Neues Album

Wiener Blond und die sentimentale Begabung

Verena Doublier und Sebastian Radon sind Wiener Blond.
Verena Doublier und Sebastian Radon sind Wiener Blond.Clemens Fabry
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Das Duo Wiener Blond mischt auf ihrem neuen Album „Sinfonien im Souterrain“ Humor und Sentimentalität, serviert Soda Zitron und Kaffee.

Auffällig ist, dass Wiener Blond ein gewisses, gar nicht so geheimes Faible für Speisen und Getränke hegen. 2020 pries das Duo „ausgesuchte Weinderl zum Allerlei vom Schweinderl“. Auf ihrem neuen, explizit wienerischen Opus „Sinfonien im Souterrain“ finden sich spanische Radieschen, Rosmarin, Soda Zitron und ganz viel Kaffee. Ein munteres Lied mutet gar wie eine Ode an ein ganz bestimmtes Café an, in dem einst Thomas Bernhard herumsaß.

War „Café Bräunerhof“ gar eine Auftragsarbeit von Nicole Hostnik, der umtriebigen Betreiberin dieser Insti­tution? „Nein, nein!“, winkt Sebastian ­Radon, der männliche Teil des Duos, ab. „Es ist viel eher eine Hommage an mein zwanzigjähriges Ich. Ich hing oft und gerne dort ab, und dachte, ich wäre jetzt erwachsen.“

„Kaffeehaus macht gescheiter“

Im Refrain heißt ihn seine musikalische Partnerin Verena Doublier im Klischee willkommen. Radon hält dem entgegen, dass ihn das Kaffeehaus gescheiter macht. Er insistiert: „Man öffnet die Kaffeehaustür und tritt in eine andere Welt ein.“ Diesbezüglich hat das Wiener Kaffeehaus eine Reputation, die sogar ein wenig soziale Sprengkraft hat. Internationale Granden des Pop, von ­Patti Smith über Sven Regener bis Nick Cave kosten den Charme dieses Bollwerks gegen die Zumutungen der modernen Welt regelmäßig aus. Ein Treffen mit Frau Hostnik steht jedenfalls jetzt an, wo Wiener Blond eine CD hinterlegt haben. „Dem Vernehmen nach gefällt ihr das Lied ausnehmend gut.“ Damit ersparen sich Wiener Blond das Umtexten auf Café Diglas oder Prückel. Die Auswahl wäre ja groß.

Die Zukunft von Etablissements, in denen die Zeit stehen bleiben darf, die ist aber ungewiss. Und so haben die beiden ein neues Wienerlied namens „S’letzte Kaffeehaus“ komponiert. Eine Dystopie gewiss, denn Wien ist immerhin Stadt, die sich ziemlich erfolgreich gegen Kaffeehauskonzepte aus den USA stemmt. „Starbucks? Da gehe ich lieber zum Anker!“, sagt Radon mit fester Stimme.

Kein Fertigteilpop

„Lied aus Lego“ nennt sich ein anderer Höhepunkt von „Sinfonien im Souterrain“. Diese Strategie der Abkürzungen, die zu Fertigteilpop à la Christina Stürmer führt, war für das Duo Wiener Blond von Anfang an tabu.

Was haben die beiden Mitdreißiger Verena Doublier und Sebastian Radon nicht schon alles probiert? Sie experimentierten mit Beatbox und Loopmaschine, kreierten funky Popmusik mit Albin Janoska. Und nun sind sie bei wunderherrlich torkelnden Wienerliedern angelangt, die sie gemeinsam mit dem Original Wiener Salonensemble eingespielt haben.

Der rote Faden

Was ist eigentlich der rote Faden ihrer musikalischen Tätigkeit? „Das Singen und das Texten“, sagt Verena Doublier, „und ganz viel Humor!“ Obwohl sie nicht im Radio gespielt werden, weil sie offenbar durch alle Raster fallen, haben sie sich in zäher Kleinarbeit ein ergebenes Publikum erspielt. Was zeichnet ihr treues Publikum aus? „Es hat Abenteuergeist wie wir. Das Altersspektrum ist so krass wie unsere jähen Stilwechsel. Kinder mögen unsere Musik und auch 90-Jährige. Es klafft nur eine Lücke bei den 15- bis 25-Jährigen.“

Die Essenz ihrer Musik ist der gut gebaute Song. „Ein gutes Lied muss ein starkes Skelett haben, dem man anziehen kann, was man will. Manche unserer Songs glänzen in allen Besetzungen. Dann ist es gut“, sagt Doublier. Diesmal lag der Fokus auf lokalen Traditionen. „Das Publikum in Österreich hat eine Begabung punkto Sentimentalität. Das machten wir uns mit zahlreichen Anleihen an Walzer und Wienerlied zunutze. So wienerisch waren wir noch nie.“

Bezüglich Komposition nennt Doublier ein überraschendes Vorbild. „Der schwedische Hitproduzent Max Martin hat mich sehr geprägt. Er versteht es, beständig Neues zu integrieren und gleichzeitig auf clevere Art Motive zu wiederholen. Was er praktiziert, ist schlicht eine Kunst der Verführung.“ Wiener Blond tun es ihm gleich.

Wiener Blond, Verena Doublier und Sebastian Radon Foto: Clemens Fabry
Wiener Blond, Verena Doublier und Sebastian Radon Foto: Clemens FabryClemens Fabry

Infos

Wiener Blond. Gegründet wurde das Duo im Jahr 2012. Ursprünglich ein Acapella-Duo aus Verena Doublier und Sebastian Radon spielen sie derzeit stark von Wienerlied und Walzer geprägte Popsongs. Musikalisch vermählt hat die beiden einst ein Professor an der Musikuniversität. Das fünfte Album heißt: „Sinfonien im Souterrain“ (Crowd & Ryben/Vertrieb Hoanzl)

Live zu sehen sind Wiener Blond im Wiener Stadtsaal am 11. und 12. Dezember sowie am 14. und 15. April 2024.

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