Ministerrat

Informationsfreiheit: Regierung sieht „Transparenzrevolution“, Gewerkschaft fordert mehr Mittel

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP)
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) APA / APA / Roland Schlager
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ÖVP und Grüne danken der SPÖ, mit deren Stimmen die nötige Zweidrittelmehrheit zustande kommt.

Das Informationsfreiheitsgesetz mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses steht - die „Presse“ hat berichtet - vor dem Beschluss. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) freuten sich am Mittwoch vor dem Ministerrat über diesen „Meilenstein“ und dankten der SPÖ, deren Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit nötig sind, für die konstruktiven Verhandlungen. Beschlossen werden soll die im Verfassungsrang verankerte Regelung Ende Jänner im Plenum.

Mit der Abschaffung komme es zu einem „monumentalen Kulturwandel in diesem Land“, betonte der Vizekanzler: „Bye bye Amtsgeheimnis, welcome Informationsfreiheit.“ Damit bewahrheite sich, was man vor Monaten angekündigt habe, so Kogler. Damit könne das Transparenz- und Antikorruptionspaket im Wesentlichen abgeschlossen werden. „Das kommt einer Transparenzrevolution gleich“, sagte Kogler euphorisch. Bewiesen habe man damit auch die Arbeitsfähigkeit der Regierung und jene des Parlaments - „jedenfalls mit den konstruktiven Kräften und nicht mit jenen, die nur krakeelen“.

Dieser „historische Paradigmenwechsel“ sei nicht einem „Weihnachtswunder“ geschuldet sondern „schlicht und ergreifend der umfassenden Einbindung und den zähen Verhandlungen“, erklärte die Verfassungsministerin. Damit sei ein Ergebnis gelungen, das sich sehen lassen könne, so Edtstadler: „Nur wenige haben uns diese Einigung zugetraut.“ Die Verfassungsministerin lobte den Entwurf als „ausbalanciert“. Zum einen werde dem Informationsbedürfnis nachgekommen und gleichzeitig eine funktionierende Verwaltung gewährleistet. Auch Edtstadler bedankte sich bei den Parlamentsklubs, insbesondere beim stellvertretenden SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried für die „konstruktiven Gespräche“.

Leichtfried hatte sich zuvor über die erreichten Verbesserungen erfreut gezeigt, „um endlich Transparenz in die österreichischen Amtsstuben zu bringen“. Dies sei eine „historische Einigung“, die einen Kulturwandel in der Verwaltung darstelle. Seine Partei habe viele Jahre für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses Druck gemacht. Diese sei überfällig.

SPÖ ortet „Wermutstropfen“

Als Verhandlungserfolg reklamierte die SPÖ für sich, dass in Zukunft - das Gesetz soll 2025 wirksam werden - alle Verwaltungsorgane informationspflichtig sein werden, egal in welche rechtliche Form sie gekleidet sind, z.B. die Staatsanwaltschaften. Auch bei staatlichen Unternehmen werden laut SPÖ Lücken geschlossen: Nicht nur solche mit mehr als 50 Prozent formellem Staatsanteil müssen in Zukunft Informationen bereitstellen, sondern auch solche, die faktisch vom Staat beherrscht werden. Neu hinzukommen somit etwa Österreich Werbung, Verbund oder Kontrollbank.

Fallen wird die Ausnahme von der Auskunftspflicht für Gemeindeverbände, auch wenn die Kommunen als Verbund weniger als 5.000 Einwohner haben, was Edtstadler am Mittwoch bestätigte. Als „Wermutstropfen“ bezeichnet Leichtfried die Tatsache, dass Kommunen mit weniger als 5.000 Einwohnern alleine nur auf Antrag Informationen bereit stellen müssen. Dennoch seien sie von der passiven Informationspflicht nicht ausgenommen, so die Verfassungsministerin.

Kritik hatte nach Präsentation des Regierungsentwurfs auch ein weiterer Passus erregt. Greift demnach die Erteilung der Information in die Rechte eines anderen ein, „hat das zuständige Organ diesen davor nach Möglichkeit zu verständigen und zu hören“, heißt es dort. Dies war als Behinderung der Medienarbeit interpretiert worden. Diesbezüglich hat man sich darauf geeinigt, dass die Behörden nunmehr verpflichtet werden, die sonst vorgeschriebene Mitteilung an die betroffenen Dritten zu unterlassen, wenn dies zu Einschränkungen des Rechts auf Meinungsfreiheit führen würde. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass dies (von einem Journalisten) gegenüber der Behörde bekannt gegeben wird.

