ich nur so aussehen wie sie?

Elizabeth Debicki spielt Prinzessin Diana in der vierten Staffel von „The Crown“.
Elizabeth Debicki spielt Prinzessin Diana in der vierten Staffel von „The Crown“. Daniel Escale/netflix

Vielleicht ist Mann die bessere Kaiserin?

Vergangenes Wochenende durfte ich nun einer anderen Sissi begegnen. Im Café Residenz bei Schönbrunn führten Drag Queen Tamara Mascara und ihr Team „Sissi‘s Weihnachtszauber“ auf. Das Restaurant erwärmte seine Gäste mit gelungenem Menü und dampfendem Glühwein und zwischen den Gängen unterhielten Catrice Liberty als „Sissi“ und Tamara Mascara als ihre Hofdame das Publikum. Die Kostüme waren eindrucksvoll, der Lidstrich präzise, die Haltung beneidenswert grazil, die Absätze halsbrecherisch. Die Lip-Sync-Performances fielen manchmal sehr gut, manchmal weniger gut aus und die Interaktion mit dem Publikum war lebhaft und unterhaltsam. Kurz: es war ein gelungener Kabarettabend.

In erster Linie war die Figur der Sissi durch derben Schmäh und Nahbarkeit erstmals befreit von jedweder Düsternis. Im Hintergrund liefen US-Weihnachtsklassiker, die Queens interpretierten die Lieder mit ausladenden Gesten und die Witze wurden in Altwienerisch und leicht beschwipst vorgetragen. Und so hübsch Catrice Liberty auch hergerichtet war, ermöglicht ihr die Travestie trotzdem eine gewissen Doppelbödigkeit, eine Ironie und Verspieltheit, die ihrer Figur sonst fehlt. Für einen Abend war Sissi nicht die Schönheit im goldenen Käfig. Sie war nicht da, um für ihre Trauer und ihr Stamina bewundert zu werden. Sie war da, um gefeiert zu werden und zu glänzen. Und doch ist eine Drag-Performance subversiv genug, um sich dem Vorwurf des Kitschs zu verwehren. Eine Sissi in Drag gibt der Kaiserin also eine Freiheit, die ihr sonst kaum eine Darstellungsweise bieten kann.

Info

Ein paar wenige Karten gibt es noch für die Dezember-Vorstellungen von „Sissi‘s Weihnachtszauber“ im Café Residenz. Weitere Veranstaltungen von Tamara Mascara und ihrem Team unter dragshow.wien

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