Wettbewerbsfähigkeit

IV-Präsident Knill warnt vor „schwierigen Zeiten“

Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung.
Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung.Clemens Fabry
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IV-Präsident Knill kritisiert Österreichs „Eh nicht so schlecht“-Mentalität. Österreichs Wettbewerbsfähigkeit sei gefordert, Schuld sei nicht die Industrie sondern eine nicht-handelnde Politik.

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, spricht von „durchaus schwierigen Zeiten“, in denen sich die Wirtschaft, Österreich und Europa befinden. Im Interview mit der APA kritisiert er das Abfallen Österreichs in der Wettbewerbsfähigkeit, die hohe Abgabenlast, eine schleichende Deindustrialisierung, eine zu geringe Reformfreudigkeit der Bundesregierung und warnt auch schon vor Steuergeschenken im Zusammenhang mit der bevorstehenden Nationalratswahl 2024.

„Mit der ‚eh nicht so schlecht‘-Einstellung“ werde man nicht mehr weitermachen können, so Knill. „Die Wettbewerbsfähigkeit als Exportland ist massiv gefordert - sie ist auch massiv gesunken“, verwies der Industrielle (Knill-Gruppe) auf das IMD-Ranking, bei dem „wir nicht einmal mehr im obersten Drittel sondern inzwischen nur noch auf Rang 24 sind“. Hier müsse man sich nicht am Durchschnitt orientieren und entsprechende Maßnahmen setzen sondern an der Spitze. Dort findet sich in diesem Ranking das von der Größe her vergleichbare Dänemark.

„Eine Durchschnittsmaxime ist zu wenig, noch dazu wo bei wir bei den Ausgaben ganz vorne dabei sind“, verwies Knill etwa auf eine aus Sicht der IV nicht gelöste Problematik der hohen Pensionskosten in Österreich. Hierbei herrsche ein „permanentes Schönreden“, dabei gebe es „massiven Handlungsbedarf“. Das Regelpensionsalter müsse zum Antrittsalter werden. Auf die höheren Lebenserwartungen gehöre auch reagiert. Derzeit könne man nicht von einem nachhaltigen System ausgehen, verwies der Unternehmer und Wirtschaftsvertreter auf Vergleiche unter OECD-Staaten.

Weniger Abgaben, niedrigere Lohnabschlüsse

Knill formuliert auch weitere zentrale Forderungen an die nächste Bundesregierung. Diese müsse die Abgabenlast dringend senken - von derzeit 43,5 Prozent auf unter 40 Prozent. Das hatten allerdings schon mehrere Regierungen zum Ziel. Dazu sagte Knill, man verliere den Glauben nicht, die Forderung richte sich an alle Parteien und alle Regierungen: „Runter mit der Belastungsquote.“

Der IV-Chef rechnet jedenfalls vor, dass die Summe aller Abgaben derzeit 200 Mrd. Euro ausmache. Bis 2030 würden es 270 Mrd. Euro werden. „Der Steigerungspfad muss jetzt gestoppt werden. Sinkt die Abgabenquote auf unter 40 Prozent, machen die Abgaben 2030 zwar immer noch 250 Mio. Euro aus, aber es würde sich trotzdem um eine massive Entlastung handeln“, fordert Knill.

Auch die Inflation müsse in Österreich besser in den Griff bekommen werden, erinnerte der IV-Präsident an die hierzulande stets und zum Teil recht deutlich über dem Eurozonen-Durchschnitt liegende Teuerung. Hier gebe es einerseits eine „Preis-Lohn-Preisspirale“, die schon an den sehr hohen Lohnabschlüssen der vergangenen Jahre liege. Das treibe die Lohnstückkosten, die laut Knill unter Berufung auf Wifo-Daten heuer um 11,5 Prozent und kommendes Jahr um 7,9 Prozent steigen dürften. „Das macht knapp 20 Prozent binnen zweier Jahre“, strich er hervor.

