TV-Notiz

Lebende Leiche in „ZiB 2“-Bericht über Gaza?

Eine als tot präsentierte junge Frau zeigt sich in der Aufnahme recht lebendig.
Eine als tot präsentierte junge Frau zeigt sich in der Aufnahme recht lebendig.(c) Screenshot ORF
  • Drucken
  • Kommentieren

Welchen Bildern können wir trauen? Vielleicht nicht denen, die am Sonntag spätabends in einem ORF-Bericht zu sehen waren.

Die Unübersichtlichkeit des Israel-Krieges ist einer seiner großen Schrecken. Dazu gehören Bilder von Leid und Tod, die allzu schnell verbreitet werden – und nicht immer das zeigen, was wirklich ist. Oft wird darüber diskutiert, welche Aufnahme was belegt. Immer wieder auch, wenn es um die Darstellung von Toten im Gazastreifen geht.

Gestern tappte offensichtlich auch der ORF in die Propagandafalle. Jedenfalls liegt dieser Eindruck nahe, wenn man einen Beitrag sieht, der am Sonntagabend in der „ZiB 2“ gezeigt wurde und in dem es um die Zerstörung des Kamal-Adwan-Krankenhauses im Norden von Gaza ging. In diesem Beitrag wird erst der Fernsehsender al-Jazeera zitiert, als ob es sich dabei um eine seriöse Quelle handle. Und dann sieht man Bilder von Toten. Jemand wird in ein Leichentuch gepackt. Ein Mann kniet vor zwei Körpern, eine Wolldecke bedeckt ein Kind nur zum Teil, die Gesichter sind frei. Im Beitrag sind sie unscharf gemacht, aber man erkennt eine junge Frau und (wohl) ein kleines Mädchen.

„Das sind die Opfer dieser kriminellen Aggression“, klagt der Mann. Der Vater, wie es im ORF-Bericht heißt. „Ich schwöre bei Gott, sie trifft keine Schuld. Wir gehören keiner Verbindung an.“ Tragisch scheint er, dieser Tod, doch man muss nicht allzu genau schauen, um zu erkennen, dass die (vermeintlichen) Leichen keine sind. Oder zumindest eine davon. Denn während der angebliche Vater sie betrauert, dreht sich die junge Frau auf, schaut zu den Männern neben sich. Woraufhin er schnell die Hand auf ihre Seite legt. Und weiterspricht.

Die Episode wirkt jedenfalls wie plumper Schwindel. Was natürlich die Frage aufwirft, ob der ORF das nicht bemerkte. Der Öffentlich-Rechtliche sollte doch genau wissen, dass Bildmaterial aus dem Kriegsgebiet überprüft werden muss. Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass derlei Aufnahmen für Aufregung sorgen.

Vom ORF hieß es am Montagnachmittag, dass das verwendete Material „geprüftes Agenturmaterial von EBU und Reuters“ sei, das auch andere TV-Sender ausgestrahlt hätten. Und: „Selbstverständlich hat es den redaktionsinternen Faktencheck durchlaufen.“ Zudem weist der ORF darauf hin, dass im Beitrag nicht der Begriff „Leichen“ verwendet werde, sondern das Wort „Opfer“. Der Vorwurf der „falschen Aufnahmen“ wird vehement zurückgewiesen.

>> Die Sendung zum Nachschauen

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.