Morgenglosse

Totgesagte leben länger: Der ORF darf online mehr denn je

Die Beschränkung der Textbeiträge auf der „blauen Seite“ wird vom ORF umgangen. Ganz legal.

Seit 1. Jänner gilt ein neues ORF-Gesetz. Neben der Umstellung von der GIS-Gebühr auf eine für alle gültige Haushaltsabgabe (ORF-Beitrag) beinhaltet es eine Ausweitung des digitalen Angebots des ORF (er darf z. B. eigene Online-Nachrichten machen und hat erweiterte Streamingmöglichkeiten). Im Gegenzug wurde u. a. eine Textmeldungsreduktion auf ORF.at festgeschrieben. Nach Ansicht des Verlegerverbands VÖZ sieht das ORF-Angebot im Netz den Webseiten der Zeitungsverlage zu ähnlich: Maximal 350 „nachrichtenmäßige“ Kurzberichte pro Woche sind auf der „blauen Seite“ jetzt noch erlaubt. 70 Prozent des Inhalts der Seite müssen Audio- und Videobeiträge sein. Damit der gebührenfinanzierte ORF den Portalen der privaten Verlage nicht noch mehr das Wasser abgräbt.

Ist ORF.at deshalb tot? Das zumindest suggeriert das Satireportal „Die Tagespresse“, das behauptet, das Onlineportal des Öffentlich-Rechtlichen wäre „nach langem qualvollen Hickhack“ eingeschläfert und durch eine „zusammengestutzte Mini-Version“ ersetzt worden. ORF.at wird in einer Parte betrauert. Schuld seien die Verleger und ihre „lobbyistische Brechstange“, heißt es gehässig.

Schaut nicht aus „wie ein YouTube-Kanal“

Werfen wir einen Blick auf ORF.at: 40 Textmeldungen fanden sich am Mittwochnachmittag auf der Startseite, dazu 15 Audiofiles und 41 Videobeiträge. Tot ist die Seite also keineswegs. Und „wie ein YouTube-Kanal“ schaut sie auch nicht aus.

Wer genau hinsieht, merkt aber, dass die Überschriften auf der Startseite oft zu keinem eigenen Textbeitrag führen, sondern dass es sich um einen Link zu einer anderen ORF-Seite handelt. Klickt man darauf, wird man etwa auf science.ORF.at weitergeleitet – und dort ist die Zahl der Textbeiträge nicht beschränkt. Womit die Reduktion auf 350 Textbeiträge pro Woche vom ORF problemlos umgangen werden kann.

Und das ganz legal. Im Verlegerverband spricht man deshalb von einer „Mogelpackung“. Und hat wegen des ORF-Beitrags (muss er als Beihilfe angemeldet werden?) und auch wegen der Zeitungsähnlichkeit von ORF.at die EU-Kommission angerufen.

E-Mails an: isabella.wallnoefer@diepresse.com

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