Gastkommentar

Air-Schengen – aus Angst vor der FPÖ

Innenminister Gerhard Karners vermeintliche Reparatur des EU-Asylsystems hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Mit zweitägiger Verspätung hat auch Österreich die Vereinbarung mit Bulgarien und Rumänien über das sogenannte Air-Schengen bestätigt. Ab März werden daher bei Flug- und Schiffsreisen von und zu den zwei Ländern Grenzkontrollen entfallen. Im Gegenzug wird der Einsatz von Frontex, der Behörde für den Schutz der EU-Außengrenzen, verstärkt. Bulgarien und Rumänien mussten sich verpflichten, ihre Grenzen stärker zu kontrollieren. Und beide Länder mussten einwilligen, Asylwerber aus Österreich zu übernehmen.

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Schon vor der nunmehrigen Vereinbarung war, offenbar ebenfalls auf österreichischen Druck hin, beschlossen worden, 2024 in Rumänien und Bulgarien ein neues Frontex-Programm einzuführen, das Asylwerber durch finanzielle Anreize dazu bewegen soll, zurückzukehren. Außerdem werden beschleunigte Abschiebungsverfahren eingeführt.

Es handelt sich dabei um menschenrechtlich bedenkliche EU-Pilotprojekte, die noch in keinem anderen Mitgliedsland eingeführt worden sind. Dies wird, zusammen mit der nun getroffenen Vereinbarung, zu einer weiteren Aushöhlung des Asylrechts führen.

Karners „Reparatur“

Weiters hat Wien durchgesetzt, dass Bulgarien und Rumänien vor allem aus Afghanistan und Syrien stammende Asylwerber aus Österreich übernehmen. Das erinnert an die Initiative von Großbritanniens Premier, Rishi Sunak, Asylwerber zur Bearbeitung ihrer Verfahren ins afrikanische Ruanda zu schicken. Während Großbritannien 300 Millionen US-Dollar an Ruanda für das Projekt bezahlt hat, erreicht Österreich dasselbe Ziel durch Erpressung.

Damit wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Andere EU-Länder werden nun versucht sein, Österreich nachzuahmen. Ungarn hat vor wenigen Wochen ebenfalls mit Schengen als Druckmittel bereits Bulgarien zur Zurücknahme einer Transitsteuer auf Gastransporte gezwungen. Jetzt wissen wir, was Innenminister Gerhard Karner mit der Reparatur des angeblich „kaputten“ EU-Asylsystems meint.

Auf dem Niveau Ungarns

Was die Übernahme der Asylverfahren betrifft, stellt sich die Frage: warum vor allem Afghanen und Syrer? Weil sie Moslems sind? Eine ungute Optik – so, als ob aus der Sicht der österreichischen Regierung Menschen zweiter Klasse in Länder zweiter Klasse abgeschoben werden sollen. Alle Bedingungen Wiens wurden für eine teilweise Zustimmung zu etwas gestellt, was Bulgarien und Rumänien längst in vollem Umfang zusteht: der Beitritt zum Schengen-Raum.

Dieser Beitritt wurde ihnen aus vorgeschobenen Gründen von Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Karner aus Angst vor der FPÖ vorenthalten. Selbst die nunmehrige Halblösung ist vermutlich auf internationalen Druck auf Österreich seitens der EU, Deutschlands und der USA zurückzuführen. Rumänien wiederum hat offen damit gedroht, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das große Neptun-Gasfeld im Schwarzen Meer, das zu 50 Prozent der OMV gehört, nicht wie von Letzterer gewünscht zu ändern.

Zurück bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Mit der Blockade des Schengen-Beitritts der zwei Länder hat sich Österreich – einst ein Vorreiter der Öffnung hin zu Mittelost- und Südosteuropa – auf dasselbe Niveau wie Ungarn begeben. Rücksichtslos wurde eine Schwächung der EU in Kauf genommen. Die ÖVP wird die kommenden Wahlen wahrscheinlich so oder so verlieren. Sicher aber ist, dass der Schaden für das Ansehen Österreichs lang anhalten wird.

Amos Michael Friedländer ist Ökonom und war Head, East Europe Research, bei Nomura International. Derzeit freier Publizist und Autor.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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