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In Schilfwänden können auch Insekten ein Zuhause finden

Die Lärmschutzwand besteht aus Lehm, Thermoholz und Schilf. Das kommt vom Neusiedler See.
Die Lärmschutzwand besteht aus Lehm, Thermoholz und Schilf. Das kommt vom Neusiedler See.REEDuce
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Eine Lärmschutzwand aus nachwachsenden Rohstoffen hält länger als manche Betonmodelle. Das heimische Start-up Reeduce baut mit Schilf, Lehm und Thermoholz ökologischen Lärmschutz. Die Bestandteile kommen direkt aus der Region und sind alle recycelbar.

Ganz frisch ist die Idee nicht. Denn die Forschungen, wie gut Schilf für Lärmschutzwände taugt, fanden schon vor über 20 Jahren statt. „Damals gab es ein EU-weites Forschungsprojekt zur Frage, wie man Lärmschutzwände ökologischer machen kann“, erzählt Birgit van Duyvenbode. Sie leitet das Start-up Reeduce, das von der Austria Wirtschaftsservice AWS unterstützt wurde und seit 2021 einige Preise bei Wettbewerben einheimst. „Lustigerweise war damals das Sägewerk von meinem Vater in Oberösterreich dabei, aber ich kannte dieses Forschungsprojekt gar nicht“, sagt van Duyvenbode.

Aus einer Reihe von Naturmaterialien kristallisierten sich Lehm, Schilf und Thermoholz als nachhaltige Alternativen zu herkömmlichen Lärmschutzwänden heraus. „Bisher bestehen die meisten aus chemisch imprägniertem Holz, Beton, Aluminium und Mineralwolldämmung. Diese Materialien sind sehr CO2-intensiv und landen großteils im Sondermüll“, sagt van Duyvenbode. Da präsentiert sich Thermoholz als Rahmen für diese Lärmschutzwand-Kassetten viel ökologischer. „Man kennt Thermoholz als stabiles, dunkles Material für den Einsatz im Außenbereich. Hergestellt wird es aus heimischen Hölzern, die durch einen Backofenprozess haltbar gemacht werden. So bekommen regionale, leistbare Hölzer die Qualität von hochpreisigem Tropenholz.“ Die standardisierten Kassetten, die in jeden Rahmen für Lärmschutzwände passen, werden bei ­Reeduce („reed“ ist englisch für Schilf) mit Lehm und Schilf gefüllt.

Das alte Handwerk des Schilfschneiders beleben

„Wir erhalten alle Materialien aus der Region, z. B. unser Schilf vom Neusiedler See“, sagt van Duyvenbode. Der Schilfgürtel um Österreichs zweitgrößten See sollte aus ökologischen Gründen stärker bewirtschaftet werden. Nicht nur Birdlife Austria befürwortet ein nachhaltiges Schilfmanagement, damit Vögel im Frühjahr besser brüten können.

„Wir hoffen, dass unser Produkt das alte Handwerk des Schilfschneiders wiederbeleben kann. Managementpläne des Nationalparks empfehlen, dass altes Schilf geschnitten werden soll. Sonst wird es brüchig, fällt zusammen und wird zu einem toten Lebensraum“, sagt van Duyvenbode. Darum wäre es sinnvoll, Schilf als Baustoff und Wertstoff wieder nutzbar zu machen.

So rettet man nicht nur die Lebensräume vieler Vogelarten um den Neusiedlersee, sondern gibt – mit dem fertigen Produkt – auch Insekten ein neues Zuhause: „Eine Lärmschutzwand aus Schilf ist wie ein Insektenhotel“, betont van Duyvenbode den zusätzlichen Mehrwert von Schilfwänden gegenüber Beton- oder Aluminiumwänden.

Bei dem damaligen EU-Projekt, das 2008 abgeschlossen wurde, stellten die Forschenden auch eine Testwand an einer österreichischen Autobahn auf. „Dann sind wir draufgekommen, dass diese Lärmschutzwand aus Thermoholz, Lehm und Schilf besser gehalten hat als eine herkömmliche“, sagt van Duyvenbode, die an der WU Wien, TU Wien und der Diplomatischen Akademie studiert hat. „Nebenbei habe ich immer in der Unternehmensberatung gearbeitet. Zuletzt war ich auf die Energie-Industrie in Europa spezialisiert, aber habe auch in Indonesien, China und Brüssel gearbeitet.“ Als sie von dem Potenzial dieser umweltfreundlichen Lärmschutzwände erfuhr, die man in Österreich aus heimischen Materialien herstellen kann, probierte sie es mit der Unternehmensgründung, begleitet von einem Forschungsprojekt an der FH Salzburg in Kuchl.

Lärmschutz an vielen Stellen

„Derzeit bietet Reeduce zwei Produkte an: die Standard-Lärmschutzwand und eine High-Performance-Version für besonders laute Stellen, die eine erhöhte Schallabsorption brauchen.“ Seit Mai stehen schon Wände im Testfeld der Asfinag an der S33 (Kremser Schnellstraße). „Im Alltag bemerke ich an vielen Orten, wo überall Schallschutz notwendig ist“, sagt van Duyvenbode. Denn schallabsorbierende Wände stehen nicht nur entlang von Autobahnen oder Bahntrassen. „Auch bei Supermärkten, Schulen oder Industriegebieten sind viele im Einsatz.“

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