Im neunten Wiener Bezirk wurden zwei Gründerzeithäuser geschoßweise miteinander verbunden. Welche Überraschungen diese „Vermählung“ für die Architekten bereithielt und warum man an einen solchen Umbau detektivisch herangehen muss.
Über die Länge eines Häuserblocks erstreckt sich die Peregringasse, wo lediglich vier Adressen – von Hausnummer eins bis vier – zu finden sind. Die beiden Gründerzeithäuser mit den Hausnummern zwei und vier teilen sich aber nicht nur eine sehr seltene Wiener Adresse – seit Kurzem bilden sie auch eine Einheit.
Unter dem Projekttitel „Doppio Duo“ wurden die 1875 und 1873 erbauten Häuser geschoßweise miteinander verbunden, entstanden sind rund 5500 Quadratmeter moderne Bürofläche. Diese Verbindung zweier Gründerzeithäuser in Wien sei schon etwas Besonderes, sagt Architekt Christian Heiss: „Denn zuallererst müssen beide Gebäude im Besitz desselben Eigentümers sein und dann noch zur gleichen Zeit leer stehen.“
Eine Spange für die „Vermählung“
Beim Vorbeigehen fällt es gar nicht auf, dass es sich hier um zwei in unterschiedlichen Jahren erbaute Häuser handelt. Die graue Fassadenfarbe zieht sich über die ganze Länge des Häuserblocks, oben und unten ist sie weiß eingefasst. Wie eine Spange solle die Farbe die beiden Häuser „miteinander vermählen“, sagt Heiss. Auch das Beleuchtungskonzept und der gespiegelte Dachausbau mit großen Dachflächenfenstern dienen der optischen Angleichung der Gebäude. Sucht man nach den Unterschieden, fällt die opulentere Fassade des Hauses Nummer vier ins Auge. Säulen umrahmen hier die Fenster, der originale Stuck ist üppiger. Das Schwestergebäude ist deutlich schlichter gehalten. Der große repräsentative Eingang von Nummer vier verstärkt diesen Eindruck: Freshfields Bruckhaus Deringer steht groß darüber – die Wirtschaftskanzlei hat fast die gesamte Bürofläche angemietet.
Verschiebbare Wände für Neunutzung
In Gründerzeithäusern ein Büro zu errichten, das allen Ansprüchen an moderne Räumlichkeiten entspricht, ist zum Teil herausfordernd. Ein Hauptproblem: schwer verschiebbare statische Elemente. Man habe schließlich auf ein flexibles System gesetzt, fast alle Wände entfernt und Stahlrahmen für die Statik eingebaut, erzählt Heiss. Sollte sich die Nutzung also einmal ändern, können die Wände verschoben werden. Es gehe darum, etwas zu schaffen, was lang hält: „Sollten hier in 50 Jahren Wohnungen hineinkommen, kann man das machen.“ Auch die Dämmung ist bei alten Gebäuden ein Thema. In der Peregringasse wurde bei den Fenstern ein altbewährtes Konzept herangezogen und etwas verbessert. Die dreifach verglasten Kastenfenster bewahren den Altbau-Charme und halten mit zusätzlicher Isolierung und zwischen den Scheiben laufender Jalousie die Hitze draußen und die Wärme drinnen. Der Heizwärmebedarf der beiden Gebäude hat sich durch die Sanierung im Schnitt um rund 38 Prozent verbessert.
Mit einer Geschoßfläche von rund 1000 Quadratmetern, kann man von einer Seite des Büros zur anderen schon einen kleinen Spaziergang unternehmen. An einer Stelle geht es plötzlich ein wenig bergauf und anschließend bergab – hier sind die beiden Häuser miteinander verbunden und es muss über Rampen ein Höhenunterschied von etwa 15 Zentimetern überwunden werden.
Ein besonderer Fund im Haus
Ein Projekt mit 150 Jahre alter Substanz erfüllt den Architekten auch mit so etwas wie Ehrfurcht, sagt Heiss. „An so ein Gebäude geht man als Detektiv heran, man erforscht und fragt sich, warum Dinge so sind. Je älter das Gebäude ist, desto detektivischer muss man herangehen.“ Ein kleines Geheimnis hielt das alte Gebäude tatsächlich für die Architekten bereit. So stieß man bei den Bauarbeiten im alten Foyer auf die originale Stuckdecke, verborgen unter Kabeln und Leitungen. Der Bauherr gab seine Einwilligung zur Restaurierung. Ein Glücksfall, sagt Heiss. „Wenn man da eine glatte Decke hat, geht das Leben auch weiter“, sagt er, doch so sei es sehr viel romantischer.
Zum Ort, zum Objekt
Die Peregringasse wurde nach dem heiligen Peregrin, einem Servitenmönch, benannt und befindet sich im 9. Bezirk zwischen Börsen- und Servitenviertel. Mietpreise von Büros liegen hier zwischen 16 und 26 Euro/m2 (EHL 2023).
Die 2023 fertiggestellte Zusammenschließung wurde vom Atelier Heiss Architekten von der Planung bis zum Interior Design betreut. Bauträger ist die Bank Austria Real Invest Immobilien-Management GmbH. Das Projekt wurde von der ÖGNB mit der Klimaaktiv-Plakette in Bronze ausgezeichnet.