Falschaussage-Prozess

Schmids Aussage erhöht den Druck auf Kurz

Früher waren sie befreundet, heutzutage nennt Thomas Schmid den früheren Kanzler Sebastian Kurz (li.) und andere nur noch „diese Leute“. 
Früher waren sie befreundet, heutzutage nennt Thomas Schmid den früheren Kanzler Sebastian Kurz (li.) und andere nur noch „diese Leute“. APA / APA / Max Slovencik
  • Drucken

Thomas Schmid, der Mann, dessen Handy-Chats so manche Affäre ausgelöst haben, belastet Sebastian Kurz schwer.

Er hat geliefert. Thomas Schmid hat das getan, was Sebastian Kurz befürchten musste. Schmid kam als Zeuge in das Straflandesgericht Wien. Und nahm sich kein Blatt vor den Mund. Er redete und redete – und das unter Wahrheitspflicht. Am Schluss war der Prozess um eine ausführliche Aussage reicher. Eine Aussage, die den auf der Anklagebank sitzenden früheren Bundeskanzler (ÖVP) schwer belastet.

Es ging an jenem fünften Tag des Falschaussage-Prozesses nach wie vor um die Frage, ob Kurz am 24. Juni 2020 vor dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt hatte. Und zwar indem er seinen Einfluss bei der Besetzung des Vorstands und des Aufsichtsrats der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag heruntergespielt hat. Eben davon ist die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die WKStA, überzeugt. Auch sichergestellte Chats deuten darauf hin. Zum Beispiel das zum geflügelten Wort gewordene „Kriegst eh alles, was du willst“ von Kurz an Schmid.

Kurz selbst meinte zuletzt, er habe bei seiner Aussage zwar „Angst“ vor einem Strafverfahren gehabt – einen sogenannten Aussagenotstand (also das Ablegen einer Falschaussage, um die Gefahr von Strafverfolgung abzuwenden) machte er aber nicht geltend. „Ich sehe nicht, wo meine Aussagen falsch sind“, sagte er zuletzt.

Was bedeutet die Schmid-Aussage für Sebastian Kurz?

Kurze Antwort: nichts Gutes. Denn Schmid (48), jener Mann, der im April 2019 zum Öbag-Alleinvorstand gekürt wurde, stärkt der Anklagebehörde den Rücken. Letztere meint ja, Kurz habe die Fäden bei der Neuorganisation der Öbag gezogen. Schmid bestätigte dies im Zeugenstand, sprach von einem „System Kurz“ und ergänzte: „So, wie Kurz regiert hat, war es denkunmöglich, dass die Besetzung des Aufsichtsrats nicht mit ihm abgestimmt war.“

Lässt das Wort „abgestimmt“ noch Luft für Kurz? Laut Schmid kaum. Denn der Zeuge hatte am Montag im Straflandesgericht Wien eine Präzisierung parat: „Das war ein System, bei dem solche Personalentscheidungen engmaschig abgestimmt wurden. Sie haben sich nicht nur informieren lassen. Sie haben mitgeredet.“ Mit „sie“ meint Schmid (er war früher Generalsekretär im Finanzministerium) Kurz und den Mitangeklagten Bernhard Bonelli, den früheren Kabinettschef im Kanzleramt (auch Bonelli bekennt sich nicht schuldig).

Und dann streut Schmid dem Ex-Kanzler Rosen, dieses „Lob“ mutet allerdings wie eine unheilvolle Umarmung an: Es sei positiv zu werten, dass Kurz Regie geführt habe. Schließlich sei dieser als Kanzler auch für die Staatsholding politisch verantwortlich ge­wesen.

Aus Sicht der Verteidigung (Kurz wird von Anwalt Otto Dietrich vertreten) bleibt die Problematik: Wie kriegt Kurz derartige Belastungsmomente wieder weg? Nun, gesagt ist gesagt, jedoch kommt es darauf an, für wie glaubwürdig Richter Michael Radasztics den Zeugen hält. Letzterer beantwortete die an ihn gestellten Fragen zwar nicht immer knapp und bündig, sondern eher weitschweifig, vermittelte aber kaum den Eindruck, Dinge frei zu erfinden.

Und doch gäbe es für Kurz einen Ausweg: Er könnte noch in Richtung Diversion gehen, wie dies die ursprünglich dritte Angeklagte tat, Ex-ÖVP-Vizechefin Bettina Glatz-Kremsner. Sie übernahm „Verantwortung“ für unrichtige Aussagen vor dem U-Ausschuss und vor der WKStA, leistete eine Geldbuße und ersparte sich eine Verurteilung. In diese Kerbe schlug Kurz bisher allerdings nicht.

Was bedeutet die Aussage nun für Schmid selbst?

Da Schmid in der Inseraten-Affäre (Kurz-freundliche, mit Steuergeld finanzierte Umfragen fanden ihren Weg in Boulevard-Medien, Stichwort: Beinschab-Tool) beschuldigt wird, hofft er auf die Kronzeugenregelung. In dem Fall würde die WKStA von der Verfolgung zurücktreten. Im Gegenzug müsste Schmid mit der Behörde kooperieren. Er müsste etwa neue Beweise liefern. Schmid hat bisher ausführlich vor der WKStA ausgesagt. Seine Aussage im aktuellen Prozess wird ihm gewiss nicht als Nachteil auf dem Weg zum Kronzeugenstatus ausgelegt.

Indessen wurde am Montag ein SMS bekannt, das im Oktober 2021 von Schmid verschickt worden sein soll. Und zwar nach einem TV-Auftritt von Kurz zum Thema Inseraten-Affäre. Laut diesem SMS soll Schmid die Unschuldsbeteuerung von Kurz bestätigt haben. Mittlerweile hat Schmid den Ex-Kanzler auch in dieser Affäre belastet.

Indessen übergab die Verteidigung am Montag eidesstattliche Erklärungen an das Gericht, wonach zwei Amsterdamer „Geschäftsmänner“ ausgesagt haben sollen, Schmid habe ihnen bei Vorstellungsgesprächen erzählt, er sei von der WKStA „enorm unter Druck“ gesetzt worden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.