Die heimische Wettbewerbsfähigkeit leide des weiteren aber auch an den Energiekosten. „Diese liegen deutlich über dem vorpandemischen Wert und drei Mal so hoch wie in den USA. Das sind Themen, die adressiert werden müssen“, sagte Knill in Richtung politischer Verantwortungsträger.

Industrie leidet an Energiekosten

Weil es in der EU keine Einigung gebe, bleibe es auch bei der Merit-Order, die den Strompreis bestimmt. „Konsequenz ist keine gesamteuropäische sondern eine nationalstaatliche Strommarktpolitik“, bedauerte Knill. Hier blicken die Industriebetriebe sorgenvoll in andere EU-Staaten, die für ihre Betriebe bestimmte Pakete schnüren, die von der EU auch erlaubt sind. Der deutsche Plan sei wegen der dortigen Budget-Schwierigkeiten nur aufgeschoben, nicht aufgehoben, warnte Knill.

„Sofort als das aufkam, haben wir hier die Bundesregierung vorgewarnt: Wir müssen als Österreich nachziehen, sonst kommt es zu innereuropäischen Verzerrungen und Nachteilen, die wir jetzt schon durch die Strompreiszonentrennung verschlimmern“, erläutert Knill. So müssten pro Jahr 2 Mrd. Euro in Netzinfrastrukturprojekte gesteckt werden, denn aufgrund der mangelnden Infrastruktur ergäben sich Mehrkosten in dieser Höhe. 30 Euro zahle man in Österreich mehr pro Megawattstunde als in Deutschland. Bei etwa 70 Terawattstunden seien das 2 Mrd. per anno.

Das Modell der Strompreiskompensation gebe EU-Staaten seit 2013 die Möglichkeit, Unternehmen einen Teil der politisch verursachten indirekten CO2-Kosten zu erstatten. So sollen vergleichbare Wettbewerbsbedingungen mit außereuropäischen Konkurrenten drin sein.

Der angekündigte deutsche Deckel im Rahmen des SAG soll bei 7 Cent je KWh liegen. „Das würde in Österreich knapp die Halbierung des Strompreises bedeuten“, so Knill. Schon mehr als ein Dutzend der EU-Staaten habe oder plane ähnliche Regelungen, darunter Frankreich. Die EU erlaubt solche Maßnahmen vorerst bis 2030. Knill: „Wir brauchen vergleichbare Maßnahmen, um keine Wettbewerbsnachteile zu erfahren.“

Zu lange Genehmigungsverfahren

Ein Dauerbrenner sind auch die Genehmigungsverfahren, die in Österreich vor allem aus Sicht der Industrie viel zu lange brauchen. Das berge große Gefahren beim Erreichen der Klimaziele, die von der IV laut Knill absolut unterstütz werden. Auch hier müsse die Politik rasch handeln, sollen die Austro-Klimaziele nicht verfehlt werden, obwohl Projekte im öffentlichen Interesse lägen. Auch in Deutschland habe das mit grüner Regierungsbeteiligung funktioniert, sagte Knill mit Verweis auf in der Energiekrise rasch errichtete LNG-Terminals und -Pipelines.

Dort sei priorisiert worden in den Verfahren zwischen Klima- Umwelt- und Artenschutz. „In Österreich muss aber alles unter einen Hut gebracht werden.“ Dabei böte das Standortentwicklungsgesetz eigentlich die Möglichkeit für raschere Verfahren, diese würden nur nicht genutzt. Das sei mit den Klimazielen bis 2030 gedeckt, es gehe um das Erreichen von wichtigen Zwischenzielen, die sofort raschere Verfahren bräuchten, auf dem Weg zur Klimaneutralität.

„Wir haben massiv die Sorge, dass die Ziele aufgrund des Zeitfaktors nicht erreicht werden können“, sagte Knill. „Das liegt aber am Nicht-Handeln der Politik und nicht an der Industrie.“ Auch das ist einer der vielen Punkte, bei denen der IV-Präsident im Gespräch vor einer schleichenden Deindustrialisierung warnt. Denn diese passiere nicht mit einem einzigen Knall. (APA)

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