Grätzelwalk

Die grünen Flecken in Rudolfsheim-Fünfhaus

In der Pelzgasse, unweit des Westbahnhofs: Güzide Selin Altan Huber führt zu klimafreundlichen Projekten.
In der Pelzgasse, unweit des Westbahnhofs: Güzide Selin Altan Huber führt zu klimafreundlichen Projekten.Carolina Frank
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Unterwegs mit der Austria-Guides-for-Future-Mitbegründerin im 15. Wiener Bezirk, entlang der Markgraf-Rüdiger-Straße bis zur ersten Schwammstraße Wiens.

Etwas verschlafen gibt sich der Kriemhildplatz im 15. Wiener Bezirk an diesem von Wind und Niederschlägen begleiteten Apriltag. Buchkontor samt Café namens Franz und Julius haben geöffnet. Das begrünte Parklet, ein Stadtmöbel, vor dem Geschäft sowie der benachbarte Schanigarten warten auf freundlicheres Wetter für ihre Klientel. Dann bevölkern die neu hinzugezogenen Kreativen, Kunstschaffenden und jungen Familien den als Nibelungenviertel bezeichneten Bezirksteil von Rudolfsheim-Fünfhaus.

Gleich zwischen Stadthalle und Schmelz gelegen, befindet sich hier auch die lang gezogene Markgraf-Rüdiger-Straße, gesäumt von den hohen Lindenbäumen. Die „grüne Tour“, veranstaltet von Reiseleiterin Güzide Selin Altan Huber, nimmt hier ihren Anfang. Als Gründungsmitglied des Vereins Austria Guides for Future führt sie Touristinnen und Touristen genauso wie an Klimaschutz Interessierte zu den „Öko-Grätzeln“ der Stadt.

„Obwohl der 15. einen der geringsten Grünanteile Wiens hat, ist er Fixstarter bei meinen geführten Spaziergängen“, erzählt Altan Huber, die ursprünglich Informatik an der TU Wien studiert hat und seit 2008 selbst in der Nähe wohnt. Dass der Bezirk über einige unbeliebte Ecken und Gassen verfügt, sei für sie kein Thema mehr. In den vergangenen Jahren habe sich vieles zum Positiven hin verändert. „Mietshäuser wurden saniert und so mancher Bezirksteil dadurch aufgewertet.“ Das wirke sich nicht nur auf die Immobilienpreise aus, sondern auch auf die Begrünung.

»Obwohl der 15. einen der geringsten Grünanteile Wiens hat, ist er Fixstarter bei meinen geführten Spaziergängen.«

Güzide Selin Altan Huber

Mitbegründerin Austria Guides for Future

Die Lindenbäume sind „Überlebenskünstlerinnen im Stadtgebiet“

Seit 2020 befindet sich beispielsweise an der Adresse Markgraf-Rüdiger-Straße 5 eine gemeinschaftlich genutzte Kompostieranlage (Initiative Gartenpolylog), die von knapp 30 Haushalten betreut wird. „Dadurch bekommen die Menschen mehr Bezug zur eigenen Wohnumgebung“, sagt Altan Huber während sie ihr Tablet zückt, um anhand des digitalen Baumkatasters eine junge Linde samt Bewässerungsbeutel ausfindig zu machen.

„Überlebenskünstlerinnen im Stadtgebiet“, bezeichnet die gebürtige Türkin jene Lindenbäume, die teilweise unter den widrigsten Bedingungen – Hitze im Sommer und versiegelte Flächen – dahinvegetieren. Dennoch gibt es städtische Klimaprojekte, die nicht bloß „ein Tropfen auf dem heißen Stein sind“. Dazu etwas später mehr.

Unterwegs im Stadt-Dschungel von Rudolfsheim-Fünfhaus

Auf der Hütteldorfer Straße hält Altan Huber an, erzählt über ein Projekt, das vom Gehsteig aus kaum zu sehen ist: Wo sonst Konzerte stattfinden, befindet sich oben auf dem Dach eine Fotovoltaikanlage. Damit gemeint ist die Halle D der Stadthalle, die seit 2022 laut Stadt Wien auf fast fünfeinhalbtausend Quadratmetern (21 Tennisplätze) Strom für rund 580 Ein-Personen-Haushalte produziert.

Und ganz in der Nähe, in der Hackengasse 20, gibt es ein begrüntes Gebäude, das sich selbst als „erstes Stadthotel mit Nullenergie-Bilanz“ bezeichnet. Dessen Fassadenbepflanzung sei ein willkommener Kontrast zu den grauen Nachbarhäusern. Im Innenhof des Hotels, einer grünen Ruheoase, entkommt man den Stadtgeräuschen.

Altan Huber erzählt, dass dieser Hotelbereich von einer Kindergruppe als „Dschungel“ bezeichnet wurde. Hier ist es still und tendenziell um „ein bis zwei Grad Celsius kühler“ als draußen auf der Straße. Die Kletterpflanzen wachsen an den Mauern empor, der Flieder auf einem der Dächer des mehrteiligen Gebäudes, kommt den hauseigenen Bienenstöcken zugute. „Wer hier absteigt und umweltfreundlich anreist, erhält sogar einen Nächtigungsrabatt“, merkt die Reiseleiterin an. „Touristen und Anrainer gleichermaßen können sich Ideen für eine klimafreundliche Stadtgestaltung holen.“

Ebenso umgesetzt wurde unlängst die erste Schwammstraße Wiens, die sich in der Nähe des Westbahnhofs befindet und den Abschluss der Tour bildet. Straße und Gehweg wurden auf das gleiche Niveau angehoben und mit barrierefreien Betonpflastersteinen ausgelegt.

Unter der Pflasterung entsteht, aus grobkörnigem der sogenannte Schwamm, der Bäume mit mehr Wasser versorgt und Regenwasser speichert. „Die Bäume leben damit länger, werden größer und bleiben gesünder“, erzählt Altan Huber mit Begeisterung. .

Zum Ort, zur Person

Das Gebiet hinter der Stadthalle wurde in den letzten Jahren durch verschiedenste Projekte aufgewertet. Eigentumswohnungen kosten durchschnittlich von 2402 Euro/m2 (gebraucht) bis 3300 Euro/m2 (neu).

Güzide Selin Altan Huber ist Mitbegründerin von Austria Guides for Future und bietet Stadtspaziergänge mit dem Fokus auf Klimaschutz an, www.austriaguidesforfuture.at.

Tipps: - Der Atelier- und Galerierundgang „Grätzl Art Open“ im 15. Bezirk am 4. Mai. Alle Infos unter: www.graetzlgalerie.at

- Grätzel-Tours ist eine neue Initiative, die Touren durch ganz Wien anbietet: www.graetzeltours.at

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