Geldpolitik

EZB-Direktorin rechnet mit deutlich kleinerer Notenbankbilanz

Europäische Zentral Bank, Frankfurt am Main.
Europäische Zentral Bank, Frankfurt am Main.IMAGO/Blatterspiel
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Die Ära der Niedriginflation und der Nullzinsen sei vorbei, nun muss die EZB entscheiden, wie sie in Zukunft die Banken der Euro-Zone künftig mit Liquidität versorgen will.

Die Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB) wird aus Sicht ihrer Direktorin Isabel Schnabel im Rahmen eines neuen Steuerungssystems für die Zinsen künftig voraussichtlich deutlich schrumpfen. Es sei zwar schon klar, dass die Bilanz viel größer sein werde als sie es vor der Finanzkrise gewesen sei, sagte die deutsche Volkswirtin im Gespräch mit Reuters. „Aber bei allen Rahmenwerken, die erwogen werden, wird die Bilanz viel kleiner sein als sie es momentan ist“, ergänzte sie.

Aktuell hat die EZB-Bilanz ein Volumen von rund sieben Billionen Euro. Vor Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007 war das Volumen noch bei 1,5 Billionen Euro gelegen. Die EZB hatte in den Jahren nach der großen Finanzkrise und nach der Euro-Schuldenkrise im Zuge einer lockeren Geldpolitik und Niedrigzinsen massive Programme zum Ankauf von Staatsanleihen und Firmenanleihen zur Ankurbelung der Konjunktur aufgelegt. Dazu kamen großvolumige langfristige Liquiditätsspritzen für Geschäftsbanken - in der Fachwelt „TLTRO“ genannt - um den Kreditfluss an die Wirtschaft zu stützen. Und zur Abmilderung der ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie kam 2020 mit dem Kaufprogramm PEPP noch ein weiteres billionenschweres Anleihenkaufprogramm hinzu. Dies ließ die Notenbankbilanz immer mehr anschwellen.

Nachfragorientiertes System

Da diese Ära der Niedriginflation und der Nullzinsen nun vorbei ist, muss die EZB entscheiden, wie sie in Zukunft die Banken der Euro-Zone künftig mit Liquidität versorgen will. Die Euro-Notenbank hatte angekündigt, ihren allgemeinen Zinsrahmen zu überprüfen, mit dem sie ihre Geldpolitik steuert. Dabei hatte Schnabel bereits in einer Rede für einen Steuerungsrahmen argumentiert, in dem die Banken selbst entscheiden können, wie viel sie sich von der EZB leihen wollen. Ein solches nachfrageorientiertes System eigne sich gut für eine heterogene Währungsunion, die zu einer Fragmentierung neigen könne, sagte Schnabel. „Ein solches System begrenzt wahrscheinlich auch den Umfang der Zentralbankbilanz“.

Dieser künftige Steuerungsrahmen könne auf verschiedene Weise gestaltet werden, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der EZB. „Bei unserer Rahmenüberprüfung versuchen wir, ein System zu finden, mit dem wir unsere Geldpolitik effektiv und effizient umsetzen können, und zwar auf eine Weise, die die negativen Nebenwirkungen minimiert,“ merkte sie an. Zum Vorschlag von EZB-Chefökonom Philip Lane, die Notenbank solle künftig auch ein „strukturelles Anleihenportfolio“ als ständiges Instrument zur Liquiditätssteuerung besitzen, sagte sie: „Was ein strukturelles Portfolio betrifft, so habe ich in meiner Rede im März gesagt, dass das erwogen werden könnte.“ Aus ihrer Sicht könnte es sinnvoll sein, eine Mischung verschiedener Werkzeuge zu haben.

Mindestreserve anpassen

Schnabel zufolge sind längerfristige Kredite als Werkzeug zur Liquiditätssteuerung womöglich besser geeignet als Anleihenkäufe, da sie viel breiter in den Bankensektor eingreifen. „Das ist etwas ganz anderes als der Kauf von Vermögenswerten - wenn man Liquidität zuführt, dann landet diese in der Regel bei den größeren Banken und in bestimmten Finanzzentren“, erläuterte sie. Schnabel zufolge wird auch die Rolle der Mindestreserve bei der Überprüfung des Rahmenwerks diskutiert. „Und bis dahin werden wir keine Entscheidungen fällen“, sagte sie.

Banken im Euro-Raum sind verpflichtet, einen bestimmten Geldbetrag auf ihrem Konto bei ihrer jeweiligen nationalen Notenbank zu halten. Aktuell liegt diese Mindestreserve für Geschäftsbanken bei einem Prozent der Kundeneinlagen. Die EZB hat die Verzinsung dieser Mindestreserve bereits auf null Prozent gesetzt. Unter den Euro-Wächtern gab es zuletzt Überlegungen, die Mindestreserve-Anforderungen für Banken zu erhöhen - auch um die sehr hohen Einlagenzinszahlungen an die Geldhäuser zu verringern. Denn nach wie vor gibt es reichlich Überschussliquidität im Bankensystem. (APA/Reuters)

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