Abgeschafft wird die Amtsverschwiegenheit bei parlamentarischen Anfragen. Nur noch wenige besonders schwerwiegende Geheimhaltungsgründe werden in Zukunft die Verweigerung einer Antwort rechtfertigen können. Diese sind etwa nachrichtendienstliche Informationen, besonders sensible Daten von Bürgern oder erst bevorstehende Entscheidungen (wie etwa die geplante Durchführung von behördlichen Kontrollen oder Hausdurchsuchungen).

Grundsätzlich sieht der Gesetzesentwurf eine Pflicht zur Auskunftserteilung vor: Das betrifft die Verwaltungsorgane von Bund und Ländern sowie allen Gemeinden. Ebenso Auskunft erteilen müssen die mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organe. Auch nicht hoheitlich tätige Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen mit bestimmendem Staatseinfluss sind auskunftspflichtig. Bei letzteren darf deren Wettbewerbsfähigkeit aber nicht eingeschränkt werden.

Nach Antrag soll die Auskunft innerhalb von vier Wochen erteilt werden, im Ausnahmefall kann die Frist um noch einmal vier Wochen verlängert werden. Informationen von „allgemeinem Interesse“ müssen von staatlichen Organen künftig auch „proaktiv“ veröffentlicht werden, wobei für die kleineren Gemeinden die oben genannten Ausnahmen gelten.

Neos: „Weitreichende Ausnahmen keine gute Idee“

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach auf X von einer guten Nachricht, immerhin hätten die Neos seit zehn Jahren Druck gemacht für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Knackpunkt seien allerdings die Details. „Weitreichende Ausnahmen sind keine gute Idee, will man einem wirklich historischen Schritt!“ Wiens Neos-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr pochte per Aussendung etwa auf einen unabhängigen Informationsfreiheitsbeauftragten, der in der Praxis strittige Fragen beim Zugang zu Informationen klärt. Die Ausnahmeregelung für kleine Gemeinden kritisierte er als „nicht nachvollziehbar“.

Auch die FPÖ sieht das Informationsfreiheitsgesetz in der geplanten Form - trotz „kosmetischer Korrekturen“ an manchen Stellen - weiter kritisch. Ihr fehlen Punkte wie eine „Cooling-off-Phase“ für Höchstrichterposten oder eine Prüfbefugnis für den Rechnungshof bei Unternehmen schon ab einer 25-prozentigen Beteiligung der öffentlichen Hand. Auch die Ausnahmeregelung für kleine Gemeinden bei der proaktiven Informationspflicht kritisieren die Freiheitlichen. „Die ÖVP hat hier ihren Bürgermeistern die Mauer gemacht“, so Verfassungssprecherin Susanne Fürst per Aussendung. Dazu komme, dass mit dem neuen Gesetz für die kleinen Gemeinden die Veröffentlichungspflicht für Studien, Gutachten und Umfragen wegfalle, was eine Verschlechterung zur aktuellen Rechtslage sei.

Der Gemeindebund hob wiederum genau diese Regelung positiv hervor. Schließlich hätten gerade kleinere Gemeinden weniger Personal für rechtliche Abwägungen und durch das Recht auf individuelle Informationsfreiheit könne ohnehin jeder Bürger unabhängig von der Einwohnerzahl des Wohnorts Auskünfte verlangen. Insgesamt handle es sich um einen „breit getragenen Kompromiss“, der einen Paradigmenwechsel zu mehr Transparenz bringe, so die Vizepräsidenten Andrea Kaufmann und Erwin Dirnberger in einer Aussendung.

Christian Meidlinger, Vorsitzender der ehemaligen Gemeindebedienstetengewerkschaft Younion, begrüßte das Gesetz zwar grundsätzlich, warnte allerdings, dass das Personal wegen gestiegener Anforderungen der vergangenen Jahre schon jetzt überlastet sei. „Wenn die Politik mehr Leistung will, muss sie auch für ausreichend Personal und Mittel sorgen“, pochte er auf mehr Geld etwa für IT und automatische Lösungen. Außerdem forderte er, dass die Offenlegungspflicht auch für Firmen gelten müsse, die sich um öffentliche Aufträge bemühen.

Die Beschlussfassung des Informationsfreiheitsgesetzes wird für Jänner angestrebt. Davor wird noch ein Experten-Hearing im Verfassungsausschuss angesetzt. Mit Sommer 2025 soll die Informationsfreiheit dann gelten. (APA)

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